Von Print zu Powerplay
Wie sich der ADAC durch eine große Digital-Offensive zum Multichannel-Medienhaus entwickelt hat.
Text: Stefanie Lindner
Fotos: Sebastian Arlt
Wie sich der ADAC durch eine große Digital-Offensive zum Multichannel-Medienhaus entwickelt hat.
Text: Stefanie Lindner
Fotos: Sebastian Arlt
Posts auf Facebook, die bis zu 7 Millionen Menschen erreichen, über eine Millionen Seitenaufrufe auf adac.de pro Tag, ein Anstieg der Follower bei Instagram um über 80 Prozent: Der Wandel, den der ADAC durchgemacht hat, ist immens. War bis 2019 das monatliche, gedruckte Clubmagazin „ADAC Motorwelt” der wichtigste Kommunikationskanal zu den Mitgliedern, so erreicht der ADAC sie jetzt erfolgreich auf unterschiedlichsten Kanälen. Wie das gelang? Durch einen radikalen Change in der digitalen Kommunikation, die bis 2019 eher nachrangig behandelt wurde, weil weder Digitaltechnik noch fachliche Kompetenz vorhanden waren.
„Im Zuge der Umstellung wurden die „ADAC Motorwelt” und das „ADAC Reisemagazin” ausgelagert, damit „sich unsere interne Redaktion zu 150 Prozent auf die Digitalisierung konzentrieren konnte“, wie Martin Kunz, Kommunikationschef des ADAC, erklärt. Kündigungen in der Print-Redaktion gab es nämlich keine – sondern Fortbildungen und Umschulungen in Sachen Digitalisierung.
Im Interview mit XPLR: MEDIA in Bavaria erklärt Martin Kunz, wie der ADAC den radikalen Change-Prozess umsetzen konnte. Vier Mitarbeitende aus der Redaktion geben Einblicke, wie sich ihr Arbeitsbereich verändert hat und was ihnen dabei hilft, neue Herausforderungen zu meistern.
Kommunikationschef Martin Kunz:
Herr Kunz, wie würden Sie den Wandel in der Kommunikations-Strategie des ADAC beschreiben?
Martin Kunz: Wir sind von einem Dampfschiff auf ein Raumschiff umgestiegen. Vor dem Change-Prozess war die „Motorwelt“ der mit Abstand wichtigste Kanal, um mit den Mitgliedern zu kommunizieren. Als Mobilitätsclub muss man aber, wie der Name sagt, mobil sein – und jede Frage sofort beantworten können. Da hilft mir das beste Printmagazin der Welt nicht, man muss auch digital vielfältig aufgestellt sein.
Vor vier Jahren hat unser Vorstand Lars Soutschka deshalb beschlossen, die Kommunikation komplett neu aufzustellen. Er hat mich beauftragt, eine integrierte Redaktion aufzubauen, die alle externen Kommunikationskanäle des ADAC steuert – vom Onlineportal, über Social Media, der ausgelagerten „ADAC Motorwelt” bis zu den Media Relations.
Personell haben Sie sich nicht neu aufgestellt, alle damaligen Print-Kolleg:innen sind nach wie vor dabei – mit neuen Aufgabenfeldern.
Kunz: Wir hatten viel Kompetenz in der Redaktion und der Kommunikation. Menschen, die sich mit einer so komplexen Organisation wie dem ADAC auskennen, bringt man schneller Digitales bei, als Digital Natives von außen die Organisation ADAC. Also gab es für alle Fortbildungsmaßnahmen und Coachings.
Gab es ein Vorbild für den Change?
Kunz: Nicht wirklich, der ADAC ist weder ein klassisches Unternehmen wie beispielsweise ein Automobilkonzern mit Presseabteilung, noch ist er ein rein journalistischer Betrieb. Hochwertige Informationen sind unser Geschäft – das ist eine redaktionelle Clubleistung, die im Mitgliedsbeitrag enthalten ist. Deshalb haben wir zur Vorbereitung zahlreiche Digital-Redaktionen besucht und Austauschprogramme gemacht, unter anderem mit FOCUS online, ZEIT ONLINE und Ippen Digital.
Konnten Sie den Change komplett intern umsetzen?
Kunz: Es gab einige Digital-Kompetenzen, die wir dringend brauchten: Wir hatten keine Daten- und SEO-Expertise und auch keine Produktmanagerinnen und -manager. Da haben wir neue Kolleginnen und Kollegen gesucht und gefunden. Aktuell besteht die Kommunikation aus etwa 70 Mitarbeitenden.
Neben der Clubzeitschrift und der Website hat der ADAC Präsenzen auf Facebook, Instagram, LinkedIn, Twitter, YouTube und TikTok. Gibt es Kanäle, die Sie priorisieren?
Kunz: So sollte man nicht denken: Jeder Kanal hat definierte Ziele und wird datengetrieben für die Zielgruppe bestmöglich betrieben. Ich sehe es eher als ein aus vielen Instrumenten bestehendes Orchester. Und unser Publikum ist ganz Deutschland.
Analystin Ina Schulte-Uentrop
Frau Schulte-Uentrop, wissen Sie noch, was Sie beim ADAC als Erstes gemacht haben?
Ina Schulte-Uentrop: Relativ früh habe ich den Redakteurinnen und Redakteuren Dashboards eingerichtet, die es ihnen ermöglichen, eigene Artikel oder die allgemeine Performance der Redaktionsseiten auszuwerten. Die Möglichkeit hatten sie vorher nicht. Ich stelle diese Ergebnisse aber auch regelmäßig in großer Runde vor, stelle die Daten bereit und liefere Interpretationsansätze sowie Impulse, die die Redaktion bei der Optimierung von Inhalten unterstützen.
Wie wurden Sie von der Redaktion aufgenommen?
Schulte-Uentrop: Ich hatte tatsächlich Sätze befürchtet wie „Was willst du mir erzählen? Ich habe 30 Jahre Erfahrung und du bist noch nicht einmal Journalistin.“ Aber die kamen nicht. Im Gegenteil: Ich habe von Beginn an großes Interesse an Zahlen und Daten gespürt. Sie scheinen viele Redakteurinnen und Redakteure regelrecht zu motivieren.
Gibt es trotzdem etwas, das sich aus Ihrer Sicht noch ändern muss?
Schulte-Uentrop: Die immer noch vorherrschende Reichweitenfokussierung. Das ist sicher eine klassische Printsicht, da sind Auflagen- und Leserzahlen das Maß aller Dinge. Bei Social Media beispielsweise spielen Zahlen zum Engagement, etwa Likes und Kommentare, eine extrem große Rolle. Darauf versuche ich immer wieder den Blick zu lenken. Außerdem sind Zahlen nicht alles: Ich glaube, die Kombi aus Daten, journalistischer Intuition und Erfahrung macht’s.
Chefin vom Dienst Diana Sprung:
Redakteur Helmuth Meyer:
Sie sind seit 1991 beim ADAC, die letzten acht Jahre vor dem Wandel waren Sie beim Reisemagazin. Wie haben sich Ihre Aufgaben verändert?
Helmuth Meyer: Beim Reisemagazin habe ich mich mit in die Tiefe gehenden Printreportagen aus den Bereichen Kulinarik, Hotellerie und Design beschäftigt. Jetzt geht es auch um Juristisches, Verkehr, Reisemedizin und vieles mehr. Und das meist kurz und knapp für Website, Newsletter oder Instagram. Das Schreiben ist komplett anders, suchmaschinenoptimiert und schnell auf den Punkt gebracht.
Wie haben Sie sich auf das neue Arbeiten vorbereitet?
Meyer: Zum einen gab es viele Schulungen zu Programmen wie Contentful, Scompler oder Cloudinary. Zusätzlich habe ich auf eigenen Wunsch eine Hospitanz bei ZEIT ONLINE gemacht. Denn ich wusste: Ich will im Bereich Text bleiben.
Ihr Resümee heute?
Meyer: Ich habe zwar nostalgische Gefühle, wenn ich auf die Reportagen und die damit verbundenen Reisen zurückblicke. Aber die neue Technik jetzt in Verbindung mit unterschiedlichen Themen und Stilformen ist ebenso reizvoll.
Art Director Andreas Wiedemann:
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