So erstellen Algorithmen einen Film

Von Anja Kummerow

Müssen wir uns vor Künstlicher Intelligenz (KI) fürchten? Wird sie dem Menschen überlegen sein? Susanne Steinmassl hat sich damit auseinandergesetzt – in einem Film, der unendlich ist. Außerdem ungewöhnlich: In „The Future Is Not Unwritten“ führen Algorithmen Regie.

Sich einen Chip im Kopf implantieren lassen und damit sofort fließend Chinesisch sprechen? Susanne Steinmassl findet den Gedanken, „sich eine neue Sprache aufs Gehirn laden zu können, verlockend“. Künstliche Intelligenz nicht nur als etwas Bedrohliches zu betrachten, war für sie jedoch ein langer Weg. Startpunkt ihrer Reise war das Jahr 2015 und die schwedische Serie „Real Humans“. Ihr Interesse war geweckt und so setzte sich die Künstlerin mit menschlich aussehenden Robotern auseinander.

Vorreiter in Sachen Künstliche Intelligenz

Je mehr Steinmassl las, desto mehr wollte sie wissen. Das führte sie schließlich in das Land, das die humanoiden Maschinen so oft einsetzt wie keine andere Nation: Japan. „Dort habe ich eine ganze andere Akzeptanz und eine andere Perspektive auf die Thematik erlebt – das fand ich spannend. Von da an habe ich mich vor allem auf Künstliche Intelligenz konzentriert, die den Roboter erst lebendig macht.“ Ab diesem Zeitpunkt richtete sie ihren Fokus auf das Thema – und tut es immer noch. Sie las, was ihr dazu in die Hände fiel, setzte sich auch philosophisch und aus religiöser Sicht damit auseinander. Nietzsche wurde ebenso zu Rate gezogen wie die Bibel. „Dabei habe ich alle Phasen durchgemacht, von ,Oh Gott – das macht mir Angst' bis hin zu totaler Faszination, etwa, wenn man sich mit den Einsatzgebieten von KI beschäftigt wie zum Beispiel in der Medizintechnik", sagt Steinmassl. „Im Endeffekt geht es darum, mit Hilfe von Technologie die Schwächen von Körper und Gehirn zu überwinden, um das Leben zu verlängern. KI soll damit das Menschsein erweitern mit dem Ziel, unsterblich zu werden“, ist ihre Conclusio.

Zwischen 3D-Avataren und Real-Film

Der Film ist zum einen eine Auseinandersetzung mit allen Aspekten der Künstlichen Intelligenz, zugleich aber integriert er sie und lässt sie für sich selbst sprechen. „In den Film sind verschiedene Formen eingeflossen. Für das Bildmaterial haben wir Real-Film-Szenen verwendet, mit denen wir uns der Frage nähern: Was ist der Mensch?“ Gedreht wurde auch in Japan – „vor allem menschenleere Szenen“. Um 3D-Avatare zu schaffen, holte sich Steinmassl die 3D-Künstlerin Phyllis Josephine ins Boot. „Der Film wandelt zwischen organischem und technischem Material hin und her.“

Wie die Sequenzen aneinandergefügt, mit welchen sphärischen Klängen, welchen philosophischen Texten von Philosoph*innen oder auch Internet-Pionier*innen sie unterlegt werden – das weiß auch Susanne Steinmassl nicht. Denn Künstliche Intelligenz ist nicht nur der Hauptprotagonist des Films, sondern auch der Regisseur. Gemeinsam mit Programmierer Maximilian Heitsch schuf sie ein neuronales Netzwerk, das eigene, immer wieder neue Bilder erschafft – basierend auf einem Algorithmus für Maschinelles Lernen. „Wir setzen dabei auf die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Der Film ist ein Hybrid zwischen beiden: Wir geben etwas hinein und wollen, dass die Maschine selbst etwas kreiert.“

Susanne Steinmassl, Regisseurin von „The Future Is Not Unwritten“

Algorithmus erschafft Film

Dafür schicken sie und ihr Team – das phasenweise 30 Leute zählte – „Trainingsmaterial“ in eine Datenbank. Aus dieser bedient sich der Algorithmus nach Belieben. „Die Kombination der Komponenten ist einzigartig.“

„Smart Film“ heißt das neue Genre, „weil diese Form intelligent ist und sich ständig verändert, sich selbst transformiert“. Dass Steinmassl mit ihrer Idee auch andere fasziniert, zeigt nicht nur die Unterstützung der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film sowie der Kirch Stiftung, die es ihr mit einem Stipendium ermöglichte, ein Jahr lang intensiv an dem Thema zu arbeiten.

Auch die Einladung von Lufthansa sowie des Bundesverbandes Musiktechnologie MusikTec auf die SXSW Conference 2019 nach Austin, Texas, zeigt, dass sie damit einen Nerv trifft. Dort sprach sie gemeinsam mit dem Künstler Sean Rogg auf einer Panel-Diskussion im German Haus über „AI & Creativity“ – also Künstliche Intelligenz und Kreativität. „Ein Thema, über das man Stunden reden kann“, sagt Susanne Steinmassl. „Mir war es vor allem wichtig, herauszustellen, dass sich auch Künstler und Künstlerinnen des Themas KI annehmen. Denn nur, wenn sich die Gesellschaft an dem Diskurs beteiligt, kann sich Künstliche Intelligenz in einer demokratisierten und dezentralisierten Weise entwickeln.“

Ein Film ohne Anfang und Ende

Sich immer weiterentwickeln – das macht auch der Film „The Future Is Not Unwritten“. Das Kernteam arbeitet noch immer an dem Projekt. Neues Material wird eingegeben, mit dem das neuronale Netzwerk arbeitet und daraus auch lernt. Auch der Film selbst ist ohne Anfang und ohne Ende. Unendlich eben. „Vorbei ist es dann“, sagt Susanne Steinmassl, „wenn man das Gerät abschaltet“.

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