Mischfabrik

Action Filming: Halt drauf – und zwar richtig!

DIE MISCHFABRIK VON SIMON THUSSBAS UND BENJAMIN MAKATOWSKI ENTWICKELT IMAGE- UND OUTDOORFILME FÜR KUNDEN WIE RED BULL ODER LIEBHERR. WAS SIE VON ANDEREN AGENTUREN ABHEBT? IHRE LEIDENSCHAFT FÜR RASANTE GE­SCHICHTEN UND SCHWINDELERREGENDE SETTINGS.

Text: Gordon Detels

Der Himmel trägt Postkartenwetter, gestochen scharf ragen die Berge ins Blau hinein. Fast eine Zumutung, jetzt nicht draußen sein zu können. Simon Thußbas (33) und Benjamin Makatowski (32) sitzen in der Couchecke ihres loungeartigen Büros im ersten Stock eines Flachdachgebäudes und planen den nächsten Tag.

Die Gründer der Filmproduktion und Kreativagentur Mischfabrik fliegen nach Hamburg zu einem Dreh für Red Bull. Der Hersteller von Energydrinks zählt zu den Hauptkunden der beiden, seit sie vor ein paar Jahren per Zufall den erfolgreichsten Red-Bull-Clip aller Zeiten drehten. „Last Call for Mr. Paul“ heißt er: ein Vierminüter über den Freerunner Jason Paul. Mitte September zählte der Clip 138.115.334 Millionen Abrufe auf YouTube. Das sind exakt 138.105.543 Klicks mehr, als der Heimatort von Simon und Benjamin, genannt Benny, Einwohner*innen hat: Ihre Firma liegt im oberbayerischen Ainring, genauer gesagt, im Ortsteil Rauchenbücheln – mit zirka 50 Einwohner*innen, ein paar Kühen und Schafen.

Medienstandort Ainring

Die Mischfabrik hat ihren Sitz in Ainring, einer knapp 10.000 Einwohner*innen großen Gemeinde in Oberbayern, gut 1,5 Autostunden von München entfernt. Was dafür sehr nah ist: die Berge. Nicht ganz unwichtig für eine auf Outdoor-Filme spezialisierte Kreativagentur.

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Angefangen hat die Erfolgsgeschichte der Mischfabrik zu einer Zeit, als es YouTube noch gar nicht gab. Um die Jahrtausendwende waren Simon und Benny schneebegeisterte Teenager, Fans von Ski- und Snowboardfilmen – und chronisch knapp bei Kasse. „Also haben wir mit acht Jungs Geld zusammengelegt und eine Digitalkamera gekauft, die jeder benutzen durfte“, erinnert sich Benny. Auch als Benny später eine Ausbildung zum Kaufmann für Marketingkommunikation machte und Simon Maschinenbau studierte, ließ ihre Leidenschaft sie nicht los: „Das Filmthema blieb, allerdings hätten wir nicht gedacht, dass wir damit mal Geld verdienen.“ Doch dann ging es los mit eben jenen Zufällen, die in der offiziellen Gründung der Mischfabrik mündeten – und im Dreh für Red Bull. Die Betreiber eines Skigebiets erfuhren von einem Film, den die beiden vor Ort gedreht hatten, und wollten das Material kaufen.

Als Benny eines Abends am Lagerfeuer davon erzählte, saß neben ihm ein Mitarbeiter aus der Marketing­abteilung des Fußballclubs FC Red Bull Salzburg – und ließ sich vom Können der Actionfilmer überzeugen. Auch jetzt gewinnen sie die meisten Kunden nicht über Akquise: „99 Prozent der Aufträge kommen über Empfehlungen.“

Mittlerweile dreht die Mischfabrik Clips für Red Bull, Cube Bikes, Liebherr, Leki, diverse Tourismusverbände und andere. Benny und Simon sind passionierte Bergsportler – egal ob auf Brettern am Boden, mit Seilen an der Wand oder am Segel in der Luft. Benny lacht: „Ich kann sogar mit dem Gleitschirm in meinem Garten landen.“ Das ist scherzhaft dahin­gesagt, tatsächlich aber ein erheblicher Vorteil für eine Firma, deren Schwerpunkt auf Outdoor- und Sportfilmen liegt. „Wir kennen jeden Drehort im Umkreis von 200 Kilometern“, so Benny. Außerdem haben sie Kontakte zu Sportler*innen aus der Gegend – nicht selten gute Bekannte, die bei Aufnahmen einspringen.

Was die Mischfabrik-Jungs aber vor allem auszeichnet, ist der rasante Dreh, den sie Geschichten mit spektakulären Bildern geben.

Da sitzt dann schon mal ein Athlet entspannt in einem Leki-Faltstuhl auf einer mörderisch steilen Felsspitze der Kampen­wand, unter sich ein Wolken­meer – schon beim Zusehen schwindelt es einem. „Ob mit Drohne oder einer anderen Kamera: Wir versuchen, Aufnahmen zu machen, die die Dynamik rüber­bringen“, erklärt Simon. „Dabei kommt es stark auf das Timing und die Idee an, so lapidar das klingen mag. Das Fliegen einer Drohne und sie in der Luft zu halten, ist im Grunde einfach.“

Der 138-Millionen-Klicks-Clip für Red Bull etwa enthält beeindruckende Luft­aufnahmen der Sprünge und Salti des Freerunners Jason Paul – eingebettet in eine spannende Dramaturgie: Die Geschichte nimmt am Check-in-Schalter ihren Anfang und endet nach einem rasanten Lauf durch das Münchner Flughafenterminal mit einem Fünf-Meter- Sprung in den Flieger.

Der 138-Millionen-Klicks-Clip für Red Bull etwa enthält beeindruckende Luft­aufnahmen der Sprünge und Salti des Freerunners Jason Paul – eingebettet in eine spannende Dramaturgie: Die Geschichte nimmt am Check-in-Schalter ihren Anfang und endet nach einem rasanten Lauf durch das Münchner Flughafenterminal mit einem Fünf-Meter-Sprung in den Flieger. Der Clip „Epic Wakeboarding in Salzburg“ wiederum zeigt sechs Minuten lang, wie der Athlet Dominik Hernler auf dem Wakeboard zum Großen Festspielhaus hechtet: über die Salzach, über Treppen, über so ziemlich alles, was ihm in die Quere kommt, bis er smooth auf einem Brunnen landet. Der Aufwand für solche Aufnahmen ist immens: vier bis fünf Monate Planung täglich. Drei Tage Dreh. Ein Monat Schnitt. 300 Sekunden Film kommen am Ende raus, maximal.

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Tage Dreh

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Sekunden Film, maximal.

Natürlich braucht es für Actionbilder passendes Equipment. Ganz zu schweigen von einer zuverlässigen Datenspeicherung. Die Mischfabrik nutzt RAID5-Server, die gegen Festplattenausfall gesichert sind und die Daten wöchentlich auf Magnetbändern speichern, die in feuerfesten Safes aufbewahrt werden. Bei der Kameratechnik legen sie Wert auf Leichtigkeit: Egal ob hochauflösende 8K-Kamera oder 360-Grad-Kamera, jedes Gramm zählt. Ebenfalls wichtig: die Belastbarkeit des Materials. Schließlich muss es im Rucksack auf Berge transportiert werden und Schnee, Wasser und Stöße überstehen.

Freerunner Dominic Di Tommaso

Ein Dreh für Cube Bikes in Are, Schweden

Simon auf Expedition

Simon bei einem Dreh am Matterhorn

Zeitaufwendige Auf- und Abbauten – etwa für Kräne – kommen nicht infrage, „auch weil dies in der oft schwer zugänglichen Natur gar nicht möglich wäre“, so Simon. Geht irgendwas schief, wird es zwar teuer, aber Ausstattung – die der Mischfabrik ist aktuell 100.000 Euro wert – kann nachgekauft werden, den Körper des Kameramanns dagegen gibt es nur einmal. „Wir arbeiten im Prinzip ohne Netz und doppelten Boden, was das Verletzungsrisiko anbelangt“, sagt Benny. „Und wir faken auch nicht, das gehört zur Ehre des Sports.“ Wie lange man solche kräftezehrenden Einsätze körperlich schafft? Simon lacht: „Wir kennen kaum Leute über 40, die noch ernsthaft in der Outdoor-Film-Branche aktiv sind. Kör­perlich wäre das bis zu einem gewissen Zeitpunkt zwar möglich, aber irgend­wann verliert man auch den Zugang zur Zielgruppe.“

Noch sind es ein paar Jahre bis zur magi­schen 40. Außerdem: „Nach so langer Zeit im Geschäft wissen wir auch heute nicht, was nächste Woche ist, also schauen wir mal“, sagt Benjamin grinsend. Morgen geht es erst mal nach Hamburg, dann steht erneut der Freerunner Jason Paul vor Simons Kamera. Vielleicht ein weiterer weltweiter Klickerfolg im Netz.

Die Gründer der Mischfabrik: Benjamin Makatowski (links) und Simon Thußbas (rechts).

MISCHFABRIK-ERPROBT:
DIE BESTEN TIPPS FÜR
ACTION-AUFNAHMEN

01 NIMM MEHR

Bei großen Drehs arbeiten wir mit bis zu fünf Kameras inklusive GoPro, um mög­lichst viele Perspektiven abzudecken. Denn einen Sprung kann man oft nicht zweimal machen, weil es zu gefährlich oder schlicht nicht möglich ist. Manchmal ist tatsächlich das Material der GoPro, die nur on top verwendet wurde, das beste.

02 SEI WETTERFEST

Schönes Wetter ist nicht immer das geeignetste. Oft warten wir gezielt auf Sturm oder Nebel. Das unterstreicht die Dramatik. Und ja: Es ist eines unserer Markenzeichen, dass wir auch in extrem ungemütliches Wetter gehen.

03 ACHTE AUF DIE FLUGVERBOTSZONEN

Vor jedem Drohneneinsatz lohnt ein Blick auf dji.com/de/flysafe/geomap. Dort sieht man, wo man abheben darf und wo nicht. Auch die Website der deutschen Flugsicherung (dfs.de) informiert, wo eine Drohne gestartet werden kann. Grundsätzlich sind bebaute Gebiete rechtlich kritisch und die Umgebung von sicherheitsrelevanten Einrichtungen wie Strom-, Elektrizitäts- und Atomkraftwerken sollte man meiden. Außerdem braucht man von jeder gefilmten Person natürlich eine Zustimmung.

04 ACHTE AUF DIE DETAILS

Ein Tipp für Einsteiger: Auch wenn Drohnen heute sehr gut und damit viele neue Perspektiven möglich sind: Wenn kein ND-Filter (neutral density) benutzt wird, was die Be­lichtungszeit verringert, wirken die Bewegungen sehr abge­hackt. Achte daher darauf, dass du beim Fliegen einen solchen Filter nutzt. Damit vermeidest du außerdem Schatten der Propeller bei Gegenlicht.

05 TÜFTLE UND BASTLE

Um Erschütterungen bei GoPros zu vermeiden, nutzen wir zum Beispiel eine kleine Vibrationsplatte Marke Eigenbau, die Mikrovibrationen entfernt. Wir haben auch einen Rucksack so umgebaut, dass eine Kamera darauf montiert ist. So kommt man ganz nah an den Athleten ran.

06 WÄHLE EINE HOHE AUFLÖSUNG

Bei Drohnen nehmen wir immer in 4K auf: Dann haben wir die Option, etwas reinzuzoomen bzw. zu croppen, wenn wir in Full HD liefern sollen. Insgesamt drehen wir immer in der höchstmöglichen Auflösung. Nur wenn wir Zeitlupe brauchen, machen wir Kompromisse.

Fotos: Colleen Gentemann, Framed GmbH & Co KG/Daniel Bichler (4), Andreas Vigl, Mischfabrik GmbH/Simon Thussbas (2), Red Bull Content Pool/Jaanus Ree (2), Mia Maria Knoll

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