Foto: Fritz Beck, Projektion: Holger Lippmann
Annette Doms und xcircle: Neue Möglichkeiten durch NFTs
Web3 und Metaverse eröffnen Medien vielfältige Möglichkeiten. Auch die Kunst erfindet sich neu und erobert mit digitalen Werken die NFT-Szene. Dr. Annette Doms sieht darin eine Revolution, die die Art und Weise, wie wir das Internet nutzen, auf den Kopf stellen wird. Die Kunsthistorikerin ist Mitgründerin von xcircle, einer virtuellen Kunstausstellung, und klärt als Beraterin über den Einsatz von NFTs sowie die damit verbundenen Risiken auf.
Frau Doms, die Medienbranche zerbricht sich gerade den Kopf über Sinn und Unsinn von NFTs. Wie stehen wir als Gesellschaft der neuen Technologie aktuell gegenüber?
Ich schätze, 80 Prozent wissen nicht, was ein NFT ist. Einige Unternehmen überlegen allerdings schon, wie sie NFTs anwenden können. Ich bin mir sicher, dass das Web3 schnell kommt und das Web2 auf lange Sicht ablöst. Früher oder später werden wir uns alle mit einer Wallet verbinden.
Was braucht es, damit wir an diesen Punkt kommen?
Im Moment ist noch sehr viel Bildungsarbeit notwendig, um die breite Masse zu erreichen. Es gibt auch viele Skeptiker, für die ist es Hype und Spekulation. Aber ich bin überzeugt, wenn man die Mechanismen versteht, erkennt man ein Riesenpotenzial. Wir haben es mit einer Revolution zu tun, dem nächsten technologischen Zyklus: Das Web3 bringt neue Möglichkeiten und verändert die Art und Weise, wie wir das Internet nutzen werden.
xcircle: Eine Galerie für digitale Kunst
Sie haben einen Doktortitel in Kunstgeschichte, jetzt gestalten Sie mit Ihrem Projekt xcircle das Zeitgeschehen aktiv mit. Was hat es mit xcircle auf sich?
xcircle macht digitale Kunst räumlich erfahrbar. Das setzen wir einerseits physisch um, mittels einer klassischen Ausstellung in einer Galerie, bei der wir die Kunst unter anderem auf Monitoren darstellen. Da wir uns jetzt in Richtung Metaverse bewegen, spielen aber auch virtuelle Welten eine immer größere Rolle. Deshalb haben wir mit xcircle das Ziel, die traditionelle Kunstwelt an das Thema NFT heranzuführen. Das machen wir mit einer virtuellen Architektur. Interessierte können die Ausstellung online erkunden und NFTs kaufen.
Mit xcircle wollen wir außerdem eine Community aufbauen, einen Kreis von Gleichgesinnten. Unser Projekt gibt es erst seit Mai 2022, aber wir haben damit eine Nische entdeckt. Das Interesse ist groß, die Resonanz positiv.
»Das Metaverse wird das sein, was wir daraus machen.«
Dr. Annette Doms, Kunsthistorikerin und Expertin für technologiebasierte Kunst / Foto: Fritz Beck, Projektion: Holger Lippmann
Wer gehört zu Ihrer Community?
Erst einmal die Künstler:innen, die wir ausstellen und mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten. Dann sind es klassische NFT-Sammler:innen, die uns über Social Media entdeckt haben. Aber auch traditionelle Kunstsammler:innen, denen wir Hilfestellung anbieten: Wofür ist eine Wallet da, wie richte ich sie ein? Wie sicher ist das, wie laufen die Transfers ab? Die technischen Voraussetzungen sind aktuell die größte Hemmschwelle. Da leisten wir viel Bildungsarbeit.
Annette Doms: NFTs beeinflussen die Medienbranche
Auch Medien erproben gerade die Technologie. Wie können Medienhäuser NFTs für sich nutzen?
Im Medienbereich lässt sich im Grunde alles als NFT verkaufen. Zum Beispiel die Cover eines Magazins. Das spricht eine neue, technologieaffine Zielgruppe an, gleichzeitig gibt es Objekte zum Sammeln. Zudem bekommen die Medienhäuser bei jedem Weiterverkauf eines Collectibles zum Beispiel zehn Prozent des Verkaufserlöses. Das lässt sich im Smart Contract festlegen. Durch die Blockchain lassen sich auch Quellennachweise, besonders für Pressebilder, sehr gut darstellen.
Wohin entwickelt sich die Medienbranche durch Blockchain oder Web3?
Die Medienbranche wird sich dank der neuen Möglichkeiten des Wissenstransfers ein größeres Netzwerk aufbauen. Auch Leser:innen können aktiv daran teilnehmen. Es lassen sich zum Beispiel Archive erstellen, an denen eine Community mitschreiben kann. Das Wissen ist dann sehr transparent. Durch die Blockchain lässt sich das viel effizienter gestalten als beispielsweise bei Wikipedia. Es entstehen neue Bezahlmodelle: Medien können ihren Content durch eine Wallet zur Verfügung stellen, also bestimmte Artikel erst durch eine Wallet-Verbindung freigeben. Das kann eine sichere Alternative zur aktuellen Paywall sein.
Sie kommentierten zum Münchner NFT-Mai 2022: „München kann federführend im NFT-Bereich wirken.“ Warum glauben Sie das?
Grundsätzlich existiert in ganz Deutschland eine unglaublich große Community, man kennt und trifft sich auf Events wie dem NFT-Mai. Hier in München gibt es viele Kräfte, die Ideen auch in die Tat umsetzen. Das Künstlerkollektiv Pepe Arts hat für seine Shows Eintrittskarten als NFTs verkauft. Es gibt Digital-Fashion-Projekte für Mode im Metaverse. Oder die MetaBrew-Society, die Bier als NFTs verkauft und eine Brauerei in Bayreuth hat. Das Bier verschifft sie bis nach Südkorea und Dubai.
Die Ausstellung xcircle macht digitale Kunst räumlich erfahrbar, wie hier die „Vortex“-Reihe von Betty Mü. Foto: xcircle/Betty Mü
Royalties und Smart Contracts: Vorteile der Blockchain
Skeptiker kritisieren den hohen Stromverbrauch und meinen, die Blockchain sei überflüssig. Was ist der entscheidende Vorteil der Technologie?
Es ist die Blockchain selbst. Sie ist ein dezentrales Datensystem. Handeln ist via Blockchain effektiver möglich. Jeder Transfer wird dokumentiert. Das ist interessant für Lieferketten, die Dokumentation oder auch die Beurkundung von physischen Objekten und von Identitäten. Blockchain-basierte Projekte lassen sich mit weiteren Anwendungen verknüpfen.
Man kann die Blockchain fürs Ticketing verwenden oder ein Belohnungssystem entwickeln. Mit einem NFT der vorhin genannten Münchner MetaBrew bekommt man zum Beispiel nicht nur Bier, sondern auch das Recht, bei neuen Produkten mitzuentscheiden und an Events teilzunehmen. Die Brauerei auf der anderen Seite baut sich damit eine markentreue Kundschaft auf.
Im Netz müssen wir durch Werbefinanzierung vieles nicht extra bezahlen. Kunst- und Medienschaffende verdienen kaum daran. Können Web3 und Blockchain hier etwas ändern?
Die sogenannten Royalties beispielsweise sind ein Game-Changer für die ganze Industrie. Der große Vorteil der Blockchain ist der Smart Contract bei der Monetarisierung. Darin lässt sich alles Mögliche festschreiben, zum Beispiel Lizenzen, Patente oder die Royalties: also eine Tantieme von zehn Prozent oder mehr, die bei jedem weiteren Verkauf im Zweitmarkt direkt in die Wallet der Künstler:innen fließt. Noch mehr profitieren Kunstschaffende vom dezentralen Charakter: Durch das Peer-to-Peer-Netzwerk neuer Distributionskanäle wie artblocks, SuperRare oder NiftyGateway haben sie die Möglichkeit, direkt mit Käufer:innen in Kontakt zu treten und sich selbst zu vermarkten. Damit sind sie weniger angewiesen auf Kanäle wie Spotify und andere große Plattformen.
Geraten wir nicht in Gefahr, uns in der virtuellen Realität zu verlieren?
Trotz der virtuellen Realität wird immer die Verknüpfung zur analogen Welt bleiben. Unser Leben wird phygital. Dass man sich aber tatsächlich auch darin verlieren kann, zeigt sich beispielsweise, wenn man länger VR-Tischtennis spielt. Dann versucht man nach einer Weile, sich auf der Tischplatte abzustützen, und fällt hin. Das Erlebnis kann auch abhängig machen. Fear Of Missing Out ist ebenfalls ein Thema: Dann kaufen Leute Produkte, die sie gar nicht brauchen. Aber wer nach einem langen Arbeitstag die VR-Brille aufsetzt und am Strand von Hawaii chillt, kann das auch genießen. Das Metaverse wird das sein, was wir daraus machen.
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