
Tim Finnamore, Managing und Executive Creative Director, und Benjamin Kerneck, Managing Director Operations & New Business von BDA Creative. / Foto: Frank Zauritz
Tim Finnamore, Managing und Executive Creative Director, und Benjamin Kerneck, Managing Director Operations & New Business von BDA Creative. / Foto: Frank Zauritz
ARD, ZDF, Prime Video oder RTL+: BDA Creative arbeitet mit Deutschlands größten TV-Sendern und Streamingplattformen. Die Münchner Werbeagentur hat sich auf die Entwicklung von Brandings und crossmedialen Kampagnen spezialisiert – vom strategischen Ansatz bis zur Auslieferung. Im Interview sprechen Tim Finnamore, Managing und Executive Creative Director, und Benjamin Kerneck, Managing Director Operations & New Business, über die Entertainment-Branche, neue Technologien und das außergewöhnliche Branding des „Blauer Panther – TV & Streaming Award”.
Tim, Ben, ihr kreiert Kampagnen und Brandings für Deutschlands größte TV- und Streaming-Produktionen. Wie habt ihr den Markt erobert?
Ben: Wir lieben, was wir tun, und das merken die Kunden. Manche Kunden begleiten uns schon von Anfang an. Ein Beispiel dafür ist Prime Video, damals noch Lovefilm. Mit ihnen sind wir von 12 auf 47 Mitarbeiter:innen gewachsen. Wir haben viele der ersten deutschen Prime Originals mitgelauncht und so entwickelt sich natürlich eine Partnerschaft. Ein anderes Beispiel ist Disney. 2014 wollte der deutsche Disney Channel ein neues Branding. Die Amerikaner haben davon Wind bekommen und dann ist daraus ein globales Rebranding geworden und jedes Land der Welt hatte unser neues Design. Das ist natürlich ein Boost. Solange man auf dieser Welle ist – ich sage nicht, dass die nicht irgendwann bricht – kommen Menschen auf einen zu und sagen: Ihr macht schöne Sachen, wollt ihr es nicht auch mal mit uns versuchen? Es gibt außerdem nicht viele Wettbewerber in diesem eher spezialisierten Markt, die diesen Teilbereich der Werbung bearbeiten.
Euer Fokus liegt auf Entertainment-Brands. Was fasziniert euch an der Unterhaltungsbranche?
Tim Finnamore: Entertainment ist ein riesiger und abwechslungsreicher Bereich, der nie langweilig wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass er sich verändert: Kultur verändert sich ständig, Unterhaltung verändert sich ständig. Es ist zudem ein sehr breites Feld: News, Sport, Unterhaltungssendungen, Reality-Shows.
Ben Kerneck: Wir tauchen jeden Tag aufs Neue in die Popkultur ein und gucken Serien, Filme und Shows, bevor sie alle anderen sehen. Außerdem sind wir extrem sichtbar. Es macht Spaß, wenn man unsere Sachen draußen an der Bushaltestelle sieht, im Fernsehen, Kino oder auf Social Media. Und die Branche befindet sich im konstanten Wandel: Es fing mit linearem Fernsehen und On-Air-Promotion an und jetzt ist es zu einer riesigen Entertainment-Bubble geworden – inklusive Bereichen wie Games.
Tim: Die Technologie bringt uns immer wieder dazu, unsere Arbeit zu verändern. Das macht es interessant.
»Streaming ist eine große Veränderung. Es geht um die Vermarktung einer Show, einer Serie oder eines Live-Ereignisses und nicht so sehr um den Host.«
Benjamin Kerneck
Foto: Frank Zauritz
Worin lag für euch die größte Veränderung in den letzten Jahren?
Tim: Wir konzentrieren uns mehr auf einzelne Inhalte, wie zum Beispiel Shows, als auf große Absender-Rebrands. Wir haben lange ausschließlich auf Senderebene gearbeitet und jetzt macht es großen Spaß, mit den Streamingdiensten und Medienmarken auf Programmebene zu arbeiten.
Ben: Streaming im Allgemeinen ist eine große Veränderung. Dir gehört vielleicht ein Inhalt, aber du bist nicht der einzige Anbieter, der ihn ausstrahlt. Es gibt viele verschiedene Kanäle und Plattformen, der Markt ist sehr fragmentiert. Es geht also eher um die Vermarktung einer Show, einer Serie oder eines Live-Ereignisses und nicht so sehr um den Host.
2021 hat BDA Creative das Rebranding von ZDF heute mitgelauncht. Was macht für euch ein perfektes Branding aus?
Tim: Die besten Marken haben eine klare strategische Vision, auf die sie sich stützen können. Je stärker der strategische Gedanke ist, desto besser wird das Design. Wir fangen also mit der Strategie an und beginnen dann mit dem Design, das wir in alle Anwendungsbereiche, wie Off- und Online oder On Air, ableiten. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bereits ein starkes strategisches Konzept: Sie stehen für unparteiischen Qualitätsjournalismus. Unsere Aufgabe bei ZDF heute war es, diesen Qualitätsjournalismus so klar und schnell wie möglich zu vermitteln. Hier war es also genau andersrum: Es gab bereits eine Strategie und wir konnten mit den Anwendungen starten und haben so die neue Marke geformt. Wir mussten außerdem bedenken, dass die Marke in den Köpfen des Publikums bereits existiert und über Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurde. Wir haben darauf geachtet, die vorhandenen visuellen Eckpunkte zu respektieren und darauf aufzubauen. Es wäre nicht gut gewesen, das gesamte Heritage der Marke wegzuwerfen.
»Je stärker der strategische Gedanke ist, desto besser wird das Design.«
Tim Finnamore
Foto: Frank Zauritz
In eurer letzten Kampagne drehte sich alles um die FIFA Frauen-WM in der ARD. Wie kann man sich den Entstehungsprozess bei einem Projekt dieser Größe vorstellen? Welche Stationen durchläuft eine Kampagne bei euch?
Ben: Es gibt zwei Abteilungen in unserem Unternehmen: Die eine ist zuständig für Branding, die andere für Kampagnen. Beide folgen fast den gleichen Regeln: Man beginnt mit einem Pitch, den man hoffentlich gewinnt – in diesem Fall haben wir mit unserem strategischen Gedanken „Diese WM steht Kopf” gewonnen –, man baut ein paar Look Frames drum herum, und dann sagt der Kunde „Ja” oder „Nein”. Wenn er „Ja” sagt, fängt man an, weiter zu entwickeln und alle Assets zu erstellen. Man braucht einen Trailer, Social Media Layouts, Keyarts. Dann geht es zum Dreh und Fotos werden gemacht. Anschließend fangen wir mit der Postproduktion an und bringen alles zusammen: strategische Überlegungen, Motion Design, Schnitt, Audio. Das ist aber kein Zwei-Jahres-Job, wie das ZDF heute Rebrand, sondern eher ein Drei-Monats-Job.
Welche Schritte könnt ihr inhouse abdecken und wann holt ihr Unterstützung von außen?
Tim: So gut wie alle Schritte. Wir haben zwar eine hauseigene Filmabteilung und die nötige Technik, so dass wir einfache Drehs im Haus machen können. Aber um das beste Produkt zu erhalten, muss man gelegentlich außerhalb suchen. Wir haben teilweise maßgeschneiderte Schriftarten für unsere Kunden, wie zuletzt für den SWR Rebrand. In so einem Fall wenden wir uns an eine:n Expert:in. Wenn man das Beste abliefern will, muss man auch das Beste reinholen.
Ben: Eigentlich sind wir ein One-Stop-Shop. Wir haben viele Expert:innen im Haus für Sachen, die immer wieder kommen: Designer:innen, Texter:innen, Produktioner:innen, Editor:innen, aber auch Projektmanager:innen, Kundenberater:innen und Ton. Aber es gibt Sachen, die kommen nicht oft. Da holen wir uns Unterstützung, das ist einfach effizienter.
Kommen bei euch KI-Technologien zum Einsatz?
Tim: Ja, KI ist in letzter Zeit zu einem wirklich nützlichen Werkzeug für uns geworden, das wir nutzen können, um unsere Ideen zu verkaufen. Wir können damit schnell und auf einem hohen Niveau visualisieren, um zum Beispiel ein Konzept für unsere Kunden zu illustrieren. Kürzlich haben wir KI auch bei einem Auftrag eingesetzt: Wir haben Menschenmengen benötigt und nach einer Möglichkeit gesucht, wie wir das mit dem Budget umsetzen können. Wir konnten Massenszenen mithilfe von KI erstellen, ohne Probleme mit Bildfreigaben zu bekommen.
Freund oder Feind: Wie steht die kreative Branche zu den neuen Tools?
Ben: Wir sehen KI als Freund, wie jede neue Technik. Aber es sind immer noch Tools, richtig? Sie übernehmen nicht die Kreativität. Es braucht ein richtig gutes Briefing und eine kreative Kontrollinstanz, um ein Ergebnis zu erzielen. Aber dir bleibt letztendlich mehr Zeit, um zu kreieren und zu erforschen.
Tim: Ich denke, das Briefing ist der Schlüssel. Du musst dir Zeit für ein gutes Briefing nehmen, sonst leidet das Ergebnis. Aber man sollte sie annehmen und Spaß daran haben.
Gegründet wurde BDA Creative 1999 in London, 2004 kam die Agentur nach München und seit 2014 ist München das alleinige Headquarter. Ist München ein Entertainment-Hotspot?
Ben: München ist definitiv ein Hub für internationale Medienunternehmen. Wir haben den BR, für den wir das Sender-Branding gemacht haben, wir sind Partneragentur der ARD Design, Image & Brand Experience Abteilung, wir arbeiten mit Prime Video, die hier einen internationalen Hub haben, wir arbeiten mit The Walt Disney Company, die hier einen internationalen Hub haben, mit RTL II haben wir dieses und letztes Jahr Projekte gestemmt, ProSieben ist hier, DAZN ist hier, Sky ist hier. Wenn man von der Filmindustrie ausgeht, kann Berlin noch mithalten, aber in München hast du den Fernseh-, Streaming- und Entertainmentmarkt. Und jetzt geht es im Bereich Games weiter: Activision ist hier, Google kommt mit einem weiteren Standort, Microsoft ist hier, Apple will ausbauen. Hier laufen sehr viele Projekte.
2022 verwandelte sich der Bayerische Fernsehpreis in den „Blauer Panther – TV & Streaming Award”. BDA Creative hat das Branding für die Neuauflage übernommen. Was war das Besondere an diesem Projekt?
Tim: Das war ein Herzensprojekt. Der Award hatte keine Marke, aber er hatte ein Tier. Unser Ansatz war es, den Panther zum Star der Show zu machen. Das Logo hat diesen ikonischen, stolzen Look bekommen, weil wir mit einem Panther arbeiten konnten. Das ist eines der coolsten Tiere.
Ben: Wir hatten einen mehrstufigen Ansatz. Letztes Jahr haben wir uns mit der Erstellung des Logos beschäftigt und mit dem Kunden eine Corporate Identity erarbeitet. Dieses Jahr hat sich die Frage gestellt: Wie können wir den Panther lebendig werden lassen und in die Show integrieren?
Also können sich die Zuschauer:innen auch bei der diesjährigen Preisverleihung auf eure Designs freuen?
Tim: Ja, die Marke ist gewachsen. Sie ist lebendiger geworden. Das Logo wurde schon mit dem Gedanken der Bewegung entworfen und es war großartig, die Bestie dieses Jahr freizulassen.
Ben: Wir haben Social Assets geschaffen, auf denen sich der Panther bewegt, und Intros und Outros für Videos erstellt. Er wird auch im von uns gestalteten On-Air-Design vorkommen, wenn der Award auf 3sat ausgestrahlt wird. Und der Panther wird in diesem Jahr auch Teil der Show sein. Es ist ein Step-by-Step-Ansatz. Was als nächstes kommen wird, können und wollen wir an dieser Stelle noch nicht verraten.
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