Foto: Erik Mosoni
Content-Strategin Katja Hertin: Ein Gespür für Geschichten
Katja Hertin hat im Juli bei der Münchner Kommunikationsagentur „In A Nutshell“ die Position des Senior Content Strategist übernommen. Die Mission der erfahrenen Journalistin und Content-Marketing-Expertin: Geschichten zu entwickeln, die verschiedene Zielgruppen wirklich bewegen. Im Interview gibt sie Einblicke in ihre vielschichtige Karriere, teilt die Geheimnisse fesselnder Storys und bewertet den Einsatz von KI bei der Planung und Umsetzung effektiver Kommunikation.
Katja, im Juli hast du deine neue Position als Senior Content Strategist bei „In A Nutshell“ angetreten. Wie war dein Einstand?
Katja Hertin: Ich hatte das Glück, bereits im Juni am Sommerfest der Agentur teilnehmen zu dürfen. So konnte ich das Team in einer privaten und entspannten Atmosphäre kennenlernen. Wir verbrachten ein Wochenende in einer Hütte nahe der Zugspitze, grillten, plauderten und genossen die gemeinsame Zeit. Außerdem bin ich mit den beiden Geschäftsführer:innen Jonna Gaertner und Timm Rotter auf die Upsspitze gestiegen. Bei immerhin 1.300 Höhenmetern hatten wir Gelegenheit, uns außerhalb der Komfortzone Büro zu erleben. Für mich als Outdoor-Fan war das ein sehr schönes und einmaliges Onboarding. Seit meinem offiziellen Start im Juli wurde ich dann mit verschiedenen Projekten vertraut gemacht und umfassend eingearbeitet. Mir gefallen besonders der offene Austausch im Team und die Bereitschaft, voneinander zu lernen.
Marketing: Unternehmen sind bereit, in hochwertigen Content zu investieren
Du hast den ersten Teil deiner Karriere im Journalismus verbracht, unter anderem bei „Freundin“ und „Focus Online“. Seit 2019 arbeitest du im Bereich Markenkommunikation, zunächst bei „Avantgarde“ und jetzt bei „In A Nutshell“. Was hat dich dazu bewegt, die Seiten zu wechseln?
Hertin: Der rote Faden in meinem Leben ist die Leidenschaft für das Geschichtenerzählen. Schon als Kind habe ich eigene Geschichten geschrieben, später Germanistik studiert und ein Volontariat beim „Tagesspiegel“ absolviert. Nach verschiedenen Stationen, etwa als stellvertretende Chefredakteurin bei „Freundin“ und Mitgründerin und Chefredakteurin von „Donna“, wechselte ich aufgrund des steigenden Interesses an digitalen Medien vom Print- zum Online-Journalismus. Als stellvertretende Chefredakteurin bei „Focus Online“ durfte ich die Spielregeln von Journalismus im Internet kennenlernen. Das war spannend. Doch dass die meisten Menschen nicht für Online-Inhalte bezahlen wollen, macht es schwer, erfolgreiche Geschäftsmodelle zu etablieren. In der Agenturwelt sind die finanziellen Bedingungen für kreative Arbeit besser, da Unternehmen heute oft eher als Medienmarken bereit sind, in hochwertigen Content zu investieren. So können Geschichten aufwendiger recherchiert und erzählt werden.
Was waren für dich die größten Umstellungen beim Wechsel vom Journalismus in die PR?
Hertin: In der Redaktion einer Zeitschrift oder eines Online-Magazins arbeitet man an einem gemeinsamen Produkt. In einer Agentur hingegen ist die Arbeit stark projektgetrieben in immer wieder neu zusammengesetzten Teams, was ein anderes Mindset erfordert, denn jedes Projekt ist individuell. Zudem beginnt das Corporate-Storytelling immer mit einer Analyse der Kommunikationsziele des Auftraggebers. Viele Beteiligte aus den jeweiligen Unternehmen bringen ihre Wünsche für den Content ein, was den Entstehungsprozess herausfordernder macht.
»Pauschale Botschaften catchen die Menschen kaum noch. Die Gesellschaft ist in viele verschiedene Communitys zersplittert. Unternehmen sollten wissen, welche dieser Gruppen für sie relevant sind, und gezielt Beziehungen zu ihnen aufbauen.«
Katja Hertin
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Welche Akzente möchtest du in deiner neuen Position setzen?
Hertin: Es gibt da draußen jede Menge B2B-Unternehmen, die gar nicht wissen, wie viele gute Geschichten sie haben und wie sie diese spannend erzählen können. Das gilt gerade für Branchen, die nicht so sexy klingen – ich denke an Banken, Versicherungen, Health Tech oder das produzierende Gewerbe. Gemeinsam mit „In A Nutshell“ möchte ich Unternehmen unterstützen, ihre Storys zu entdecken und lebendig zu erzählen. Dabei bringe ich meine journalistische Perspektive ein, indem ich den Blickwinkel auf die Endkonsument:innen und Stakeholder:innen richte.
Was macht gutes Storytelling im Jahr 2024 aus?
Hertin: Pauschale Botschaften catchen die Menschen kaum noch. Die Gesellschaft ist in viele verschiedene Communitys zersplittert. Unternehmen sollten wissen, welche dieser Gruppen für sie relevant sind, und gezielt Beziehungen zu ihnen aufbauen. Dazu gehört, Geschichten zu erzählen, die den Interessen und Lebenswelten dieser Communitys entsprechen. Darüber hinaus wünschen sich Menschen aktuell nahbare, persönliche Inhalte, die echte Verbindungen schaffen.
Persönliche und glaubwürdige Inhalte schaffen Verbindung
Erklärt das den Erfolg von Podcasts? Die Stimme ist ja etwas sehr Persönliches.
Hertin: Sicherlich. Eine Stimme vermittelt ein viel intimeres Gefühl als geschriebene Texte. Sie gibt einen unmittelbaren Eindruck von dem oder der Sprechenden und erzeugt eine starke Verbindung. Auch die Beliebtheit von Influencer:innen lässt sich mit dem Bedarf nach persönlichen, glaubwürdigen Inhalten erklären. Wir denken in der Agentur aber nicht vom Kanal her – es ist zunächst immer eine Frage von Ziel, Zielgruppen und Ressourcen, wie ein sinnvoller Medienmix aussieht. Und der ist immer individuell: LinkedIn kann zum Beispiel die richtige Plattform für die Pflege der Unternehmensmarke sein. Wir haben aber auch Kunden, wo wir ganz bewusst auf andere Medien setzen – TikTok etwa für das Recruiting jüngerer Zielgruppen oder Newsletter für den Aufbau von Meinungsführerschaft in Spezialgebieten.
Können Städte gute Ideengeber für Corporate Stories sein? Flanierst du durch die Straßen von München, um Inspirationen zu erhalten?
Hertin: Städte sind wahre Schatzkammern für Ideen. Sie bieten eine Fülle an Eindrücken – von Plakaten über außergewöhnliche Menschen bis hin zu Demonstrationen. Bei der Fußball-Europameisterschaft habe ich auf der Leopoldstraße erlebt, wie Menschen aus verschiedenen Kulturen und sozialen Gruppen zusammen gefeiert haben. Ich bin dort mehrfach mit Fans ins Gespräch gekommen. Solche Begegnungen helfen mir, über den Tellerrand zu blicken und neue Perspektiven zu gewinnen.
Wie profitiert eure Agentur generell vom Standort München?
Hertin: München ist ein technologieaffiner Standort, was uns als Agentur sehr zugutekommt. Besonders das Thema KI, das für uns ein zentraler Baustein ist, findet hier bei vielen Unternehmen und in der Wissenschaft großen Anklang. Die Potenziale von KI und der rege Austausch darüber sorgen dafür, dass sich die Akteure gegenseitig antreiben.
Könntest du die Bedeutung von KI bei „In A Nutshell“ etwas näher erläutern?
Hertin: Generative KI war hier schon lange vor ChatGPT ein Thema – daher konnte die Agentur sehr schnell beginnen, in diesem Bereich Workshops und Trainings zu geben, als der Hype Anfang 2023 begann. Daraus ist unsere Tochterfirma „disruptive” entstanden, eine KI-Beratung, die sich auf Training und Ausbildung sowie KI-Strategien für Unternehmen spezialisiert hat. Die Kolleg:innen haben schon mehr als 40 Firmen geschult. Von dem Wissen profitiert „In A Nutshell“ stark, weil wir selbst auch sehr viel mit KI arbeiten und Schulungen bekommen. Außerdem tauscht unser Team in „Buddygruppen“ Tipps zu KI-Tools und Prompting aus. So fällt es uns leicht, wertvolles Know-how aufzubauen. Auf praktischer Ebene macht uns KI in vielen Bereichen die Arbeit einfacher: Sie hilft uns bei der Ideenfindung, transkribiert Reden und erstellt Bilder sowie Tutorial-Videos. Trotz all dieser tollen Möglichkeiten sollten wir aber nie vergessen, dass KI letztlich nur ein Sparringspartner ist. Am Ende ist es unerlässlich, dass ein Mensch die Ergebnisse prüft und weiterentwickelt, um wirklich einzigartige und hochwertige Resultate zu erzielen.
„Es reicht nicht mehr aus, Werte und Visionen zu verkünden. Unternehmen sollten stattdessen ins Handeln kommen und offenlegen, was sie tun – selbst, wenn es nur kleine Schritte sind und Rückschläge auftreten. Das zeigt nicht nur, dass sie sich ehrlich mit dem Thema auseinandersetzen, sondern schafft auch Vertrauen.“
Katja Hertin
Was ist für dich entscheidend bei der optimalen Nutzung von KI?
Hertin: Vor allem das Prompting. KI nutzt vorhandene Inhalte aus dem Internet, was bei zu simplen Prompts zu erwartbarem, oberflächlichem Output führen kann. Das sieht man zum Beispiel an den vielen ähnlichen LinkedIn-Posts, in denen User:innen ihre Top-Learnings oder Karriere-Ratschläge immer nach demselben Aufbau und Stil präsentieren. Promptet man mit differenzierteren Anweisungen, kann die KI wirklich originelle und abwechslungsreiche Ideen und Inhalte liefern. Damit ist übrigens nicht gemeint, einfach einen Befehl wie „sei möglichst kreativ“ einzugeben, denn das allein führt häufig zu wenig zielführenden Ergebnissen. In unserer Agentur sammeln wir bewährte Prompts für verschiedene Use Cases und stellen sie allen Kolleg:innen zur Verfügung. So sparen wir Zeit und steigern die Qualität der Resultate.
Ein weiteres bedeutendes Thema unserer Zeit ist Nachhaltigkeit. Wie betreiben Unternehmen hier effektives Storytelling?
Hertin: Es reicht nicht mehr aus, Werte und Visionen zu verkünden. Unternehmen sollten stattdessen ins Handeln kommen und offenlegen, was sie tun – selbst, wenn es nur kleine Schritte sind und Rückschläge auftreten. Das zeigt nicht nur, dass sie sich ehrlich mit dem Thema auseinandersetzen, sondern schafft auch Vertrauen. Greenwashing verzeiht dagegen niemand mehr.
Zum Abschluss würde mich interessieren: Gibt es diese eine Geschichte, egal ob von einem Menschen oder einem Medium erzählt, die am meisten Eindruck bei dir hinterlassen hat?
Hertin: Ich durfte vor etlichen Jahren Natascha Kampusch interviewen, die als Kind entführt und achteinhalb Jahre in einem Kellerverlies gefangen gehalten wurde. Es war überwältigend, mit ihr zu sprechen und zu sehen, wie diese traumatischen Erlebnisse sie geprägt haben. Das ging mir sehr unter die Haut. Auch wenn es schon eine Weile her ist, bleibt diese Begegnung für mich unvergessen.
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