
Foto: StMD
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Wo steht das bayerische XR-Ökosystem im internationalen Vergleich? Und was unternimmt der Freistaat, um XR-Entwicklung und
-Verbreitung hierzulande zu fördern? Antworten gibt Bayerns Digitalminister Dr. Fabian Mehring, der XR als einen der zentralen Treiber für Innovation und Wachstum sieht, im Interview.
Dr. Mehring, alle reden gerade über künstliche Intelligenz. Wir sprechen heute aber über Extended Reality (XR). Wieso hat XR ebenfalls die Aufmerksamkeit des bayerischen Digitalministers verdient?
Fabian Mehring: Nur weil es bei KI große Fortschritte gibt, verliert XR nicht an Relevanz. Im Gegenteil: Im Zusammenwirken beider Zukunftstechnologien liegt der Sound der Zukunft! So macht es generative KI beispielsweise einfacher, Inhalte für XR zu erzeugen. Umgekehrt ermöglichen XR-Headsets mit ihrer Sensorik in Zukunft persönliche KI-Assistenten, die uns im Alltag begleiten und unterstützen.
Beide Technologien haben also immenses Potenzial, unser Leben spürbar zu verbessern – und eröffnen zugleich riesige wirtschaftliche Chancen für uns. In meinem Ministerium beschäftigen wir uns deshalb intensiv mit Extended Reality, denn wir wissen: XR und KI müssen zusammengedacht werden und sind zentrale Treiber für Innovationen und künftiges Wachstum in Bayern.
Von der Industrie über die Wissenschaft bis zur Kultur: XR-Technologien kommen inzwischen in fast allen Bereichen zum Einsatz. Wo sehen Sie in Bayern das größte Potenzial für den Einsatz von XR?
Fabian Mehring: Unser Bayern ist ein weltweit führender Hightech-Wirtschaftsstandort, weswegen der Einsatz von XR in unseren Unternehmen ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist. Dort sehe ich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für Extended Reality. Ich denke dabei unter anderem an das Industrial Metaverse, an Ausbildung und Weiterbildung sowie an Digital Twins und Remote Work. Bayerische Unternehmen wie Siemens sind hierbei bereits globale Vorreiter, und XR ist eine Schlüsseltechnologie für die weitere digitale Transformation unserer Wirtschaft. Aber auch an den bayerischen Schulen kommt XR bereits erfolgreich zum Einsatz. Zum Beispiel in unseren XRXplorer Schools, die mit XR-Technologien modernen Unterricht neu gestalten.
Gibt es auch woanders XR-Anwendungen, etwa im Sport- oder Kulturbereich?
Fabian Mehring: Ja, in den Bereichen Medizin, Sport und Wellbeing ist Extended Reality bereits erfolgreich im Einsatz, etwa an der TU München sowie an der Universität Würzburg. Und die Kulturschaffenden in Bayern beschäftigen sich ebenfalls intensiv mit dem Thema, beispielsweise an den Staatstheatern Augsburg und Nürnberg sowie am Residenztheater München. Hinzu kommen Aktivitäten der freien Szene und an verschiedenen Hochschulen. Zusammenfassend könnte man sagen: Es gibt inzwischen kaum einen Lebensbereich in Bayern, in dem XR noch nicht angekommen wäre. Und das ist ja erst der Anfang!
„Es handelt sich hier um einen Milliardenmarkt, der gerade den bayerischen Start-ups große Chancen eröffnet.“
Wie steht es um die Entwicklung von XR-Anwendungen und -Hardware: Kann und soll Bayern hier eine Rolle spielen?
Fabian Mehring: Selbstverständlich – denn es handelt sich hier um einen Milliardenmarkt, der gerade den bayerischen Startups große Chancen eröffnet. Mit innovativen Lösungen für die Industrie können sie schnell Erfolge erzielen, zumal die potenziellen Anwender in großer Zahl direkt vor Ort im Freistaat vertreten sind.
Außerdem ergeben sich interessante Synergieeffekte mit der starken bayerischen Gaming-Branche: Spiele werden durch XR noch intensiver erlebbar und im Bereich der „Serious Games“ – also Anwendungen in den Bereichen Bildung und Training – sehe ich viele bahnbrechende Möglichkeiten. Ob es irgendwann eine VR-Brille „Made in Bavaria“ geben wird, lasse ich mal dahingestellt. XR-Anwendungen für die ganze Welt werden wir aber zuhauf entwickeln. Das ist sicher.
Wo steht Bayern im internationalen Vergleich? Welche Stärken hat das bayerische Ökosystem, und von wem könnten wir noch etwas lernen?
Fabian Mehring: Bayern glänzt international mit einer einzigartigen Mischung aus einer starken XR-Forschungslandschaft, großen Industriekonzernen sowie einer florierenden Startup-Szene. Außerdem bringen unsere Hochschulen jedes Jahr viele Top-Talente hervor, die künftige Anwendungen entwickeln und auf den Markt bringen werden. Wie attraktiv wir mittlerweile als Standort sind, zeigt die Tatsache, dass alle großen Tech-Unternehmen wie Google, Apple und Meta hier in Bayern ansässig sind und von hier aus die Zukunft von XR gestalten.
Aber natürlich wollen wir noch besser werden. Ich denke hier zum Beispiel an die vielen Regulierungen, mit denen Unternehmen bei uns leider immer noch konfrontiert sind. Und ich denke daran, dass wir neuen Technologien oft skeptisch – zu skeptisch – gegenüberstehen. Wir müssen also an den gesetzlichen Rahmenbedingungen und unserem Mindset arbeiten, um noch erfolgreicher zu werden.
Was tut die Staatsregierung, um den XR-Standort Bayern voranzubringen?
Fabian Mehring: Wir haben mit dem XR HUB Bavaria an den drei Standorten München, Nürnberg und Würzburg eine Struktur geschaffen, die den Wissenstransfer stärkt, alle relevanten Akteure vernetzt sowie neue Projekte anregt. Zudem machen wir in der Öffentlichkeit die faszinierenden Möglichkeiten sichtbar, die durch XR entstehen – etwa im Juli auf der Summer EXPO des XR HUB Würzburg oder dem XR Day in Nürnberg.
In Würzburg gibt es übrigens auch ein wunderbares Beispiel für den konkreten Nutzen von XR: Die Staatliche Feuerwehrschule betreibt dort eine virtuelle Trainingsanlage zur Bekämpfung von Bränden im Innenbereich. Feuerwehrleute können darin Übungsszenarien mit einer Virtual-Reality-Brille realitätsnah und gefahrlos durchspielen. Gerade solche Beispiele werden XR einen großen Schub geben.
Foto: Adobe Stock/kentoh
Auf welche anderen bayerischen Erfolgsgeschichten sind Sie besonders stolz?
Fabian Mehring: Wir sind ein Land voller XR-Erfolgsgeschichten! Wie schon erwähnt: Siemens ist im Bereich Industrial Metaverse führend. Und was viele nicht wissen: In der Apple Vision Pro steckt auch bayerisches Know-how – denn Apple hat 2015 das Münchner Startup Metaio gekauft, einen Spezialisten für Augmented Reality. Im Bereich der Startups fällt mir spontan Hololight ein. Das Unternehmen entwickelt Softwarelösungen für Augmented und Virtual Reality, die immersive, interaktive Anwendungen in Industrieunternehmen ermöglichen. Hololight wurde zwar in Österreich gegründet – aber von zwei Studenten der TU München und unsere Bayern Kapital hat in das Startup investiert. Weitere Beispiele von jungen Unternehmen sind Aves Reality (Erzeugung interaktiver, virtueller Welten von jedem Ort der Erde) und Lumium (Begleitung von Transformationsprozessen mit Virtual-Reality-Trainings).
Mit Blick auf den Kulturbereich habe ich jüngst die Virtual Reality-Anwendung „Erwartung“ auf Basis einer Oper von Arnold Schönberg und die Virtual Reality-Produktion von E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ selbst gesehen – beide realisiert vom Staatstheater Augsburg und absolut faszinierend. Diese Aufzählung könnte ich lange fortsetzen. Darum sage ich: Ich bin stolz auf alle Pixelpioniere im Freistaat, die sich in Forschung, Entwicklung, Bildung und Wirtschaft für unseren starken XR-Standort Bayern einsetzen.
Haben schon genug Unternehmen, Hochschulen, Startups und Kreative das Potenzial von XR sowie die Unterstützung durch den Freistaat auf dem Schirm? Oder muss noch mehr Begeisterung geweckt werden?
Fabian Mehring: Die gerade genannten Beispiele zeigen, dass wir schon viel erreicht haben. Insbesondere mit dem XR HUB Bavaria konnten wir viel Begeisterung wecken – und werden das auch weiterhin tun. An den Schulen nimmt das Thema ebenfalls immer mehr Fahrt auf. Dort bilden wir ja faktisch die XR-Entwickler und -Anwender von morgen aus. Aber natürlich gibt es weiterhin viel zu tun. Gerade im Bereich der KMUs sind noch nicht alle Potenziale erkannt und ausgeschöpft. Hier setze ich deshalb auch einen Schwerpunkt meiner künftigen Arbeit als Digitalminister.
Wenn wir fünf Jahre in die Zukunft blicken: Welche Rolle werden XR-Technologien dann in Ihrem Alltag spielen – beruflich und privat?
Fabian Mehring: XR wird mir dann helfen, effizienter zu arbeiten – weil Meetings und Konferenzen virtuell und immersiv abgehalten werden, ohne dass dafür unsere physische Anwesenheit erforderlich ist. Virtuelle Briefings werden in 3D-Umgebungen stattfinden, wobei sich Daten und Informationen interaktiv visualisieren lassen, damit komplexe Zusammenhänge schneller verständlich sind.
Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit werden wir immersive Pressekonferenzen und Bürgerdialoge veranstalten, bei denen Politik und Bürger besser miteinander ins Gespräch kommen und staatliche Entscheidungen transparent werden. Schließlich könnte XR ja auch die politische Entscheidungsfindung unterstützen, indem wir Modelle von Städten oder Infrastrukturen in Echtzeit visualisieren, um die Konsequenzen politischer Entscheidungen besser bewerten und die Bürger besser einbinden zu können. Das würde helfen, unseren Staat modern und cool zu machen, sodass die Menschen Vertrauen in die Politik zurückgewinnen und sich wieder positiv mit unserem Gemeinwesen identifizieren können.
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