
Für die DLD kommen jedes Jahr Vordenker:innen aus der ganzen Welt nach München. / Foto: Michaela Rehle for DLD / Hubert Burda Media
Für die DLD kommen jedes Jahr Vordenker:innen aus der ganzen Welt nach München. / Foto: Michaela Rehle for DLD / Hubert Burda Media
Was für ein Auftakt für das bayerische Medienjahr: Bei der DLD (Digital Life Design) trafen sich Vordenker:innen aus aller Welt in München, um Zukunftsfragen aus Tech, Medien und Gesellschaft zu diskutieren. Und wieder beherrschte ein Thema die Agenda wie kein anderes: KI. Wir waren bei der Innovations-Konferenz von Hubert Burda Media im House of Communication dabei und haben die wichtigsten Aussagen und Learnings für Medienschaffende zusammengefasst.
Er ist mittlerweile zum bayerischen Vorzeige-KI-Experten geworden und fehlt auf kaum einer Konferenzbühne, wenn es um künstliche Intelligenz geht: Prof. Dr. Björn Ommer, Entwickler der Bild-KI Stable Diffusion an der LMU München, hat bei der DLD seine Einschätzung zum aktuellen Stand von KI gegeben. Die Large Language Models, so Ommer, seien riesig geworden – eine Entwicklung, die so nicht weitergehen könne. Die Performance von Modellen wie ChatGPT, die mit sehr großen Mengen an Textdaten trainiert wurden, würde tendenziell sogar schlechter, die Hardware könne nicht mithalten, die Wachstumskurve flache ab. „Generative künstliche Intelligenz wird weiterhin besser werden, aber nicht, indem wir existierende Herangehensweisen skalieren.” Stattdessen müsse man nun kleinere Modelle optimieren und den Zugang zu Technologie und Daten demokratisieren. Ein Weg dahin: Mehr Open Source Modelle.
Es ist auch Prof. Dr. Ommer, der in seiner Keynote festhält, wie sich künstliche Intelligenz etwas über einem Jahr nach dem Durchbruch von ChatGPT weiterentwickelt. Die „self-supervised Learning”-Methode, auf der Anwendungen wie ChatGPT, Stable Diffusion, DALL-E 2 und Co. beruhen, könnte schon bald überholt sein. „Momentan trainieren wir den Computer mit Text oder Bild und bitten ihn, Text oder Bild zu vervollständigen.” Was wir aber mittlerweile sehen würden, so Ommer, sei eine Entstehung neuer Strukturen, die wir den Systemen so nicht gefüttert hätten. „Man kann es sich vorstellen, wie Inseln im Pazifik, und die KI erstellt die Brücken zwischen ihnen.”
Der (Medien-)Standort Bayern wird bei der DLD 2024 von vielen Seiten gelobt – von Organisatorin Steffi Czerny, von Aleph Alpha Gründer Jonas Andrulis, natürlich auch von Ministerpräsident Markus Söder. Dass München und Bayern tatsächlich das Zeug zum europäischen Deep Tech Hub haben, wird sogar in einem Panel aufgearbeitet. Antonella Mei-Pochtler von TUM Venture Labs sorgt sich zwar um den Vorsprung der USA was BIP und VC Financing betrifft, lobt aber Bayern für seine Stärken in Wissenschaft und Innovation. Sie will nun vorantreiben, dass Startups stärker und schneller der Durchbruch gelingt. „Wir müssen das Sciencepreneurship Flywheel in Gang bringen. 2023 war ein großer Erfolg für unser Ökosystem und unsere Start-up-Factory.” Jochen Engert, Gründer von Flixmobility, geht noch einen Schritt weiter: „Das Ökosystem München muss ein Leuchtturm für Deutschland werden. Jeder muss wissen, dass wir hier Dinge anpacken und etwas bewegen.”
Im allgemeinen KI-Hype, der die DLD-Konferenz prägt, ist es unter anderem Ewa Duerr von Google, die zu Weitsichtigkeit beim Einsatz der Technologie rät. „Wir sollten uns immer fragen: Braucht es wirklich KI, um mein Problem zu lösen, oder reicht vielleicht eine ganz normale Programmierung?” Ihre Aussage, dass es nicht die Technologie sein sollte, die unsere Zukunft formt, sondern wir selbst, bekommt Beifall vom Publikum. Mit-Panelist Thomas Saueressig von SAP zeigt sich deutlich euphorischer und plädiert für mehr Begeisterung und Offenheit im Umgang mit KI: „Wir brauchen mehr technologisches Know-how, aber auch ein neues Mindset in der Gesellschaft. Ich finde, wir müssen jetzt starten!”
Am zweiten Konferenztag ist zum Thema Regulierung von KI Eva Maydell zu Gast, die als Europa-Abgeordnete selbst am European AI Act mitgearbeitet hat. „KI kann und wird ein Motor für europäische Wettbewerbsfähigkeit sein”, bekräftigt sie die These, die auch Prof. Dr. Björn Ommer am Vortag aufgestellt hat. Er glaubt, kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland und Europa könnten dank künstlicher Intelligenz zu Marktführern in ihren Bereichen werden. Von ihren, für die GAFA unzugänglichen, Kundendaten könnten sie mit neuen und sehr stark zugeschnittenen KI-Lösungen entsprechend Gebrauch machen. Auch Unternehmen, die keine starke IT-Abteilung haben, könnten ihre Daten nun entsprechend nutzen.
Nicht jede:r ist optimistisch angesichts dessen, wie die Regulierung von KI in der EU aktuell gehandhabt wird. Ludwig Ensthaler von 468 Capital fragt kritisch: „Vorverurteilen wir die KI für ein Verbrechen, das sie noch nicht begangen hat?” Angesichts der raschen Entwicklungen der Technologie wird ein Gesetzestext in drei Jahren vollkommen überholt, wenn nicht gar unverständlich sei, glaubt er. „Wir sollten das Verbrechen bestrafen, nicht den Algorithmus, der dorthin führt.” Dafür bekommt er Applaus vom Publikum. Auch Jonas Andrulis, Gründer von Aleph Alpha, gibt zu bedenken: „Regulierung braucht immer Ressourcen. Es gibt eine begrenzte Anzahl an KI-Experten in Deutschland und wir treten so viel Wissen an Compliance ab, das wir eigentlich woanders brauchen.” Philipp Justus von Google sucht den Kompromiss und dafür die hochriskanten Bereiche, in denen KI eingesetzt wird. An dieser Stelle müsse man regulieren, aber auch darauf achten, dass „nicht alles, was für unsere Zukunft interessant sein könnte, in der ,Hochrisiko-Tonne’ landet. Man kann das KI-Innovations-Rennen nicht gewinnen, wenn man nicht verantwortungsbewusst losläuft.”
Für die Onlinerecherche den Laptop aufklappen oder ChatGPT auf dem Smartphone eine Frage stellen, könnte bald schon eine überholte Form unserer Interaktionen mit Computern sein. Das zumindest glaubt Cathy Hackl. „Wir stehen an der Schwelle eines neuen Umgangs mit Technologie”, sagt die Tech-Futuristin zu Beginn ihres Talks über Spatial Computing. Der Begriff bezeichnet die Mischung aus Hard- und Software, bei der virtuelle Elemente in die reale Umgebung eingeblendet werden – wie etwa bei der Apple Vision Pro. So könnten Maschinen unsere physische Umgebung schon bald neu navigieren und verstehen und uns eine neue Form der Interaktion mit KI ermöglichen. „Die Vermischung von physischer und virtueller Welt wird neue Anwendungen und Investmentmöglichkeiten hervorbringen – in den Bereichen Spatial Computing, AI Hardware, Smartglasses und Large Vision Models”, so Hackl. Sie rät Führungskräften und Medienschaffenden, die Gaming Branche im Blick zu behalten, wo wir schon jetzt durch Avatare kommunizieren und neue, digitale Welten erkunden. „Gaming wird in den nächsten Jahren die Wirtschaft durchdringen – und CEOs sind schlecht vorbereitet.”
Bleibe mit dem XPLR: Newsletter immer auf dem Laufenden!