Filmemacher Jonas Brand: „In jeder Figur steckt viel Persönliches“

Von Florentina Czerny
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Regisseur und Drehbuchautor Jonas Brand ist von seiner Heimatstadt Deggendorf bereits zwei Mal mit dem Kulturförderpreis ausgezeichnet worden, zuletzt im Mai dieses Jahres. / Foto: privat

Wie wird man zum Filmemacher? Genau das möchte Jonas Brand jungen Menschen in seiner Heimatstadt Deggendorf zeigen. Der Regisseur und Drehbuchautor organisiert dieses Jahr im Oktober zum fünften Mal das Kurz Film Fest Deggendorf. Im Interview erzählt er, warum Festivals wie diese so wichtig für die Branche sind und wie viel Leidenschaft und Ausdauer es zum Filmemachen braucht.

Jonas, welche Film-Experience hat dich dazu bewegt, in die Filmbranche zu gehen?

Jonas Brand: Mein Vater war früher Techniker beim Kulturmobil Niederbayern. Das ist ein fahrendes Theater, das vom Bezirk und Landestheater Niederbayern organisiert wird. Als Jugendlicher durfte ich immer mit auf Tour fahren und habe die Stücke gefühlt hundert Mal gesehen. Ich war sehr fasziniert von dem Schauspiel. Damals standen ein Kinderstück, ein Erwachsenenstück, ein Kurzfilm und ein Kinofilm auf dem Programm. Zu sehen, wie die Theaterstücke und die Filme beim Publikum ankommen und wie man die Leute damit erreichen kann das hat mich begeistert.

Du hast als Regisseur zwar auch Erfahrungen beim Theater gesammelt, deine Berufswahl fiel aber hauptsächlich auf das Filmemachen. Warum?

Jonas: Eigentlich hatte ich ganz jung den Traum, einen Roman zu schreiben. Ich wollte in erster Linie also Schreiben lernen für welches Medium war da noch gar nicht klar. So bin ich auf die Möglichkeit eines Drehbuchstudiums an einer Filmhochschule aufmerksam geworden und letztendlich beim Film gelandet.

An einem Filmprojekt arbeiten oft 40 Leute

Was ist aus dem geplanten Roman geworden?

Jonas: Ich hatte damals eine Idee ausgearbeitet und war im Gespräch mit einigen Verlagen, aber letztendlich war ich ihnen allen zu jung und zu unerfahren. Der Stoff war auch noch nicht so weit, vielleicht müsste ich es nochmal damit versuchen 18 Jahre später. (lacht)

Dass es damals nicht geklappt hat, hat dir die Chance gegeben, ein Gaststudium an der HFF in München und ein Drehbuchstudium an der Filmuniversität Babelsberg in Potsdam zu absolvieren. Wie wichtig war diese Zeit für dich?

Jonas: In Vorbereitung auf mein Studium durchlief ich diverse Praktika bei Filmdrehs da habe ich meine Begeisterung für die Filmarbeit entdeckt. In erster Linie hat mich die Teamarbeit fasziniert, zu sehen, wie viele Menschen an einem solchen Projekt arbeiten. Der Prozess, bis ein Film am Ende steht, ist so umfassend: Mit 30, 40 Leuten stellt man letztendlich etwas Kreatives auf die Beine. Diese Zeit war für meinen weiteren Weg ganz entscheidend.

„Man braucht viel Resilienz. Es ist vollkommen normal, dass du lange an Projekten arbeitest, die dann nichts werden. Oder die fünf Jahre in der Schublade verschwinden und dann plötzlich doch wieder herausgekramt werden.

 

Heute lebst du in München und bist auch deiner Heimatstadt Deggendorf noch sehr verbunden. Warum bist du nach deinem Studium zurück nach Bayern gekommen?

Jonas: In erster Linie wollte ich sozusagen als inoffizielles Masterstudium das Stipendienprogramm der Drehbuchwerkstatt München besuchen. Man arbeitet dort sehr praxisorientiert und ich fand das ein super Angebot, um mich weiterzuentwickeln. Dazu kam, dass ich hier viel näher an Familie und Freunden bin und ich aus meiner Zeit an der HFF viele Kontakte hatte, die ich pflegen wollte. Wer Filme machen möchte, geht in erster Linie nach Berlin oder München. Das sind die beiden deutschen Zentren.

Wie entstehen die Ideen für deine Geschichten und Protagonist:innen?

Jonas: Manchmal sind es historische Ereignisse, die mich interessieren. Auf die stoße ich zum Beispiel über Zeitungsartikel. Manchmal stolpere ich über historische Persönlichkeiten, fange an zu recherchieren und merke, da steckt eine interessante Geschichte drin. In anderen Fällen bedient man sich an persönlichen Erlebnissen, an Gefühlen oder Begegnungen. Manchmal erinnere ich mich an irgendwelche Anekdoten aus meiner Kindheit und überlege mir, wie man daraus zum Beispiel einen Kinderfilm realisieren könnte. Und dann gibt es noch den Fall, dass man einen Auftrag kriegt. Dann melden sich Produzent:innen, die eine Idee für einen Film haben und Drehbuchautoren für die Ausarbeitung engagieren.

Die normale Verfilmungsquote liegt bei 1:10

Wie wird aus dieser fixen Idee nun ein fertiger Film?

Jonas: Erst einmal trage ich diese Idee eine ganze Weile mit mir rum und überlege, welche Geschichte tatsächlich drin stecken könnte. Sobald ich von der Idee überzeugt bin, gehe ich zu Produzent:innen und schaue, ob der Einfall auf Interesse stößt. Im besten Fall sagt dann jemand zu und man arbeitet die Idee zusammen weiter aus. Damit wendet man sich anschließend an verschiedene Sender oder reicht um Förderung ein und hofft, dass es weitergeht. Ein solches Projekt muss also durch ganz viele Instanzen und jede einzelne muss sich dazu bereit erklären, daran mitzuarbeiten. Es gibt allerdings keine Garantie dafür, dass ein Drehbuch dann tatsächlich auch umgesetzt wird.

Wie frustrierend ist es, wenn man viel Arbeit in ein Projekt steckt und am Ende doch nichts draus wird?

Jonas: Man braucht viel Resilienz. (lacht) Am Anfang war das ziemlich frustrierend. Man gewöhnt sich aber sehr schnell daran, weil es zu dieser Branche einfach dazugehört. Unsere Professor:innen haben uns schon im Studium gesagt, dass eine normale Verfilmungsquote bei 1:10 liegt. Es ist vollkommen normal, dass du lange an Projekten arbeitest, die dann nichts werden. Oder die fünf Jahre in der Schublade verschwinden und dann plötzlich doch wieder herausgekramt werden. Man schreibt eigentlich nie für die Tonne – irgendwelche Produzent:innen erinnern sich an die Idee und wenn die Zeit gekommen ist, arbeitet man daran weiter. Das kommt immer wieder vor.

Eine seiner wichtigsten Produktionen bisher: Für die Jugendserie „Stichtag“ schrieb Jonas Brand zusammen mit Christof Pilsl und Evi Prince das Drehbuch. Die zwei Staffeln können bei JOYN gestreamt werden. / Foto: Ramin Morady

Dieses Jahr organisiert Jonas Brand (2. v. l.) das Kurz Film Fest Deggendorf zum fünften Mal. Für Filmemacher aus Bayern ist das Festival eine wichtige Gelegenheit, sich zu präsentieren. / Foto: Jens Schanze

Welche Projekte stehen bei dir aktuell an?  

Jonas: Ich arbeite momentan an einem Dokumentarfilm, der mein absolutes Herzensprojekt ist. Er ist sehr persönlich und gleichzeitig hochaktuell. Ich mache mich in dem Film auf die Suche nach meinem Urgroßvater. Er ist im Zweiten Weltkrieg als Wehrmachtssoldat in Kiew erschossen worden. Nachdem er gefallen ist, wurde er dort begraben, aber niemand weiß, wo genau. Vor 20 Jahren hat mein Großvater angefangen, nach seinem Vater zu suchen, aber leider ohne Erfolg. Ich habe diese Suche aufgenommen und die Kriegsgräberfürsorge kontaktiert, einen Verein, der sich um solche Schicksale kümmert und systematisch nach Kriegstoten sucht. Ich habe sehr schnell gemerkt, da steckt eine Geschichte drin, die über unsere Familiengeschichte hinausgeht, denn jedes Jahr werden Tausende Kriegstote ausgegraben. Und parallel wird in der Ukraine wieder Krieg geführt und es entstehen tausendfach neue Verlustschicksale.

Kannst du bei dieser Geschichte überhaupt planen, wie sie ausgeht?

Jonas: Nein, wie der Film zum Schluss aussehen wird, weiß ich nicht. Es kann sein, dass wir meinen Urgroßvater finden, es kann aber auch sein, dass wir ihn nicht finden. So oder so wird es aber ein Film über transgenerationale Traumata. Ich untersuche, wie sich dieses Verlusttrauma auf die Familie ausgewirkt hat. Mein Opa wird das Ergebnis nur leider nicht mehr sehen können. Er ist vor ein paar Wochen verstorben. Wir hatten eine sehr schöne Beerdigung und ich habe lange überlegt, ob wir dort filmen sollen. Wir haben uns dann dafür entschieden, denn auch das gehört zu der Geschichte dazu. Für mich ist diese Arbeit sehr wertvoll, denn sie gibt mir die Freiheit, mich mit mir selbst zu beschäftigen und gleichzeitig etwas gesellschaftlich Relevantes zu erzählen.

Der Nachwuchs in der Filmbranche braucht eine Bühne

2017 hast du zum ersten Mal von deiner Heimatstadt Deggendorf den Kulturförderpreis erhalten und im Zuge dessen das Deggendorfer Kurz Film Fest gegründet. Wie wichtig ist eine solche Bühne für den bayerischen Filmnachwuchs?

Jonas: Es ist das A und O, vor allem wenn man anfängt. Es gibt im ganzen Bayerischen Wald keine vergleichbare Veranstaltung, aber man muss sich ja irgendwo präsentieren und sich einen Namen machen. Solche Festivals sind immer kuratiert, das heißt, wenn der eigene Film gezeigt wird, ist das schon eine kleine Auszeichnung. Unter den Zuschauer:innen sind immer andere Filmemacher:innen, mit denen man sich vernetzen kann. Mein Ansinnen damals bei der Gründung war aber vor allem, für Jugendliche eine Möglichkeit zu schaffen, Kultur zu erleben. Für mich als junger Mensch war es unglaublich schwierig, in der bayerischen Provinz überhaupt etwas von Kunst und Film mitzukriegen. Ich versuche immer, viele Filmemacher:innen auf das Kurzfilmfest zu bekommen und auf der Bühne nach ihrem Werdegang zu befragen damit auch Jugendliche in einer Kleinstadt wie Deggendorf eine Idee davon bekommen, wie sie selbst diesen Weg einschlagen könnten.

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