Filmemacherin Vanessa Weber v. Schmoller: Es geht um die Essenz

Von Florentina Czerny
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Local Heroes

Foto: Jan Saurer

In München lebt der Schickimicki? Nein, diese Stadt hat mehr zu bieten, findet Filmemacherin Vanessa Weber v. Schmoller. Um zu zeigen, welche Bewohner:innen die Stadt prägen, hat sie die Münchner G’schichten gegründet: ein Videoformat, das Münchner:innen und ihre Projekte porträtiert. Welche Themen Vanessa Weber v. Schmoller besonders packen und welche Ziele sie mit ihrer Produktionsfirma Herz Film Productions verfolgt, verrät sie im Interview.

Frau Weber von Schmoller, Sie haben unter anderem in London, San Francisco und Sydney gelebt – trotzdem widmen Sie mit den Münchner G’schichten ausgerechnet dieser Stadt ein eigenes Format. Was lieben Sie so an München?

Vanessa Weber v. Schmoller: München ist für mich Heimat. Ich bin in Schwabing aufgewachsen, hier habe ich meine Wurzeln. Ich liebe diese Stadt und beobachte, dass sie sich ständig verändert. Ich finde, dass München etwas unfassbar Herzliches hat. Kann sein, dass die Münchner:innen etwas brauchen, bis sie einen hinter die Kulissen schauen lassen, aber wenn man die Menschen einmal für sich gewonnen hat, erkennt man, dass sie sehr offen und neugierig sind.

Weber v. Schmoller: Es tut weh, unsere Stadt in eine Schublade gesteckt zu sehen

Diese Menschen und Ihre Geschichten stellen Sie in kurzen Videosequenzen vor. Wie entstand die Idee?

Weber v. Schmoller: Meine Geschäftspartnerin Olivia, mit der ich das Format gegründet habe, und ich sind viel gereist und sind dabei immer wieder auf Klischees über München gestoßen, die uns missfallen haben. München wird oft als oberflächliche Schickimicki-Stadt oder einfach nur als Wirtschaftsstandort betrachtet. Uns hat es wehgetan zu sehen, dass unsere Stadt und damit auch ihre Bewohner:innen immer wieder in eine Schublade gesteckt werden. Denn es gibt hier so viele Dinge zu entdecken, die man auf den ersten Blick vielleicht gar nicht wahrnimmt. Wir wollten hinter die Kulissen schauen, Herzensprojekte fernab der Klischees zeigen, wir wollten die Menschen hinter diesen Projekten zeigen und Geschichten von Mut und Leidenschaft und Integrität erzählen. Wir wollten die Geschichten der Menschen zeigen, die diese Stadt prägen.

Ein paar Minuten ist eine relativ kurze Zeit, um eine Geschichte zu erzählen. Wie gehen Sie beim Storytelling vor, damit aus einer Idee eine runde Sache wird?

Weber v. Schmoller: Es geht mir immer um die Fragen: Why? How? What? Dabei fange ich auch immer bei der Motivation an, weil ich finde, das ist das Allerwichtigste im Storytelling: dass du verstehst, warum jemand etwas macht, und ob dich dieses Vorhaben abholt oder nicht. Es ist eine klassische Heldenreise, die wir erzählen und da haben wir zwischen Dreiminütern und 18-Minütern alles ausprobiert. Jede Länge hat etwas für sich: Bei längeren Sequenzen kann man mehr schöne Bilder zeigen, aber man kann auch kurz erzählen und trotzdem die Menschen berühren. Darin liegt das Geheimnis: die Essenz freizulegen. Am meisten packen mich die Projekte, die Mut erfordern. Die, die anfangs vielleicht nicht ganz einfach waren, aber wo jemand an seinen Traum festgehalten hat. Ich habe viel Respekt vor Menschen, die sich etwas trauen und andere damit inspirieren.

 

»Wenn man einen guten Film schaut, macht man auch ein Stück weit eine neue Erfahrung – durch das gesprochene Wort, mit dem, was man sieht, durch die Musik, die das Ganze untermalt, und mit der Art und Weise, wie der Film geschnitten ist. Das ist das Tolle am Film: dass er uns auf ganz vielen verschiedenen Ebenen anspricht und einen dadurch in die Geschichte reinziehen kann.«

Vanessa Weber v. Schmoller

Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, man muss immer wieder Neues ausprobieren

Auf Ihren Social-Media-Kanälen veröffentlichen Sie nicht nur Kurzfilme über die Münchner G’schichten, sondern vermehrt auch Bilder von Geheimecken oder Restaurantempfehlungen. Haben Formate abseits vom Bewegtbild für Sie an Bedeutung gewonnen?

Weber v. Schmoller: Ja, auf jeden Fall. Ich betrachte die Münchner G’schichten als Spielwiese für verschiedene Formatideen. Ich glaube, es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, man muss immer wieder Neues ausprobieren. Wenn ich mit dem, was ich mache, Menschen berühren kann, habe ich mein Ziel erreicht – und das geht mit allen Formaten.

Sie haben im Laufe Ihrer Karriere für viele TV-Formate und Sender gearbeitet, unter anderem für Galileo. Was fasziniert Sie am Bewegtbild?

Weber v. Schmoller: Film ist am nächsten an Erfahrung. Wenn man einen guten Film schaut, macht man auch ein Stück weit eine neue Erfahrung – durch das gesprochene Wort, mit dem, was man sieht, durch die Musik, die das Ganze untermalt, und mit der Art und Weise, wie der Film geschnitten ist. Das ist das Tolle am Film: dass er uns auf ganz vielen verschiedenen Ebenen anspricht und einen dadurch in die Geschichte reinziehen kann.

2021 haben Sie mit Herz Film Productions eine eigene Produktionsfirma gegründet. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Weber v. Schmoller: Ich bin diesen Schritt gegangen, weil mir die Entwicklung von Formaten unheimlich Spaß macht und ich unbedingt mehr machen wollte als Regie zu führen. Mit einer Produktionsfirma habe ich viel mehr Möglichkeiten mit Freelancer:innen oder anderen Firmen zu kooperieren. Außerdem macht es mir immer besonders viel Spaß mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten und ihnen auf Wunsch etwas von der Erfahrung weiter zu geben, die ich selbst in den letzten 25 Jahren in meinem manchmal sehr herausfordernden Beruf gesammelt habe. Ich hatte selbst das Glück tolle Mentoren zu haben und finde es sehr bereichernd mit jemandem zusammenzuarbeiten, der mich mit seinen Ideen und neuen Perspektiven überrascht. Ich liebes es Neues zu entdecken und dazu zu lernen.

Ein Himmel voller Bienen. Ein Film von Vanessa Weber von Schmoller

In den vergangenen sechs Jahren haben Sie sich vor allem ihrem ersten Dokumentarfilm gewidmet: Ein Himmel voller Bienen ist 2022 in die deutschen Kinos gekommen. Was hat Sie an dem Thema Bienensterben so fasziniert, dass Sie ihm einen ganzen Film widmen?

Weber v. Schmoller: Ich war immer schon ein Mensch, der die leisen Töne gehört hat. Ich bin mit der Natur aufgewachsen, hatte bis zur Einschulung mehrere Monate im Jahr an der Nordsee, in den schweizer Bergen und an den bayerischen Seen verbracht. Als ich davon erfahren habe, wie es um unsere Artenvielfalt bestellt ist, dass die Biomasse der Fluginsekten so drastisch abgenommen hat, war mir klar, dass ich daraus einen langen Dokumentarfilm machen wollte. Das ist ein Thema, das so wichtig ist, dass es eine größere Bühne braucht. Jeder Mensch hat etwas, was ihn antreibt und ich folge immer meiner Intuition. In dem Fall hat mein Herz gesagt, dass ich das machen soll. Für mich gab es kein Ob, sondern nur ein Wann.

Dieser Film war Ihr bisher größtes Projekt. Auf welche Herausforderung sind Sie dabei gestoßen?

Weber v. Schmoller: Der Film war eine einzige Herausforderung, inhaltlich wie auch strukturell. Wir haben keine Förderung bekommen, wir hatten keinen Sender, der uns zur Seite gestanden ist. Ich war darauf angewiesen, im Corona-Lockdown Sponsoren zu finden, was extrem schwer war, weil die Leute einfach nicht mehr erreichbar waren. Die andere große Herausforderung war, dass man für ein solches Projekt eine sehr große Manpower benötigt. Wir haben mit einer Kinofilm-Kamera gedreht und dafür braucht man eine Crew, die das Equipment bedienen kann. Wir haben teilweise nur zu viert an dem Film gearbeitet, der eigentlich mindestens für zehn Menschen ausgelegt war.

Kleines Budget, viel Courage: Filmdreh fand unter erschwerten Bedingungen statt

Wie haben Sie das Projekt trotzdem realisiert?

Weber v. Schmoller: Machbar wurde es nur durch meine Familie, Freunde, eine wunderbare Crowdfunding-Community, einige wenige Sponsoren und dem Preisgeld für den Umweltprojektpreis der Deutschen Bahn, den ich 2021 erhielt. Wir haben mit einem unfassbar kleinen Budget gearbeitet: Wir hatten bis zuletzt nur etwa ein Drittel von dem, was wir anvisiert hatten. Viele hätten den Film unter diesen Bedingungen nicht produziert, denn das bedeutete auch, dass wir keine normalen Gehälter zahlen konnten. Viele, die bei diesem Film mitgewirkt haben, haben das auf ehrenamtlicher Basis gemacht und so ihren Teil zum Schutz der Artenvielfalt beigetragen.

Artenschutz und Klimawandel sind mittlerweile viel diskutierte Themen. Wie sind Sie an das Thema herangegangen und haben einen eigenen Dreh gefunden?

Weber v. Schmoller: Ich wollte diesen Film aus meiner eigenen Perspektive als Mutter und Filmemacherin erzählen. Im Prinzip habe ich meine eigene Geschichte erzählt, nämlich, dass ich dieses Thema kannte, aber mir nicht seiner Tragweite, seiner Bedrohlichkeit bewusst war. Ich wollte herausstellen, was das Artensterben wirklich bedeutet und den Menschen gleichzeitig Lösungen aufzeigen.

Ein Einblick in die Dreharbeiten von „Ein Himmel voller Bienen". / Foto: Herz Film Productions

Ein Einblick in die Dreharbeiten von „Ein Himmel voller Bienen". / Foto: Herz Film Productions

Ein Einblick in die Dreharbeiten von „Ein Himmel voller Bienen". / Foto: Katrin Dufter

Ein Einblick in die Dreharbeiten von „Ein Himmel voller Bienen". / Foto: Katrin Dufter

Sie scheinen Ihr Ziel erreicht zu haben: Bis heute wird der Film in vielen Unternehmen, Kinos und auf Veranstaltungen gezeigt, läuft aktuell auf internationalen Filmfesten und ist sogar für Schulen als offizielles Lernmaterial deutschlandweit in allen Landesmedienzentren erhältlich.

Vanessa v. Schmoller: Ja, der Film ist gerade noch sehr aktiv und läuft auf verschiedenen Filmfesten weltweit, gerade zum Beispiel in Montenegro, in Nigeria, in Toronto, in den USA. Was ich aber gerne tun würde, ist mit dem Film viel mehr in Unternehmen zu gehen und sie für das Thema zu begeistern. Wir haben am Medienstandort Bayern so viele tolle Unternehmen, die eine Allianz für den Artenschutz aufbauen oder zumindest ein Teil davon sein könnten. Diese Unternehmen möchte ich einladen, in den Austausch zu gehen. Dass das Thema wichtiger denn je ist, zeigt z.B. der Faktencheck Artenvielfalt, bei dem 145 Fachleute in drei Jahren alle verfügbaren Daten über den Zustand der Natur in Deutschland zusammengetragen haben. Die Ergebnisse sind kürzlich vorgestellt worden und sind alarmierend. Eine Trendwende in der Biodiversitätskrise ist bisher nicht erreicht worden. Ich möchte mit dem Film meinen Beitrag leisten, dies zu ändern.

Dokumentarfilm oder Kurzportraits welches Format wird Sie in Zukunft mehr beschäftigen?

Weber v Schmoller: Ich würde sehr gerne noch mehr Filme über Persönlichkeiten und Projekte drehen, die Bewusstsein schaffen. Herzensprojekte von Menschen, die sich für die Natur und unsere Gesellschaft einsetzen. Mich interessieren Menschen, die visionär denken und handeln. Ich würde auch gerne weiter Portraits über spannende Lebenswege machen. Diese Geschichten möchte ich in verschiedenen Formaten zwischen fünf Minuten und eineinhalb Stunden erzählen – da bleibe ich offen. Ich finde, jedes Thema hat seine Länge. Für mich geht es vorrangig immer um die Botschaft: die Essenz muss drinstecken – dann reichen einer Geschichte oft auch ein paar Minuten.

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