Iris Ostermaier: „Decken die Bedürfnisse von Streaming-Anbietern sehr gut ab”

Von Nina Brandtner

Iris Ostermaier weiß, was internationale Streaming-Riesen am Medienstandort schätzen

2019 feierte die Bavaria Film 100. Geburtstag. Kurz darauf kam die Corona-Pandemie, machte Kinobesuche unmöglich und befeuerte die Entwicklung neuer Streaming-Angebote. Iris Ostermaier ist Chief Financial Officer bei der Produktionsfirma aus Geiselgasteig. Im Interview spricht sie darüber, welche Rolle Partnerschaften mit Netflix und Co. nun spielen, warum internationale Streaming-Riesen den Standort schätzen und wieso Serien wie die „Rosenheim-Cops” noch lange nicht ihrem Ende entgegengehen.

Frau Ostermaier, als Sie vor zwei Jahren als Geschäftsführerin bei Bavaria Film anfingen, feierte das Unternehmen seinen 100. Geburtstag. Mit welcher Vision ist Bavaria Film ins neue Jahrhundert gestartet?

Iris Ostermaier: Wir haben angefangen in Stummfilmzeiten, heute sprechen wir über 8K-Produktion, über Streaming-Formate und ganz andere technische Setups. Unsere Vision ist und war, Geschichten zu erzählen und Emotionen in Bewegtbilder zu verpacken. Das wollen wir auch die nächsten hundert Jahre erfolgreich tun, dafür wollen wir jetzt den Grundstein legen.

Wie sieht dieser Grundstein aus?

Ostermaier: Wir haben uns inhaltlich breiter aufgestellt, haben uns auf der anderen Seite aber auch fokussiert. Wir stecken in Digitalisierungsprozessen, gerade in der Coronapandemie hat das eine wahnsinnige Beschleunigung erfahren. Es ist wichtig, der geänderten Nachfrage gerecht zu werden, um Wachstumschancen nutzen zu können und langfristig erfolgreich zu sein.

Im Content sind wir sehr breit aufgestellt. Im fiktionalen Bereich geht das von der Daily bis zum High End Format, aber wir bieten eben auch die Samstagabend-Unterhaltungsshow und Dokutainment.

„Streaming-Anbieter wollen national und international funktionierende Formate – die können wir anbieten, sowohl in der Kreation als auch vom Qualitätsstandard in der Produktion.“

Auf welches Pferd wird Bavaria Film in Zukunft noch setzen?

Ostermaier: Wir sind dabei, unser Kundenportfolio auszubauen. Für uns besonders bedeutend sind die öffentlich-rechtlichen Auftraggeber. Privatsender und Streaming-Anbieter sind eine gute Diversifizierungsmöglichkeit. Wir haben „Freud” und „Das Privileg” für Netflix produziert. Aber auch Plattformen wie Sky, für die wir gerade die dritte Staffel von „Das Boot” produzieren, sind wichtig.

Was man selten mit Bavaria Film verbindet, ist der Corporate-Video-Bereich, da haben wir Kunden wie VW, SAP oder BMW. Wir haben zum Beispiel die Jahres-Pressekonferenz der BMW Group als virtuelles Event organisiert. In diesem Bereich können wir sicherlich auch noch stärker wachsen.

„Das Privileg” wurde im Mai 2021 abgedreht. Wie wichtig sind solche Produktionen in Kooperation mit internationalen Streaming-Anbietern für Sie?

Ostermaier: Netflix und Streaming-Anbieter allgemein sind gerade für Kreative spannend, weil sie andere Freiheiten im Kreativprozess zulassen. Wir decken mit unserem Portfolio auch deren Bedürfnisse sehr gut ab.

Wir würden gerne noch mehr machen und spüren, dass dieser Bereich wächst, doch noch ist er unseren klassischen Auftraggebern eher untergeordnet. Deshalb freuen wir uns, wenn in der Zukunft noch mehr Budgets nach Deutschland gehen und in Deutschland mehr produziert wird. Was Streaming-Anbieter wollen, sind national und international funktionierende Formate – die können wir anbieten, sowohl in der Kreation als auch vom Qualitätsstandard in der Produktion.

Wie kann ein globaler Player wie Netflix von einem tief in der Region verwurzelten Unternehmen wie Bavaria Film profitieren?

Ostermaier: Wir haben hier viel kreatives Potenzial. Wir haben Menschen, die tolle Ideen haben und wir können diese auch gleich umsetzen. Außerdem können wir anderen Produzent:innen die perfekte Infrastruktur und die entsprechenden Services anbieten. Das ist, was uns auszeichnet. Wir profitieren von dem, was wir 100 Jahre lang gemacht haben: von der Erfahrung, der Kreation und dem professionellen Setup.

„Neue Formate müssen es erst einmal hinkriegen, Erfolgsgeschichten wie Sturm der Liebe zu schreiben.“

Während der Streaming-Wettlauf zwischen Netflix, Amazon Prime und Disney in vollem Gang ist, wird in diesen Tagen in den Bavaria Studios die 500. Folge der „Rosenheim-Cops” gedreht. Welche Rolle spielen solche Kultserien im linearen TV heute noch?

Ostermaier: Man denkt oft, dass diese Serien ihrem Ende entgegen gehen. Aber sie spielen eine sehr große Rolle und ich bin davon überzeugt, dass sie diese Rolle behalten werden. Die „Rosenheim-Cops” haben bei der Erstausstrahlung einen Marktanteil von 15,5 Prozent, das sind über vier Millionen Zuschauer. Dann werden sie noch permanent wiederholt und sind auch auf Sky Crime zu sehen. Zuschauerzahlen und Ausstrahlungshäufigkeit sprechen für den Erfolg dieser Formate.

„Sturm der Liebe” zum Beispiel hat auch in den Mediatheken großen Erfolg. Es war im letzten Jahr mit  139 Millionen Abrufen in der ARD-Mediathek das erfolgreichste Format. Zudem ist es auch im Ausland sehr erfolgreich und wurde in mehr als 20 Länder verkauft. Besser geht es nicht, das müssen neue Formate erst einmal hinkriegen, solche Erfolgsgeschichten zu schreiben.

Weg vom Fernsehen, hin zum Kino: Das Münchner Filmfest konnte 2021 mit coronabedingten Einschränkungen stattfinden, Sie waren selbst vor Ort. Wie war das?

Ostermaier: Die Branche lebt davon, sich persönlich auszutauschen. Ich finde es ganz toll, dass es gelungen ist, das Filmfest in diesen Zeiten zu organisieren. Das Konzept des Filmfestes an verschiedenen Standorten in München auch mit Open-Air-Vorführungen finde ich sehr gelungen.

Während der Corona-Pandemie waren Kinos über lange Strecken hinweg komplett geschlossen. Wird sich die Kinoindustrie davon wieder erholen?

Ostermaier: Ich war im Rahmen des Filmfests wieder einmal im Kino und es war so eine Freude! Es ist ein ganz anderes Erlebnis, als wenn man zuhause guckt— sei es lineares TV oder Streaming. Sich total darauf einzulassen, was man auch in der Oper oder im Theater macht, gibt es nur im Kino. Sie werden im Marketing vor Herausforderungen stehen, aber ich bin überzeugt, dass es immer Kinos geben wird.

Aufgrund der zunehmenden Digitalisierung ist die Vernetzung und Überwindung von Silo-Denken ein wichtiger Erfolgsfaktor.“

Der 30 Hektar große Medienstandort Geiselgasteig ähnelt einer kleinen Stadt: Kita, Sport- und Wellnesszentren, Gastronomie und Carsharing sind vor Ort. Warum gefällt Ihnen das Arbeitsumfeld dort?

Ostermaier: Es ist die Vielfalt, die hier spürbar ist. Wir haben ganz besondere Menschen, kreative Köpfe und viel Diversität. Vom introvertierten Buchhalter, über die zahlreichen Kreativen bis hin zu Feuerwehrleuten oder in unserem Art-Department der Schreiner. Außerdem ist auf dem Gelände permanent Bewegung, es ist rund um die Uhr was los.

Im Zentrum des Medienstandortes Geiselgasteig steht das Lichtspiel-Loft, ein Digitalcampus für Medienunternehmen. Welche Rolle spielen solche Vernetzungs-Hubs im heutigen Arbeitsalltag?

Ostermaier: Für den Standort ist das sehr gut. Es gibt mehr Menschen und mehr Möglichkeiten, sich zu vernetzen und von Partnerschaften zu profitieren. Gerade aufgrund der zunehmenden Digitalisierung ist die Vernetzung und Überwindung von Silo-Denken ein wichtiger Erfolgsfaktor.

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