Jacqueline Belle: „Wir müssen Frauen Selbstbewusstsein mitgeben“

Von Juan Esteban Naupari

Jacqueline Belle ist Synchronsprecherin, Podcasterin und moderiert aktuell die BAYERN 3 Frühaufdreher / Foto: Christian Teubig

Jacqueline Belle ist eine wahre Audio-Allrounderin. Neben ihrer Tätigkeit als Synchronsprecherin und Podcasterin ist sie auch regelmäßig bei Bayern 3 zu hören und zählt inzwischen zu den prominentesten Moderatorinnen in der deutschen Radio-Landschaft. Im Interview verrät sie, was sie am linearen Radio fasziniert, was eine gute Morning-Show ausmacht und wieso Frauen in der Radio-Branche mehr gepusht werden müssen.

Jacqueline, du hast eigentlich Pharmazie studiert, wieso hast du dich dann doch für eine berufliche Laufbahn in der Audio-Branche entschieden?

Jacqueline Belle: Kurz gesagt, weil mein Herz schon immer dafür geschlagen hat. Ich habe mit zwölf angefangen, synchron zu sprechen und wusste aber nach dem Abi nicht, ob ich mir damit wirklich meinen Lebensunterhalt finanzieren kann. Ich habe ein Praktikum bei Radio ENERGY gemacht, mich aber parallel schon für das Studium angemeldet. Radio ENERGY hat mir ein Volontariat angeboten, aber ich habe mich dafür entschieden zu studieren, damit ich mein Synchronsprechen nicht aufgeben muss. Das wäre nicht mehr gegangen bei einer Fünf- oder Sechs-Tage-Woche im Volontariat. Während meines Pharmaziestudiums habe ich bei M94.5 angefangen und schon relativ früh gemerkt, dass mein Herz fürs Radio schlägt. Ich wusste aber, ich mache das Studium nicht mehr fertig, wenn ich jetzt aufhöre. Deswegen habe ich das durchgezogen und war währenddessen noch bei Radio Charivari München. Als ich mit dem Studium fertig war, hat BAYERN 3 schon angeklopft, da ist mir die Entscheidung dann leicht gefallen.

Du bist dem Radio also schon lange verbunden. Was macht für dich den Reiz des linearen Radios aus?

Jacqueline: Das Schöne ist für mich, dass es ein wahnsinnig schnelles Medium ist. Du kannst das Mikro aufdrehen und bist sofort bei den Leuten. Jetzt haben wir natürlich über Instagram oder generell Social Media ganz neue Möglichkeiten der Interaktion bekommen, aber Radio hat für mich immer noch ein bestimmtes Feeling. Du steigst ins Auto und musst dich um nichts kümmern. Das ist ein Punkt, den wir immer vergessen bei der Diskussion ums lineare Radio. Wir in der Medienbubble sagen alle: Ach cool, ich kann mir meinen Content immer aussuchen. Aber manche Leute sind so mit ihrem Alltag beschäftigt, die wollen einfach einsteigen, einschalten und ihre Infos bekommen, vielleicht noch ein bisschen Musik und damit starten sie dann in den Tag.

»Ich finde es schön, dass du in der Früh die Möglichkeit hast, wirklich mit den Leuten reinzustarten in den Tag.«

Jacqueline Belle

Foto: Christian Teubig

Jacqueline Belle: „Mein persönliches Erfolgsrezept ist es, immer natürlich zu bleiben

 

Laut der aktuellen MA Audio ist BAYERN 3 das beliebteste Programm der Hörer:innen zwischen 14 und 39 Jahren. Einen hohen Anteil an diesem Erfolg haben sicherlich die Moderator:innen. Was ist dein Erfolgsgeheimnis, um die junge Zielgruppe zu erreichen?

Jacqueline: Es geht viel um die Musik, da ist BAYERN  3 sehr stark auf die junge Zielgruppe ausgerichtet. Und wir finden die richtige Ansprechhaltung. Die Moderatoren müssen zu der Zielgruppe passen und am besten ist es, wenn du Moderatoren hast, die noch in diesem Lebensumfeld unterwegs sind. Mein persönliches Erfolgsrezept ist es, immer natürlich zu bleiben. Das war das Erste, was ich damals beim Radio gelernt habe. Natürlich muss man auch mal Sachen verkaufen, die gebucht wurden, aber auch dabei sollte man immer diese Natürlichkeit behalten.

Gemeinsam mit Jerry Gstöttner bist du nun fester Bestandteil der Bayern 3 Frühaufdreher und moderierst die Show 14-tägig im Wechsel. Was fasziniert dich an einer Morning Show?

Jacqueline: Die Morning Show an sich ist im Radio der Olymp. Die Sendung, in die du es irgendwann mal schaffen solltest, heißt es. Mir geht es nicht um Hörerzahlen, ob das jetzt eine halbe Million mehr sind oder nicht. Ich finde es schön, dass du in der Früh die Möglichkeit hast, wirklich mit den Leuten reinzustarten in den Tag. Du weißt, wo du jeden abholst. Am Nachmittag ist es anders: Kommt jemand gerade aus der Arbeit oder macht schon seit drei Stunden Hausaufgaben? Da ist etwas anderes gefordert, da wollen die Leute vielleicht auch mehr in eine Talk-Richtung gehen. Am Morgen ist die Zielgruppe spitzer, weil die Leute gerade alle aufstehen.

Was ist für dich der wichtigste Aspekt bei der Gestaltung einer Morning Show?

Jacqueline: Dadurch, dass wir die BAYERN 3 Frühaufdreher in zwei Teams aufgeteilt haben, müssen wir gut zusammenpassen. Bei einer Morningshow musst du die richtige Kombination haben aus Leichtigkeit vermitteln und die Hörerinnen und Hörer informieren. Du musst ernste Themen so anpacken können, dass sie in die morgendliche Befindlichkeit reinpassen. Ich bin ein Fan davon, dass es nicht zu übertrieben ist. Oft schalte ich eine Morning Show ein und bin dann wie erschlagen. Was ist los bei euch, was habt ihr eingenommen, dass ihr so drauf seid? Ein Stück weit kann man das schon verstehen, du stehst als Moderator schon um 3:30 Uhr auf und für dich ist dann um 7 Uhr, wenn die anderen Leute aufstehen, gefühlt schon fast Mittag. Ich mag das eher so in die Richtung: Es unterhalten sich zwei Menschen, die sich gern mögen, und du kannst zuhören.

Das Lebensgefühl Radio über Social Media vermitteln

 

Du hast das frühe Aufstehen schon angesprochen, wie läuft der Tag als Morning-Show-Moderatorin ab?

Jacqueline: Wir haben oft nach der Morning Show noch Interviews, die aufgezeichnet werden müssen, weil die Interviewpartner nur zu diesem Zeitpunkt können. Danach haben wir Redaktionssitzung, da kriegen wir dann tatsächlich jeden Tag Feedback  zur Sendung und besprechen den nächsten Tag. Für den normalen Morning-Show-Moderator ist meist gegen 11 Uhr Schluss. Ich mache ja zum Beispiel auch noch einen Podcast und kümmere mich um den BAYERN-3-Instagram-Account. Da kann es sein, dass ich bis nachmittags im Sender bin.

Wie macht man Social Media für einen Radiosender?

Jacqueline: Im Vorfeld stand die Überlegung: Was hat ein Radiosender? Eine Klamottenmarke hat ihre Klamotten, uns gehört aber die Musik nicht. Wir haben nur ein Lebensgefühl, ein Wohnzimmer für die Leute, das wir ihnen geben können. Wie vermittelst du sowas nur über Texttafeln? Social Media funktioniert nunmal so, dass du einer Person folgst. Bei BAYERN 3 bin ich das. Mir hat es von Anfang an wahnsinnig viel Spaß gemacht, die Leute mitzunehmen und ihnen zu zeigen, was privat bei mir los ist, was vielleicht gar nichts mit meinem Job zu tun hat, aber die Zielgruppe, die BAYERN 3 ansprechen will, eben auch betrifft. Das hat sich in den letzten fünf Jahren bewährt.

Foto: Markus Konvalin (Bayerischer Rundfunk)

Nutzt du den Account auch für die direkte Kommunikation mit den Hörer:innen?

Jacqueline: Ja, auf jeden Fall. Seitdem ich bei Instagram für BAYERN 3 aktiv bin, verstehe ich die Hörerinnen und Hörer ganz anders und habe einen ganz anderen Draht zu ihnen. Früher hast du beim Radio immer eine Distanz gehabt. Du standest in deinem Studio und hast gesendet, vielleicht hat dir jemand eine Mail geschrieben oder dich angerufen. Über WhatsApp war es erstmals so, dass du das Gefühl hattest, die Leute können direkt mit dir kommunizieren. Instagram ist noch mal einen Schritt weiter, weil du wirklich nah an ihnen dran bist. Ich habe zum Beispiel schon mit den Leuten gepuzzelt oder mit ihnen Sport gemacht. Und kannst sie direkt nach Ideen für Geburtstagsgeschenke oder Ähnliches fragen. Deswegen ist das für mich als Moderatorin ein total schönes Tool, weil ich meine Hörerinnen und Hörer einfach besser verstehe.

Jacqueline Belle: Frauen müssen mehr in Konflikte gehen und ihre Meinung sagen

 

Sowohl durch deine Arbeit am Mikro als auch durch Social Media gehörst du zu den präsentesten Frauen im deutschen Radio. Wie bewertest du die Rolle von Frauen in der deutschen Radiolandschaft allgemein?

Jacqueline: Auf den Lokalrundfunktagen kam eine Frau auf mich zu, nachdem ich auf einem Panel zu Frauen in Führungspositionen im Radio saß. Die Dame  sagte, wie toll es ist, dass ich im Radio nicht nur über den schlechten Witz des Moderators lache und das Wetter vorlese, sondern eine Moderatorin mit einer Meinung bin. In dem Moment habe ich realisiert, dass das für mich tatsächlich normal ist. Ich bin seit acht Jahren bei BAYERN 3 und wurde immer in diese Richtung gepusht. Erst von meinem Chef, jetzt von meiner Chefin. Es hieß  schon immer: Du bist ein starker Host und wir wollen nicht, dass du einfach nur über einen Witz lachst. Jerry und ich waren also schon immer in unserer Sendung gleichberechtigt. Aber wenn man ein bisschen mehr reinhört in die Radiolandschaft, ist es tatsächlich oft noch genau dieses alte Rollenbild. Wie oft gibt es Frauen, die eine Sendung wirklich alleine hosten oder zwei Frauen, die zusammen eine Sendung machen? Von bigFM abgesehen gibt es nicht viele Radiostationen, die sich das trauen. Das finde ich richtig schade und da müssen wir noch ausbauen. Wir müssen Frauen Selbstbewusstsein mitgeben und schon früh in der Ausbildung beibringen, auch in Konflikt zu gehen und ihre Meinung zu sagen.

Als Radiomoderatorin, Podcast-Host und Synchronsprecherin deckst du so ziemlich alle Bereiche der Audio-Branche ab. Könntest du dich für eine der Tätigkeiten entscheiden, wenn du müsstest?

Jacqueline: Nein, ich könnte mich nicht entscheiden. Das liebe ich so an meinem Leben, dass ich immer Abwechslung habe. Mir gibt das so viel beim Radio ich zu sein und keine Rolle spielen zu müssen. Beim Synchronsprechen wiederum kann ich zum Beispiel die liebende Mutter oder der Bösewicht sein. Auch Podcast macht mir viel Spaß, also könnte ich mich nicht für einen Bereich entscheiden.

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