Katja Wildermuth: „Ausspielwege ändern sich, die inhaltliche Kompetenz bleibt”

Von Nina Brandtner

Ein erstes Fazit, eine langfristige Vision: BR-Intendantin Katja Wildermuth im Interview / Foto: BR

Seit Februar 2021 steht Dr. Katja Wildermuth als Intendantin an der Spitze des Bayerischen Rundfunks (BR). Am Rande der Medientage München sprach sie mit XPLR: MEDIA in Bavaria darüber, wie sie Innovationen beim BR vorantreiben will, warum man dort künftig nach dem Konzept „Content bestimmt die Arbeitsweise” handelt und wie ihre langfristige Vision für die Landesrundfunkanstalt aussieht.

Frau Wildermuth, wie müssen Medienunternehmen aufgestellt sein, um innovativ zu bleiben?

Katja Wildermuth: Wir befinden uns in einer Zeit von ganz tiefgreifendem Wandel. Die Digitalisierung hat Einzug gehalten und verändert unsere ganze Welt, auch die Medienwelt, vor allem aber unsere Kommunikationsformen. Und in den letzten zwei Jahren haben wir gesehen, dass sich das alles durch Corona noch einmal beschleunigt hat. Als Medienhäuser müssen wir diese Entwicklung genau beobachten und unsere Stärken im Blick behalten. Das gilt besonders für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der in den zwei Krisenjahren so gefragt war wie nie in Sachen Informationskompetenz, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Aber wir müssen gleichzeitig innovativ sein, was Formate und die Frage angeht: „Wie bringen wir die starken Inhalte auch anderen, neuen Zielgruppen nah?”

Die Umstrukturierung des Senders weg von einer Sortierung nach Ausspielwegen hin zu crossmedialen Einheiten ist richtig.“

Wie sieht die Antwort des BR auf diese Frage aus?

Wildermuth: In den vergangenen Jahren haben wir bereits einige erfolgreiche Projekte gestartet. Zum Beispiel die „News-WG”, wo junge Leute auf Instagram aktuelle politische Nachrichten diskutieren und erklären. Wir haben einen Klavier-Podcast mit Igor Levit, der einen niederschwelligen Einstieg in das Werk Beethovens oder in große Symphonien bietet, das Projekt @ichbinsophiescholl mit dem SWR, das die letzten Monate im Leben der Widerstandskämpferin auf Instagram nacherlebbar macht, und viele weitere Beispiele dieser Art. Wir müssen immer wieder fragen: „Was sind die Themen, die die unterschiedlichen Zielgruppen beschäftigen, und wie können wir darauf antworten?” Das müssen wir basierend auf unseren starken Inhalten tun, aber mit neuen Erzählformen.

Mit „BR hoch drei” hat der BR bereits einen wichtigen Grundstein in Richtung multimediales Medienhaus gelegt. Was sind Ihre Pläne, um diesen Weg weiter voranzutreiben?

Wildermuth: Die Idee hinter „BR hoch drei” und der Umstrukturierung des Senders weg von einer Sortierung nach Ausspielwegen hin zu crossmedialen Einheiten ist deswegen richtig, weil wir merken: Am Ende des Tages ändern sich die Ausspielwege, aber die inhaltliche Kompetenz bleibt. Durch die Umstrukturierung haben in unserem Haus viele zusammengefunden, die früher überhaupt nichts miteinander zu tun hatten, weil sie entweder nur Fernsehen, nur Radio oder nur Online gemacht haben. Heute haben wir zahlreiche Reporterinnen und Reporter, die ihre Themen für alle Ausspielwege gleichermaßen aufbereiten können. Organisatorisch ist der crossmediale Umbau schon abgeschlossen. Der Schlussstein wird sein, dass so gut wie alle Redaktionen in unserem Campus in Freimann zusammenziehen, wo nach der Idee „Content bestimmt die Arbeitsweise” sortiert und gearbeitet werden wird.

Der BR bringt eine Stabilität in demokratische Diskurse, die in Zeiten von Social Media mit Phänomenen wie Echokammern bis Filterblasen besonders wichtig ist.

Ein Blick in die Zukunft: Was ist Ihre langfristige Vision für den BR?

Wildermuth: Die Vision für den BR ist und muss sein, dass eine ganz deutliche Mehrheit der Menschen in Bayern sagt: „Es ist gut, dass es den Bayerischen Rundfunk gibt.” Und: „Dafür bezahlen wir auch gerne unseren Beitrag.” Die Menschen sollen verstehen, dass wir etwas bieten, was andere so nicht bieten können: ökonomisch unabhängigen, unparteiischen, sauberen Journalismus, für den zweite Quellen recherchiert werden, bei dem eine zweite Meinung angehört wird, wo Vielfalt und Einordnung gegeben sind. Der BR ist für jeden persönlich wertvoll, weil man ordentlich recherchierte Fakten bekommt, auf die man sich verlassen kann. Aber auch für die Gesellschaft, weil er mit seiner Berichterstattung eine Stabilität in demokratische Diskurse bringt, die in Zeiten von Social Media mit den bekannten Phänomenen von Echokammern bis Filterblasen besonders wichtig ist.

„Es ist unsere Verantwortung als öffentlich-rechtlicher Anbieter, auch mit kleinen, unabhängigen Produzentinnen und Produzenten zusammenzuarbeiten.

Was wünschen Sie sich für das Unternehmen selbst?

Wildermuth: Eine Fortsetzung dessen, was wir in den letzten beiden Jahren schon gelernt haben: eine flexible, moderne Unternehmenskultur, Kreativität und dass wir, wenn sich Dinge ändern, diese Veränderung umarmen und fragen: „Was machen wir daraus?” Ich wünsche mir, dass wir den Spirit, den wir in der Coronapandemie zeigen mussten, beibehalten. Aber auch, dass wir als Unternehmen unserer Verantwortung in der Gesellschaft gerecht werden. Einerseits als Arbeitgeber mit guten Arbeitsbedingungen, damit die Leute gerne in die Arbeit kommen. Andererseits in Bereichen wie Diversität oder Nachhaltigkeit. Wir sind als Bayerischer Rundfunk federführend im ARD-Nachhaltigkeitsboard, bündeln das Engagement der gesamten ARD auf diesem Feld. Bei uns im Haus haben wir bereits konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht, von der Einführung einer systematischen CO2-Messung bis zu ökologischen Standards bei der Produktion von Filmen und Serien.

Sie sind seit neun Monaten im Amt. Können Sie schon ein erstes Fazit ziehen?

Wildermuth: Mein Fazit ist ganz wunderbar. Ich habe noch mehr tolle Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, als ich gehofft hatte. Da ist viel Identifikation vorhanden mit dem, was wir tun, viel Kreativität, der Wunsch, Eigenverantwortung zu übernehmen und nach vorne zu gehen. Das stelle ich bei jedem neuen Redaktionsbesuch fest. Auch die Menschen in der Produktion und Verwaltung zeigen eine Offenheit gegenüber Neuem und eine Kreativität, wie man bestimmte Dinge angehen kann.

München ist für Sie „ein Stückchen nach Hause kommen”. Wie nehmen Sie den Standort wahr?

Wildermuth: Der Medienstandort Bayern und München ist in seiner Vielfalt und seinem Niveau einzigartig. Wir haben technische Anbieter, wir haben Anbieter von Infrastruktur und Verbreitungswegen, wir haben Kanälebetreiber und wir haben natürlich ganz viele Inhalte-Anbieter. Für uns sind sie alle gleichermaßen wichtig.

Ist der Standort in Ihren Augen innovativ?

Wildermuth: In den letzten zwei, drei Jahren haben wir durch die Streaming-Anbieter an Konzentration am Medienstandort gewonnen. Es gibt immer mehr starke, große Produzenten, zum Beispiel im fiktionalen und seriellen Bereich. Das ist eine tolle Entwicklung. Gleichzeitig ist es auch unsere Verantwortung als öffentlich-rechtlicher Anbieter, dass wir mit den kleinen, unabhängigen Produzentinnen und Produzenten zusammenarbeiten. Auch da spüre ich eine große Kreativität im Videobereich. Was auch immer stärker wird, ist der Audio-Bereich, Stichwort Podcast, da gibt es inzwischen viele freie Produzentinnen und Produzenten, und auch hier herrscht eine große Kreativität, die uns in der Zusammenarbeit gut tut.

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