Foto: Stella Traub
Laura Terberl von der SZ: „Praktisch für die Rush Hour des Lebens“
Viele kennen sie als Stimme des Wirecard-Podcasts „1,9 Milliarden Lügen“. Laura Terberl leitet das Audio- und Video-Team bei der Süddeutschen Zeitung. Wir sprachen mit ihr über den Audio-Boom, die Podcast-Strategie der SZ und wie aus Hörer:innen Leser:innen werden.
Frau Terberl, was ist gerade #1 auf Ihrer Podcast-Playlist?
Laura Terberl: Ich habe einen Tipp von einer Kollegin bekommen, der mir gut gefällt: „Wiser than me“ mit Julia Dreyfus. (Anm. d. Redaktion: Die Schauspielerin interviewt wöchentlich ihre älteren, weiseren Kolleginnen.) Dann höre ich viel zu Führungsthemen, etwa den Better Leaders Podcast von Anita Zielina und PodTalk von OMR. Vom Spiegel habe ich „Putins Krieg im Netz“ gehört und „Der Rest ist Geschichte“ vom Deutschlandfunk.
Warum boomt Audio?
Terberl: Wir werden uns immer bewusster, wie oft wir aufs Handy schauen. Wie viel Screentime wir haben und dabei gleichzeitig super busy sind. Wir merken, dass Menschen es praktisch finden, Podcasts zu hören, wenn sie irgendwas anderes tun. Wenn sie zur Arbeit fahren oder die Wohnung putzen. Viele Eltern hören uns auch, wenn sie die Kinder ins Bett bringen und dann immer noch neben dem Bett sitzen, bis das Kind eingeschlafen ist. Situationen, in denen Bildschirme weniger, Podcasts aber gut passen. Dabei sind sie personalisierter und mehr on-Demand als Radio.
Als größtenteils textbasiertes Produkt, haben wir natürlich Kund:innen, die grundsätzlich keine Podcasts hören, die Informationen lieber lesend aufnehmen. Für Menschen, die in der Rush Hour des Lebens sind, sind Podcasts einfach praktisch. Sie fühlen sich den Hosts verbunden, diese parasoziale Beziehung ist eine stärkere als bei Text. Ich glaube, dass auch deshalb Podcasts immer beliebter werden.
SZ-Podcast-Strategie: Die richtigen Themen und ein drei-Säulen-Modell
Welche Themen eignen sich als Podcast?
Terberl: Das ist gar nicht so einfach. Bei Wirecard zum Beispiel waren wir anfangs sogar eher skeptisch: Wir wussten, wir können nicht mit Marsalek selbst sprechen, wir können nicht mit Braun sprechen, wir mussten viele Stellvertreter:innen als Protagonist:innen nutzen.
Wir überlegen vorher genau, ob eine Story über viele Folgen trägt. Welche Möglichkeiten es gibt, einen Spannungsbogen zu erzeugen. Ob ein Cliffhanger in der ersten Folge funktioniert. Haben wir etwas Neues herausgefunden? Können wir mit der Geschichte etwas Größeres über unsere Gesellschaft erzählen? Gibt es eine Relevanz, die über die eigentliche Geschichte hinausgeht? Das hat bei Wirecard sehr gut funktioniert. Obwohl Marsalek nicht im On zu hören ist, kreist die Geschichte immer um ihn als mysteriösen Antagonisten.
Hat eine Geschichte zu viele verschiedene Aspekte, muss man aufpassen, ob die Storyline noch straight ist. Man darf nicht aus dem Auge verlieren, wo die Reise eigentlich hingehen soll. Also fragen wir uns immer, ob es nur ein interessantes Thema ist oder eben eine wirklich spannende Geschichte.
Was funktioniert am besten? Serien, Monothematisches oder Nachrichten?
Terberl: Bei unserer Podcast-Strategie setzen wir auf drei Säulen: Free Podcasts erscheinen auf allen Plattformen. Unser Ziel ist hier Reichweite. Wir wollen möglichst viele Leute erreichen, möglichst viele Zielgruppen, und versuchen das über Werbevermarktung zu finanzieren. Da funktionieren Formate wie „Auf den Punkt“ sehr gut. Der Nachrichten-Podcast wird jeden Tag sehr ritualisiert gehört. Dann machen wir bezahlte Auftragsproduktionen und arbeiten mit anderen Plattformen, wie etwa Spotify zusammen. Bei den SZ-Plus-Podcasts ist es unser Ziel, neue Abonnent:innen für das SZ-Plus-Abo zu gewinnen. Da merken wir, dass zum Beispiel ein Cliffhanger in Folge 1 sehr wichtig ist.
Laura Terberl: Reichweite aufbauen geht nur mit langem Atem
Reden wir über Geld. Lohnt sich das?
Terberl: Erfolg bewerten wir nicht nur finanziell. Denn das ist bei unseren kostenlosen Formaten schwieriger zu ermitteln. Bei Auftragsproduktionen haben wir eine klare Wirtschaftlichkeitsrechnung. Bei unseren SZ-Plus-Podcasts zählen wir die Conversions, hier setzen wir auf Bestandskundenpflege und neue Abonnent:innen. Wir merken auf jeden Fall, dass unsere Podcasts einen Effekt haben, dass sie auf unsere Ziele einzahlen. Bis jetzt sind wir mit der Performance sehr zufrieden. Man braucht aber auf jeden Fall einen langen Atem. Podcasts gehen selten viral. Wer schnell Reichweite aufbauen will, ist mit Video besser bedient. Bei Podcasts steigt die Kurve nicht steil, sondern stetig. Es dauert, bis ein erfolgreicher Podcast-Kanal zu einer eigenen Plattform wird, auf der es sich lohnt, Cross-Promotions für andere Produkte zu machen.
Welchen Anteil spielen Podcasts an der SZ-Strategie?
Terberl: Unser großes Ziel ist, mehr Abonnent:innen für SZ-Plus zu gewinnen. Wir wollen unsere bestehenden Abonnent:innen halten und neue, jüngere Zielgruppen erreichen. Bei Podcasts beobachten wir, dass unsere Nutzer:innen jünger sind als bei anderen SZ-Produkten und sie uns immer häufiger durch Podcasts kennen. Das freut mich natürlich, wenn wir den ersten Markenkontakt aufbauen konnten. Intern sind wir mit unseren Print- und Digital-Kolleg:innen intensiv im Austausch. Vor allem aus dem Investigativ-Team bekommen wir viele Themenvorschläge. Bei den größeren Dokus binden wir die Expert:innen aus den Fachressorts eng in den Skriptprozess ein.
Wie geht es weiter?
Terberl: Wir haben noch zwei Dokumentationen in Arbeit, die wir im Laufe des Jahres veröffentlichen. Wir überlegen, ob wir unseren Free-Bereich vergrößern wollen. Im Vergleich zu Mitbewerbern haben wir ja ein eher kleines Portfolio. Und wir prüfen, was wir mit weiteren Kooperationspartnern machen könnten. Potenzial sehe ich in Geschichtsthemen. Da gibt es zwar schon viel. Ich finde aber, hier ließe sich mit dramaturgischen Mitteln und hochwertiger Produktion noch ein Unterschied machen. Ich würde auch gern mit schnelleren Formaten experimentieren, die zwischen Interview und aufwändigem Storytelling liegen. Ein paar Ideen hätten wir schon, mehr kann ich leider noch nicht verraten.
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