Pascale Vigener von TERRITORY: „Authentizität ist die neue Währung”

Von Florentina Czerny
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Foto: TERRITORY

Ohne Social Media geht heute nichts mehr – das wissen seit vielen Jahren auch Unternehmen, die gerne mit Influencer:innen kooperieren. Neu ist, dass es auf den Plattformen immer mehr virtuelle KI-Influencer:innen gibt. Pascale Vigener ist bei TERRITORY in München für den Bereich Influencer-Marketing tätig und verrät im Interview, wie KI den Markt verändert.

Frau Vigener, was ist eigentlich ein:e KI-Influencer:in?

Pascale Vigener: Ein:e KI-Influencer:in ist ein digitaler, computer-animierter Charakter. Man unterscheidet hier zwischen markenerstellten Charakteren, also Avataren, die von einer bestimmten Marke entwickelt wurden und nur deren Interessen vertritt, und unabhängigen Charakteren. Es gibt verschiedene Erscheinungsformen von KI-Influencer:innen, von animierten Avataren, die puppenähnlich sind oder Fantasiewesen und Tieren, bis hin zu menschenähnlichen, realistisch aussenden Influencer:innen. Eine sehr bekannte virtuelle Influencerin ist zum Beispiel @lilmiquela. Sie präsentiert sich als eigene, unabhängige Persönlichkeit, die von Marken gebucht werden kann. Dahinter steckt natürlich ein Unternehmen bzw. eine Person, die die KI-Influencerin entwickelt hat. Teilweise haben KI-Influencer:innen Millionen Follower:innen – der asiatische Markt ist hier absoluter Vorreiter, aber auch in den USA gibt es schon sehr viele virtuelle Influencer:innen. Auch in Europa füllt sich der Markt immer mehr. Wir verfolgen die Entwicklung genau, um unser Angebot an die Nachfrage unserer Kunden anzupassen.

Das heißt, uns werden KI-Influencer:innen auch in Europa in den nächsten Jahren immer mehr im Netz begegnen?

Vigener: Man merkt schon, dass sich auch in Europa einiges tut. KI-generierte Social Media Profile begegnen auch uns im Alltag immer häufiger. Einige Marken, auch sehr große Marken, setzen bereits Kampagnen mit virtuellen Influencer:innen um. Unsere Kunden betrachten das Thema jedoch nach wie vor eher vorsichtig. Klassische Kooperationen mit Nano-, Mikro-, Makro- und Star-Influencer:innen stehen weiterhin klar im Fokus. Nano- und Mikro-Influencer:innen haben noch vergleichsweise kleine Followerzahlen und sind deshalb oft im Unpaid-Bereich. Das heißt, sie werden bei Kooperationen mit Produkten ausgestattet, die sie testen und weiterempfehlen sollen. Makros sind professionellere Content Creators, die meist bezahlte Partnerschaften haben. Stars sind Gesichter, die eine große Bekanntheit genießen.

Wir sind davon überzeugt, dass Authentizität die neue Währung wird. Nur wenn Influencer:innen authentisch sind, sind sie für ihre Community auch glaubhaft.

Betrachten wir das Business einmal aus Sicht der realen Influencer:innen selbst – wohin könnte sich ihr Geschäftsmodell in Zukunft entwickeln?

Vigener: Zum einen setzen reale Influencer:innen schon KI ein, um ihren Content zu animieren, zu übersetzen usw. Ich könnte mir zudem vorstellen, dass echte Influencer:innen zukünftig einen zweiten, virtuellen Charakter anbieten. Damit könnten sie sich sozusagen zweimal darstellen und somit mehr Kampagnen und Jobs in der gleichen Zeit umsetzen. Nehmen wir ein Beispiel: Taylor Swift. Die ist als Star-Influencerin unfassbar teuer. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Taylor Swift irgendwann einen zweiten Charakter entwickelt, der rein virtuell auftritt und den eine Brand buchen könnte. Für Kunden hätte dieses Konzept den Vorteil, dass die virtuelle Taylor eine günstigere Markenbotschafterin als die echte Taylor sein könnte.

Welche Risiken oder Gefahren birgt KI-Influencer-Marketing?

Vigener: Ein großes Thema ist zum Beispiel das perfekte Schönheitsideal im Beauty-Bereich. Gerade wenn virtuelle Influencer:innen sehr real dargestellt werden, ist es unheimlich wichtig zu kommunizieren und zu kennzeichnen, dass sie KI-generiert sind, um kein verzerrtes Bild nach außen zu transportieren. Das gilt auch für das Thema Deepfakes. Oft ist nicht ersichtlich, wer hinter einer:m virtuellen Influencer:in steckt und User:innen wissen nicht, mit wem sie es eigentlich zu tun haben. Das Business wird in Zukunft vermutlich immer größer werden und man muss lernen – das gilt auch für uns als Agentur –, wie man selektiert.

Welche Charaktereigenschaften muss ein:e KI-Influencer:in haben, um gut anzukommen?

Vigener: Das ist schwer zu pauschalisieren, denn reale Influencer:innen werden wegen ihres ganz eigenen Typs, ihrer individuellen Tonalität und bestimmten Charaktereigenschaften gebucht. Ähnlich divers wird der Content von KI-Influencer:innen vielleicht auch sein. Aber auch hier ist es schwierig, Prognosen zu erstellen – aktuell ist eine super spannende Zeit, weil sich der Markt gerade erst entwickelt.

Immer mehr KI-generierter Content „überschwemmt“ die Plattformen

 

Wie viel Content in den Sozialen Medien ist bereits KI-generiert?

Vigener: Eine genaue Aussage zu treffen, ist schwer. Man sieht anhand von Studien, dass immer mehr KI-generierter Content die Plattformen überschwemmt. Was immer wichtiger wird, ist die Transparenz. Wir als User:innen sind teilweise überhaupt nicht mehr in der Lage, KI-generierten von echtem Content zu unterscheiden. Die Plattformen haben schon angefangen, darauf zu reagieren, indem sie die Möglichkeit einer Kennzeichnung bieten. Es gibt seit Anfang des Jahres mit dem European AI Act auch eine neue rechtliche Richtlinie, also auch die Gesetzgeber beschäftigen sich mit dem Thema.

Wie beeinflusst diese Flut an KI-generiertem Content die Arbeit von echten Influencer:innen?

Vigener: Je mehr Content auf die Plattformen gespielt wird, desto relevanter wird die Frage: Wem gebe ich als User:in meine Aufmerksamkeit? Authentizität ist hier ein wichtiger Entscheidungsfaktor. Und sie ist ja auch der Kern-Benefit von Influencer-Marketing. Dass so viel KI-generierter Content veröffentlicht wird, kann für Influencer:innen auch eine Chance sein: Gerade Nano- oder Mikro-Influencer:innen werden gerade immer gefragter. Man merkt, dass viele User:innen gerade jetzt auf der Suche nach kleineren, authentischen Social-Media-Kanälen sind, denn diese sind nahe in ihrer Community und gehen noch in den direkten Austausch. Die Follower:innen haben dadurch das Gefühl, diese Person zu kennen und nehmen Empfehlungen von ihr viel eher an. Die Plattformen selbst haben auch ein Interesse daran, dass KI-generierter Content ausgewiesen wird. So erkennt Instagram beispielsweise KI-generiertes Bildmaterial und markiert es sichtbar für die Follower:innen.

Communities auf Social Media wissen Authentizität bei Influencer:innen zu schätzen

 

Inwiefern ändert Künstliche Intelligenz die Arbeit für euch als Agentur?

Vigener: Sie beeinflusst uns in drei Bereichen. Zum einen arbeiten wir mit KI-basierten Tools, um effizienter zu werden, etwa in der Selektion, in der Analyse oder im Reporting. In diesem Fall ist KI für uns ein nützliches Werkzeug, das uns effektiver und kreativer machen kann. Zudem könnten wir künftig unser Portfolio um diesen fünften, virtuellen Influencertypen erweitern und unseren Kunden somit ein größeres Angebot unterbreiten. Und schlussendlich geht es für uns auch um die Frage, ob wir irgendwann selbst Avatare erstellen werden. Das wäre für uns auch etwas Neues und wir müssten erst einmal lernen: Wie geht man da vor? Mit welchen Unternehmen arbeitet man für die Erstellung von KI-Influencer:innen zusammen?

Wie wird sich durch den Einsatz von KI-Influencern das Nutzerverhalten auf den Sozialen Plattformen ändern?

Vigener: Wir sind davon überzeugt, dass Authentizität die neue Währung wird. Nur wenn Influencer:innen authentisch sind, sind sie für ihre Community auch glaubhaft. Anhand langer Kooperationen mit Nano- und Mikro-Influencer:innen merken wir, dass ihre Inhalte ankommen, und glauben, dass sich das noch festigen wird. Vielleicht müssen sich reale Influencer:innen in Zukunft sogar noch fehlbarer, menschlicher zeigen, um sich von virtuellen Influencer:innen abzusetzen.

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