Robert Wildgruber von Der Hörverlag: Von Stimmen, die berühren

Von Dr. André Gärisch
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Foto: Dominik Rößler

Robert Wildgruber schafft Erlebnisse für die Ohren. Als Verlagsleiter leitet er die zu Penguin Random House gehörenden Hörbuchverlage Der Hörverlag, cbj audio und Random House Audio. Im Interview spricht er darüber, welche Genres sich am besten für Hörbücher eignen, was gute Sprecher:innen ausmacht und welche Rolle Podcasts in der Vertriebsstrategie spielen.

Herr Wildgruber, Studien zeigen, dass die Aufmerksamkeitsspanne immer weiter sinkt. Haben Sie sich schon einmal dabei erwischt, ein Hörbuch extrem früh abzubrechen und sich anschließend über Ihre mangelnde Geduld geärgert?

Robert Wildgruber: Ich könnte jetzt mit einem Augenzwinkern sagen, dass ich nicht mit Social Media aufgewachsen bin und deshalb reichlich Geduld mitbringe. Privat lasse ich mich aber einfach aus einem persönlichen Interesse heraus gerne auf Hörbücher ein, am liebsten auf langen Autofahrten. Im Arbeitsalltag, mit der Vielzahl an Produktionen und der begrenzten Zeit, schaffe ich es jedoch selten, ein Hörbuch komplett zu hören. Meistens bleibt es bei kurzen Stichproben.

Wie beeinflusst die kürzere Aufmerksamkeitsspanne die Produktion von Hörbüchern?

Wildgruber: Daran orientieren wir uns nicht. Wer Hörbücher hört, nimmt sich bewusst Zeit, um in fremde Welten einzutauchen. Das gesprochene Wort wirkt ohnehin persönlicher und eindringlicher als das geschriebene. Gute Sprecher:innen bauen diesen Vorteil weiter aus. Sie lesen nicht einfach vor, sondern interpretieren den Text und bannen die Zuhörer:innen – das war allerdings schon immer so, nicht erst seit der sinkenden Aufmerksamkeitsspanne.

„Eine Stimme mit außergewöhnlicher Ausstrahlung funktioniert für jedes Genre

 

Hängt es vom Genre ab, was eine gute Stimme ausmacht? Gibt es zum Beispiel spezielle Thriller- oder Liebesroman-Stimmen?

Wildgruber: In einem gewissen Maße vielleicht schon, aber eine Stimme mit außergewöhnlicher Ausstrahlung funktioniert eigentlich für jedes Genre. Zudem bereiten sich professionelle Sprecher:innen intensiv vor, indem sie einen Text mehrfach lesen, relevante Stellen markieren und sich akustische Färbungen für Figuren und Situationen überlegen. Im Resultat verleihen sie einem Text – unabhängig vom Genre – einen eigenen stimmlichen Charakter.

Sollten Autor:innen ihr Werk bestenfalls selbst einlesen?

Wildgruber: Es kommt darauf an. Nehmen wir Jan Weiler als Beispiel: Er ist ein ausgezeichneter Interpret seiner eigenen Texte, die er mit viel Herzblut schreibt und mit ebenso viel Leidenschaft präsentiert – innerhalb weniger Minuten erzeugt er eine besondere Atmosphäre, der man sich kaum entziehen kann. Diese Präsenz ist eine seltene Gabe, die nicht jede:r Autor:in mitbringt und auch nicht mitbringen muss. Dafür gibt es ja schließlich professionelle Sprecher:innen.

Künstliche Intelligenz entwickelt sich im Bereich der Stimmensimulation rasant weiter. Glauben Sie, dass KI eines Tages menschliche Sprecher:innen im Hörbuchbereich ersetzen könnte?

Wildgruber: Für belletristische Werke ist KI derzeit keine echte Alternative, da die Stimmen oft monoton klingen und menschliche Eigenheiten wie Pausen, Atmung und glaubwürdige Emotionen fehlen. Auch Feinheiten wie Ironie oder Zynismus erfasst die KI nicht. Potenziale sehe ich perspektivisch eher in der Vertonung von Fach- und Sachbüchern oder bei der Korrektur von Versprechern.

Menschen haben das Bedürfnis, Dinge zu besitzen, für die sie schwärmen – auch und gerade wenn es sich um fiktionale Welten handelt. Bei bestimmten Produktionen bieten wir daher Fan-Boxen an, die zum Beispiel Autogrammkarten oder Character Cards enthalten.

Welche Stoffe eignen sich besonders gut für Hörbücher?

Wildgruber: Unterhaltung und Spannung, wie in Krimis oder Thrillern, kommen akustisch perfekt zur Geltung. Grundsätzlich eignet sich aber fast jedes Genre für ein Hörbuch, außer vielleicht Kochbücher, bei denen man ständig zurückspulen müsste, und Fachbücher mit sehr vielen Zahlen und Tabellen, für die viel Zusatzmaterial nötig wäre.

Welche Vertriebskanäle sind die bedeutsamsten für Hörbücher?

Wildgruber: Digitale Downloadportale wie Audible spielen für uns eine zentrale Rolle, da wir Hörbücher dort zu einem festen Preis verkaufen können. Hörbuchproduktionen sind teuer und müssen entsprechend hohe Erlöse erzielen. Durch die Digitalisierung sind die Inhalte sofort zugänglich, was zeitgemäß und bequem für die Konsument:innen ist. Der CD-Verkauf hingegen sinkt seit Jahren.

„Menschen haben das Bedürfnis, Dinge zu besitzen, für die sie schwärmen

 

Wann wird die letzte Hörbuch-CD gepresst?

Wildgruber: Die CD wird zunehmend zum Nischenprodukt. Ihre Marktanteile könnten in den nächsten zwei bis drei Jahren um weitere 15 bis 20 Prozent schrumpfen. Ganz verschwinden wird sie in absehbarer Zeit jedoch nicht.

Sie bieten Hörspiele auch als Fan-Editionen mit exklusiven Fan-Artikeln an. Wie wichtig sind Merchandise-Produkte, um Konsument:innen zu binden?

Wildgruber: Sehr wichtig, besonders im Bereich Young Adult. Menschen haben das Bedürfnis, Dinge zu besitzen, für die sie schwärmen – auch und gerade wenn es sich um fiktionale Welten handelt. Bei bestimmten Produktionen bieten wir daher Fan-Boxen an, die zum Beispiel Autogrammkarten oder Character Cards enthalten. Diese haptischen Erweiterungen der Hörbuchwelt aktivieren andere Prozesse im Gehirn als die reine Akustik und stärken die emotionale Verbindung zur Marke.

Ein beliebtes Produkt von Der Hörverlag: Das Hörbuch „Munk“ von Jan Weiler.

Nicht nur Hörbücher gehören zur Produktpalette des Hörverlags: zum Beispiel Fanboxen wie diese.

Nicht nur Hörbücher gehören zur Produktpalette des Hörverlags: zum Beispiel Fanboxen wie diese.

Sie sind Verlagsleiter der drei Hörbuchverlage Der Hörverlag, cbj audio und Random House Audio, die zur Penguin Random House Verlagsgruppe gehören. Würden Sie uns auf eine kleine Reise durch Ihre berufliche Laufbahn mitnehmen und erzählen, über welche Stationen Sie zu dieser Position gekommen sind?

Wildgruber: Ich hatte Betriebswirtschaftslehre studiert und zunächst in einem Buchverlag gearbeitet. Vor fast 24 Jahren fragten mich dann die Gründer des Hörverlags, ob ich in das damals noch junge Unternehmen wechseln möchte. Dort begann ich als Leiter der Rechte- und Lizenzabteilung. Um weiter zu wachsen, wollten wir uns an ein größeres Verlagshaus anbinden und fanden mit Penguin Random House den idealen Partner. Ende 2015 wurde mir die Aufgabe übertragen, die dort angesiedelten Verlage cbj audio und Random House Audio zusammen mit dem Hörverlag zu leiten. Heute arbeiten die drei Verlage in vielen Bereichen eng zusammen, etwa in der Pressearbeit, im Rechtemanagement, im digitalen Vertrieb und im Lektorat. Das sorgt für Abwechslung und macht die Arbeit für das Team spannend.

Wie unterscheiden sich die Profile der drei Verlage?

Wildgruber: cbj audio ist unser Kinderprogramm, während der Hörverlag ein breites Spektrum abdeckt – von Klassikern über aktuelle Romane bis hin zu Sachbüchern. Random House Audio hat einen populäreren Schwerpunkt, mit starken Fantasy- und Krimi-Titeln. Die einzelnen Programme überschneiden sich zwar, aber das sind die grundlegenden Ausrichtungen der drei Verlage.

München ist Ihre Basis. Was ist für Sie der größte Vorteil dieses Standorts?

Wildgruber: Der größte Vorteil ist die ausgeprägte Medienlandschaft. Wir können direkt mit Journalist:innen, Agenturen und anderen Akteuren in Kontakt treten und Themen schnell forcieren. Natürlich sind wir deutschlandweit vernetzt und tauschen uns auch oft digital aus, aber persönliche Gespräche ermöglichen es, Projekte entschiedener voranzutreiben und das Vertrauen zu festigen.

Gute Ergänzung: Der Buchmarkt leistet wertvolle Vorarbeit für die Hörbuchbranche

 

Was können Buchverlage Ihrer Meinung nach von Hörbuchverlagen lernen?

Wildgruber: Buch- und Hörbuchverlage arbeiten sehr unterschiedlich. Der Aufwand, ein Buch zu begleiten und es einem Publikum überhaupt zugänglich zu machen, ist enorm, und diese Arbeit leisten Buchverlage hervorragend. Im nächsten Schritt kümmern wir uns um die professionelle Vertonung und den Vertrieb der Aufnahmen. Wir ergänzen uns daher eher, als dass wir direkt voneinander lernen oder in Konkurrenz stehen, weshalb ich mich mit Ratschlägen zurückhalten möchte.

Der Hörverlag war einer der ersten Verlage, der in aufwändige Podcast-Produktionen investierte, etwa mit den Serials „Der Abgrund“ von Melanie Raabe und „Rabbits“ von Terry Miles. Welche Chancen sehen Sie für Hörbuchverlage in diesem Medium?

Wildgruber: Podcasts beziehungsweise Podcast-Originals bieten ein großes Potenzial. Die Herausforderung besteht jedoch nach wie vor darin, die Inhalte zu monetarisieren. Serials umfassen in der Regel nur sechs oder sieben Folgen. Die meisten Werbekunden bevorzugen jedoch längerfristige Partnerschaften. Podcasts von Zeitschriften oder Talkformate mit Prominenten etwa, die regelmäßig neue Folgen über Monate und Jahre hinweg anbieten, haben hier einen Vorteil. Dennoch beobachten wir die Entwicklungen in diesem Segment genau und sind auch weiter hier aktiv.

Seit 2020 ist Stephan Joß Geschäftsführer von dtv. Im Interview spricht er darüber, welche Herausforderungen die Verlagsbranche prägen, welche Herausforderungen die Verlagsbranche prägen, wie sein Team neue Autor:innen entdeckt und ob sich E-Books noch durchsetzen werden.

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