Sebastian Heigl hat während des Studiums gemerkt, wo es ihm gefällt: hinter dem Mikrofon. Foto: egoFM
Sebastian Heigl über egoFM: „Wir trauen uns auch mal was“
Sebastian Heigl gehört als Leiter der Programmgestaltung und Moderator bei egoFM zu den jungen Kreativen in der Radiobranche. Damit aber nicht genug, Heigl ist auch Podcaster und Mitgründer des Ideen-Kollektivs Donkey Shot Entertainment für kreative Dienstleistungen im Audio-Bereich. Mit uns sprach er über seinen Weg in die Audio-Branche, warum ihn die Arbeit bei egoFM reizt und welche Tipps er für junge Medienschaffende hat.
Sebastian, du hast Soziologie, Kunst, Musik und Theater studiert, wieso hat es dich schließlich doch in den Audio-Bereich verschlagen?
Sebastian Heigl: Das ist doch der Klassiker, dass alle Medienschaffenden irgendwas mit Geisteswissenschaften studiert haben. Soziologie fand ich total interessant, ohne Ahnung von der Materie zu haben. Aber zur Soziologie gehört auch Statistik. Da war ich überhaupt nicht begabt und habe deshalb nach dem ersten Semester zum Nebenfach Kunst, Musik, Theater gewechselt. In Woche zwei meines Studiums habe ich geschaut, ob es Studenten-Radiosender in München gibt. Das hat mich schon immer interessiert. Ich habe eine Mail an M94.5 geschrieben, ohne zu wissen, worum es sich dabei eigentlich handelt. Noch am gleichen Tag bin ich auf eine Infoveranstaltung gegangen und wurde tatsächlich genommen.
Wie ging es danach weiter?
Heigl: Ich war erst in der Musikredaktion, dann Redakteur vom Dienst, danach Chef vom Dienst und habe nebenbei viel moderiert. Im ersten Jahr bekam man eine Ausbildung, in der journalistische Grundbegriffe, der Aufbau von Radiobeiträgen, Sprechtechniken, die Entwicklung von Radioprogrammen und Ähnliches vermittelt wurden. Zusätzlich hatte man einen festen Tag in der Woche, in der man im Sender mitgearbeitet hat. Ende 2019 wechselte ich zu egoFM, nachdem ich einen Anruf vom jetzigen Programmchef Fred Schreiber bekommen hatte. Er hat sich ein komplett neues Team zusammengestellt und meinte, dass er schon einiges von mir gehört hat und sich mit mir auf einen Kaffee treffen wollte. Dafür bin ich bis heute unheimlich dankbar.
Mit einem Podcast eine Community aufbauen
Ich höre also heraus, dass dein Einstieg in die Radiobranche mit M94.5 ein absoluter Glücksfall war?
Heigl: Ja, absolut! Das war tatsächlich damals immer die Abwägung: Gehe ich heute in ein Seminar bzw. eine Vorlesung oder fahre ich in den Sender und mache eine geile Radiosendung?
Bei M94.5 hast du dann auch gemeinsam mit Sebastian Glathe deinen ersten Podcast „Die Sebastians” umgesetzt. Damit wart ihr in Deutschland recht früh dran, wie war das für dich?
Heigl: Wir kamen auf den Gedanken einen Podcast zu machen, weil wir eine Radiosendung bei M94.5 moderiert haben, das „Katerfrühstück”. Wir wollten über die Sendung hinaus reden und unsere eigenen Inhalte gestalten. Dann haben wir beschlossen, das Projekt ins Internet zu verlegen. Wir haben die ersten Folgen bei YouTube und Soundcloud hochgeladen, denn es gab bei den ganzen Streamingdiensten noch keine Podcasts. Bei den Jüngeren kam das gut an, weil wir mit dem Fokus auf die Medien-Szene in München und dem Interview-Format mit die ersten waren.
Mir wurde damals von vielen älteren Kollegen immer wieder gesagt, dass München tot wäre, es keine Subkultur gäbe und alle coolen Leute nach Berlin gezogen seien. Für mich als Typ, frisch vom Dorf, der in München sowieso schon alles ziemlich geil fand, war das vollkommen unverständlich. Es gab eine Subkultur, man musste ihr nur Gehör verschaffen. Wir haben genau diese Leute in unseren Podcast eingeladen: junge Bands, Künstler:innen und Medienschaffende. Damit hatten wir Erfolg und haben eine richtige Community aufgebaut.
egoFM: Die journalistischen Standards hoch halten
Inzwischen bist du bei egoFM, wieso hat gerade dieser Sender dich als jungen Medienschaffenden überzeugt?
Heigl: Wenn man sich den Standort Süddeutschland anschaut, sticht egoFM heraus. Daneben gibt es in Baden-Württemberg DASDING und PULS beim BR. Da ich München nicht verlassen wollte und in meiner Jugend schon egoFM gehört habe, war die Wahl nicht schwer. Die Musik, das junge Team, die Innovativität und Kreativität und allein die Tatsache, dass die Moderator:innen hier nicht beim Nachnamen genannt werden, haben mich gereizt. Hier wird sich etwas getraut. Wir arbeiten durchgehend queer-freundlich, anti-sexistisch, anti-rassistisch und nachhaltig, sowohl auf der journalistischen Seite als auch bei der internen Zusammenarbeit.
Für einen Sender unserer Größe stemmen wir jede Woche mit Dreh auf das aktuelle Wochenthema bis zu drei Interviews. So habe ich zum Beispiel mit Jakob Amr, dem Sänger der Band Leoniden, spontan mal eine Sondersendung zu seinem Depressions-Outing geführt. Dazu kommen Interviews mit Musiker:innen und kürzere Beiträge. Trotz eines kleinen Teams und einem Musikschwerpunkt trauen wir uns zu, den redaktionellen Output und die journalistischen Standards jede Woche so hoch zu halten. Und gerade weil man sagt, dass Radio bei jungen Leuten ausstirbt, muss man sich als Sender mal etwas trauen, sowohl journalistisch als auch bei den Formaten.
Bei egoFM moderierst du samstags von 11 - 14 Uhr die Sendung „Downtown egoFM”. Wie bereitest du dich auf eine 3-Stunden-Show vor?
Heigl: Ich setze mich meistens Freitagmittag ins Produktionsstudio und schaue mir erstmal die geplante Playlist an und checke dann, wie viele Moderationsbreaks ich von der Redaktion eingetragen bekommen habe. Dann geht es darum, wie viele feste Rubriken in dieser Folge vorkommen, wie oft ich über die aktuelle egoFM-Themenwoche spreche und was tagesaktuell ist. Ganz wichtig ist aber immer die Playlist. Wo sind die neuen Titel, wann kommen die egoFM-Musiklieblinge und was ist in der Popkultur- und Musikwelt passiert, auf das ich Bezug nehmen kann? Ich bin bei egoFM außerdem auch noch als Springer für verschiedene Sendungen on Air.
Neben deiner Moderationstätigkeit bist du auch Leitung der Programmgestaltung. Was muss man sich darunter vorstellen?
Heigl: Es gibt im Radio das Was und das Wie, also die Inhalte und die Art und Weise, wie diese Inhalte verpackt werden. Dieses Wie wird von der Programmgestaltung erstellt. Wir haben zum Beispiel regelmäßig Themenwochen. Da gibt es kleine Trailerspots, die im Programm laufen, damit die Hörer:innen daran erinnert werden, in welchem Umfeld wir uns in dieser Woche thematisch befinden. Das kann alles sein, von Sketches von Gerhard Polt oder Loriot bis zu passenden Song-Refrains. Sowas konzipiere und schreibe ich und setze es dann mit unserem Produzenten um.
Daneben sind wir mit der Chefredaktion und Programmleitung für die Programmdramaturgie zuständig. Also wie soll das Programm für die kommende Woche aussehen, wie gestalten wir es langfristig, welche Aktionen sind geplant? Auch die Konzeption von neuen Podcasts oder Rubriken liegt bei uns. Ich habe dann die Projektleitung und koordiniere mit den anderen Abteilungen wie dem Sales oder der Musikredaktion. Im Endeffekt sind wir das Bindeglied zwischen allen Abteilungen, um Innovationen und neue Projekte umzusetzen.
Experimentiert ihr bei egoFM schon mit KI?
Heigl: Nicht ernsthaft. Mein Kollege Max Kelment von der „Metropol”-Sendung und ich haben uns von der KI einen Moderationstext schreiben lassen, eine Woche bevor Antenne Bayern die komplett automatisierte Sendung gemacht hat. Das hat eigentlich jeder Sender mal versucht. Im März waren KI-Los-Wochos, hatte ich das Gefühl. Natürlich reden wir intern weiterhin darüber, aber bei uns ist nach wie vor alles handmade. Ansonsten haben wir schon überlegt, ob uns das den Job rauben wird. Aber wir sind auf den Punkt gekommen, dass man das nicht so pessimistisch sehen darf, sondern als geiles neues Werkzeug, mit dem man coole Sachen machen kann.
Sebastian Heigl: Junge Menschen dürfen sich nicht ängstigen lassen
Du bist Mitte 20, hast diverse Podcasts gemacht, moderierst deine eigene Sendung bei einem großen Radiosender und hast mit Kolleg:innen das Kollektiv „Donkey Shot Entertainment” gegründet. Setzt dich der Erfolg auch mal unter Druck?
Heigl: Für mich ist die Frage, wie man Erfolg definiert. Bei meinem Start in der Radio-Branche habe ich mir gedacht: „Ich bin jung, ich bin hungrig, mir wurde von ein paar Leuten gesagt, dass ich meine Sache ganz gut mache, deshalb muss es jetzt knallen!” Ich habe mir großen Druck gemacht und mich mit Persönlichkeiten wie den Wolter-Zwillingen oder El Hotzo verglichen. Es ist für mich daher schwierig, etwas als Erfolg anzuerkennen. Aber ich bin sehr dankbar dafür, was ich machen darf. Generell macht man sich als junger Medienmensch entweder gar keinen Stress und chillt sein Leben, was ich sehr beneide, oder man macht sich zu viel Druck. Die Fälle dazwischen gibt es bestimmt auch, aber die sind rar gesät.
Auch in der Audiobranche ist der Fachkräftemangel ein Problem. Wie schwer ist es für junge Menschen, Fuß zu fassen? Hast du Tipps?
Heigl: Do it! Auch wenn man zu Beginn hinfällt, muss man unbedingt weitermachen. Man darf sich nicht von älteren Personen mit mehr Erfahrung zu schnell negativ reinreden lassen. Da schwingt oft Frustration mit. Die Branche ist schwierig, was Bezahlung und Festanstellungen angeht. Die Gehälter sind zum Teil leider aus der Luft gegriffen und Festanstellungen rar gesät. Davon darf man sich nicht ängstigen lassen. Dass gerade die öffentlich-rechtlichen Sender kaum Festanstellungen vergeben und freie Mitarbeiter häufig nur geringe Tagessätze bekommen, schreckt natürlich viele junge Menschen ab. Die machen dann Audio nicht hauptberuflich, sondern werden in ihrer Freizeit Podcaster.
Welche weiteren Pläne, Wünsche oder Ziele hast du für die Zukunft?
Heigl: Ich möchte mal eine Nachtsendung moderieren. Zum einen, weil ich diese Tageszeit als Moderator noch nie erlebt habe, und zum anderen, weil man da ein ganz anderes Publikum hat. Ich stelle mir da immer einsame Trucker auf der Autobahn vor, die keinen Bock mehr auf David Guetta haben und dann auf meine Show stoßen. Ich würde gerne mehr Live-Gäste im Studio haben und mehr von außerhalb des Senders senden. egoFM macht das sowieso schon mehr als andere Sender, aber stell dir vor, wenn man von der Mainstage eines großen Festivals aus sendet und nach den Shows die großen Künstler interviewt.
Mein Traum ist außerdem ein eigener Sender. Gar nicht, weil ich Chef sein möchte, sondern weil ich mit den ganzen kreativen Leuten aus der Medienbranche in München etwas Geiles, ganz eigenes aufziehen möchte. Denn das Netzwerk und die Menschen um einen herum sind das Wichtigste bei der kreativen Arbeit.
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