
Foto: Smart Mobile Labs
Foto: Smart Mobile Labs
Videoübertragung in Echtzeit – am besten funktioniert das mit 5G-Technologie. Das Münchner Softwareunternehmen Smart Mobile Labs (SML) hat sich auf die Installation von privaten 5G-Netzwerken spezialisiert und arbeitet unter anderem mit Medienunternehmen und Veranstaltern zusammen. Was hinter der Technologie steckt und wie sich der Markt in Zukunft entwickeln wird, verrät SML-Geschäftsführer Rüdiger Hnyk.
Rüdiger, Smart Mobile Labs (SML) realisiert Projekte, in denen Daten wie Videos in Echtzeit übertragen werden. Wie kann man sich das vorstellen?
Rüdiger Hnyk: Wir bauen spezielle Mobilfunknetze für private Anwendungen. Man kennt Mobilfunknetze eigentlich von großen Namen wie 1&1, Telefonica, Vodafone und der Deutschen Telekom. Diese Firmen haben in Deutschland 5G Mobilfunklizenzen bekommen und teilen sich den Markt auf. Hier sprechen wir von öffentlichen Mobilfunknetzen, während wir bei SML private Mobilfunknetze installieren und für unsere Kunden betreiben. Diese laufen auf speziellen Funkfrequenzen. Sie dürfen zum einen von Behörden wie Ämtern, Bahn, Polizei und Bundeswehr genutzt werden – seit etwa fünf Jahren hat die Bundesnetzagentur aber auch ein Frequenzband für private beziehungsweise industrielle Anwendungen freigegeben, das die Grundlage für unser Geschäft ist. Voraussetzung dafür ist, dass Endnutzer dieses Netz nur auf ihrem eigenen Grund betreiben dürfen. Attraktiv ist das für unsere Kunden deshalb, weil die Bundesnetzagentur für die Nutzung dieses Frequenzbandes auf einer Fläche, die so groß wie ein Fußballfeld ist, nur etwa 1000 Euro über zehn Jahre verlangt.
Bei diesen privaten Mobilfunknetzen sind wir in Deutschland der mit Abstand größte Anbieter und sind zum Beispiel auch gerade von der Deutschen Bahn als Systempartner ausgewählt worden.
Wie funktioniert die Video-Technologie dahinter?
Rüdiger: Wir benutzen standardisierte Protokolle aus dem Internet, die schon seit Jahren frei verfügbar sind. Solche, die zum Beispiel auch jetzt bei unserem Teams Video Call genutzt werden. Zusätzlich haben wir einige patentierte Verfahren entwickelt, um Sprache und Daten in Echtzeit zu synchronisieren. Diese sorgen dafür, dass meine Lippenbewegung auf dem Bildschirm mit dem zusammenpasst, was man hört, dass also keine Verzögerung entsteht.
Welcher Teil des ganzen Übertragungsprozesses liegt im Aufgabenbereich von SML? Für welche Schritte arbeitet ihr mit Partnern zusammen?
Rüdiger: Wir sind im Wesentlichen ein 5G Integrator mit Echtzeit-Software-Entwicklung. Das bedeutet, die Hardware, die wir einsetzen – das sind die speziellen Mobilfunkanlagen –, kaufen wir von anderen Herstellern ein. Hier sind wir vor allem mit der Firma Nokia verbunden, die zu den Weltmarktführern in diesem Bereich zählt und auch in München einen großen Standort unterhält.
SML gibt es mittlerweile seit zehn Jahren. Warum habt ihr euch dazu entschlossen, in die Mobilfunkbranche zu gehen?
Rüdiger: Wir glauben an die Möglichkeiten und die Zukunft der Telekommunikation. Ich betrachte meinen Geschäftspartner Klaus Nagora und mich in diesem Themenbereich als Visionär – wir glauben an die Zukunftsfähigkeit einiger Technologien und haben Ideen für Applikationen, die mit 5G zukünftig Erfolg haben könnten. Wir entwickeln aktuell die Basistechnologie für zukünftige Use Cases auf 5G - oder später auch 6G -Funktechnologien und bauen diese Use Cases zusammen mit unseren Kunden auf. Oft schon in Frühphasen: Wir arbeiten viel mit Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammen und versuchen die Ergebnisse aus diesen Projekten in unsere Produkte einfließen zu lassen.
„Man hat 5G ein riesiges Wachstum prophezeit und dieses tritt auch ein. Bei den 5G-Projekten hatten wir von SML in den vergangenen vier Jahren ein Umsatzwachstum von 100 Prozent pro Jahr. Die großen Industriefirmen in Deutschland beschäftigen sich mittlerweile alle mit der Technologie.“
Warum ist 5G eine Technologie, die sich besonders gut für Live-Übertragung eignet?
Rüdiger: Da gibt es vor allem zwei Punkte: höhere Bandbreite und niedrigere Latenz, also Verzögerung. Die höhere Bandbreite wird durch bessere Chips erzeugt, die wiederum für bessere Funktechnologie sorgen. Wir merken das, wenn wir mit unserem Smartphone über 5G ein Video, zum Beispiel über YouTube, schauen: Sie haben eine viel bessere Auflösung und starten schneller.
Mit wem arbeiten Sie zusammen?
Rüdiger: Zu unseren Kunden gehören Flughäfen, Seehäfen, große Industriekomplexe oder auch Logistikunternehmen. Im Medienbereich arbeiten wir vor allem mit Sky zusammen, für die wir bei Sportveranstaltungen einige neue Technologien testen, vor allem im Fußball. Zum Beispiel haben wir unsere 5G-Technologie schon live in der Red Bull Arena Leipzig getestet – sie ist in Deutschland eines der modernsten Stadien mit sehr guter Infrastruktur. Außerdem arbeiten wir bei den Öffentlich-Rechtlichen mit dem SWR zusammen. Der SWR übernimmt die Technologie-Führerschaft für 5G-Technologien innerhalb der ARD-Gruppe. Mit dem SWR arbeiten wir vor allem an neuen Live-Produktionsmöglichkeiten und haben schon einige Projekte zusammen umgesetzt. Zum Beispiel waren wir live im Deutschen Fernsehen mit 5G-Übertragungskanälen. Da ging es vor allem darum, Smartphone- oder Schulterkameras zu nutzen, um über das private 5G-Netz schnell zwischen verschiedenen Perspektiven umschalten zu können.
Wie kann man sich den Übertragungsprozess genau vorstellen – ersetzt 5G andere Technologien wie Satellit, Kabel oder DAB+?
Rüdiger: Nein, 5G ist eher eine Zusatz-Technologie. Wir unterscheiden zwischen Distribution und Kontribution. Auf der Seite der Distribution wird man auf die klassischen Verbreitungswege wie Satellit, Kabel, DAB, DVB, die man für Broadcasting hauptsächlich verwendet, nicht verzichten können. Sie sind seit vielen Jahren etabliert und lassen Fernsehkanäle zu sehr geringen Kosten beim Endkunden ankommen. Wir konzentrieren uns auf der Kontributionsseite auf 5G als lokal begrenzte Technologie. Das heißt, wir nutzen unsere Technologie, um ein 5G-Netz an einem bestimmten Ort aufzuspannen, zum Beispiel einem Stadion bei Sportveranstaltungen oder Konzerten. Hier macht es Sinn, das Publikum nicht über das normale, öffentliche Internet zu erreichen, sondern sie in ein eigenes 5G-Netz einwählen zu lassen. Die Idee: Zukünftig können Besucher:innen schon am Eingang eines Stadions einen QR-Code scannen, mit dem sie sich in das lokale Stadion-Netz einloggen. Dort bekommen sie Zugang zu Zusatzangeboten, können zum Beispiel eine Wiederholung des Fußballtors anschauen oder sich bei Musikveranstaltungen auf andere Bühnen schalten. Damit können Veranstalter ihren Besucher:innen eine ganz neue, viel umfassendere User Experience bieten. Diese Use Cases sind noch ganz neu, wir glauben aber, dass sie in den nächsten Jahren immer wichtiger werden.
Inwiefern wird die 5G-Technologie bei Broadcasting und Fernsehproduktion eingesetzt?
Rüdiger: Hier fokussiert es sich eher auf die außergewöhnliche Kameraqualität von neuen Smartphones. Da schreitet die Innovation schnell voran, jedes Jahr gibt es neue Video-Features in den neuen Smartphones. Die Qualität ist hier manchmal schon höher als bei TV-Kameras, die man sich vor einigen Jahren neu angeschafft hat. Das ermöglicht eine völlig neue Art von Inhalten. Statt mit einer großen und schweren Schulterkamera zu arbeiten, reicht es, ein viel leichteres und günstigeres Smartphone und einen Gimbal zu verwenden, um ähnlich gute Ergebnisse zu erzielen.
5G ist – so schreibt ihr auf eurer Website – die schnellste Übertragungsmöglichkeit weltweit. Warum wird sie nicht viel öfter im Mediensektor eingesetzt?
Rüdiger: Das liegt vor allem daran, dass man ein 5G-Privatnetz nur mit den neueren Smartphone-Generationen nutzen kann – dafür dürfen die Handys nicht mehr als zwei Jahre alt sein. Bis man das bei einem gewissen Prozentanteil der Stadionbesucher voraussetzen kann, dauert es vielleicht noch ein Jahr. Dann kann man davon ausgehen, dass der Extraservice auch genutzt werden kann.
Wie hat sich der 5G-Markt in den nächsten Jahren entwickelt?
Rüdiger: Man hat 5G ein riesiges Wachstum prophezeit und dieses tritt auch ein. Bei den 5G-Projekten hatten wir von SML in den vergangenen vier Jahren ein Umsatzwachstum von 100 Prozent pro Jahr. Die großen Industriefirmen in Deutschland beschäftigen sich mittlerweile alle mit der Technologie. 5G könnte dort in Zukunft auch zum Beispiel bei selbstfahrenden Zügen oder Bussen eingesetzt werden. Das dürfte die Entwicklung noch weiter anfeuern. Ich könnte mir auch vorstellen, dass man in ein, zwei Jahren schon als Privatperson auf großen Veranstaltungen mit privaten 5G-Netzen in Berührung kommt – indem man sich eben mit seinem Smartphone einloggen kann und dadurch Zusatzangebote erhält. Wir rechnen damit, dass die Technologie eine große Zukunft vor sich hat.
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