Susanne Aigner-Drews: „Mit Optimismus und dem Willen zuzupacken“

Von Stefanie Ruth Heyduck

Discovery Deutschland hat sich seit seinem Start 1996 von einem Pay-TV-Sender zu einem Multiplattform-Anbieter entwickelt. Wie man ein Sender-Netzwerk durch Corona führt und was Management mit Shakespeare zu tun hat, verrät Geschäftsführerin Susanne Aigner-Drews.

Falls unsere Leser Discovery Deutschland nicht kennen: Können Sie einmal kurz beschreiben was zum Portfolio gehört?

Aigner-Drews: Discovery Deutschland ist eine 100-prozentige Tochter der amerikanischen Discovery Inc. Mit unserem Real-Life-Entertainment, also Reportagen und Dokumentationen über echte Menschen und echten Geschichten, erreichen wir weltweit drei Milliarden Zuschauer. Unsere DNA ist ursprünglich Pay-TV, in den vergangenen Jahren sind wir jedoch gerade im Free-TV stark gewachsen und haben in Deutschland ein bunt gemischtes Portfolio für unterschiedlichste Zielgruppen.

Im Free-to-Air-Bereich sind wir mit unserem Männersender DMAX, unserem Frauensender TLC sowie dem Sportsender Eurosport 1 vertreten und haben im Juni 2019 unseren jüngsten Sender Home & Garden TV für Fans von allen Themen rund um Einrichten, Renovieren und Design gelauncht. Dazu veranstalten wir Pay-TV-Sender wie Discovery Channel, Animal Planet und Eurosport 2. Und vor einem Jahr ist die Streamingplattform Joyn, unser Joint-Venture mit ProSiebenSat.1, erfolgreich gestartet. Darüber hinaus haben wir gerade angekündigt, dass wir den Sender TELE 5 übernehmen werden. Das wird für uns dann der erste Schritt in den fiktionalen Bereich.

Kann uns dieses Interview gelingen, ohne über Corona zu reden?

Aigner-Drews: Ich fürchte, nein. Wer hätte vor einem halben Jahr gedacht, dass sich unser Leben und unsere Arbeitswelt so drastisch verändern werden. Als Veranstalter von Sendern und Plattformen hat die Pandemie uns genauso getroffen wie viele andere in der Branche und wir mussten geringere Werbeauslastungen hinnehmen. Als 360-Grad-Medienanbieter ist Discovery Deutschland aber zum Glück ein diversifiziertes Unternehmen, das in seinen Erlösen nicht allein von Werbeeinnahmen abhängig ist.

„Als Veranstalter von Sendern und Plattformen hat die Pandemie uns genauso getroffen wie viele andere in der Branche und wir mussten geringere Werbeauslastungen hinnehmen.“

Was sich in den letzten vier Monaten enorm verändert hat, ist unsere Arbeitsweise. Ich bin heute das erste Mal wieder im Büro. Viele Kollegen arbeiten noch aus dem Home-Office, das führt zu einer ganz anderen Art und Weise der Zusammenarbeit und der Kommunikation. Es klappt alles sehr gut, doch was mir zunehmend fehlt, ist die Möglichkeit des Netzwerkens und des persönlichen Austauschs mit den Kollegen.

Wir haben in dieser ungewöhnlichen Zeit viel ausprobiert, schnell und mit viel Kreativität neue Formate auf unsere Sender gebracht und haben dabei auch viel gelernt. Zum Beispiel, dass wir uns auf unsere Positionierung verlassen können. Wir haben mit unseren Programmen auf den unterschiedlichen Sendern ein Unterhaltungs- und Informationsangebot aufgebaut, das unsere Zuschauer kennen und lieben und auch in Krisenzeiten schätzen.

Apropos lernen: Sie haben mal in einem Interview gesagt, dass sie gern ein Musikinstrument, die Steirische Harmonika, lernen wollen. Und wie läuft es?

Aigner-Drews: (lacht) Das steht immer noch auf meiner Wunschliste. Ich habe sie zumindest ausgepackt. Ab und zu setze ich mich hin und versuche zu spielen, aber ich kann es leider noch nicht wirklich gut. Sich dieses Instrument selbst beizubringen ist schwer und eigentlich bräuchte ich richtigen Unterricht. Ich liebe den Klang dieses Instruments. Es hat etwas Weiches, ist etwas Spezielles – für mich bleibt es in jedem Fall ein Traum, den ich nicht aufgebe.

Der Markt ist im Umbruch, die Digitalisierung bringt Fernsehsender stark in Bedrängnis. Wie ist Ihre Strategie? Wohin geht die Reise für Discovery Deutschland?

Aigner-Drews: Was wir erleben – auch unabhängig von Corona – ist der größte Umbruch unserer Branche. Die audiovisuelle Nutzung hat sich mit dem Fortschreiten der technologischen Entwicklungen in den letzten zehn bis 15 Jahren grundlegend verändert. Die starren Sendezeiten haben sich von den Geräten entkoppelt. Der Zuschauer möchte Inhalte abrufen und sofort sehen können – egal wo und wann. Er kann Inhalte heute sogar selbst mitgestalten.

Auf diese Veränderungen und die Bedürfnisse der Zuschauer stellen wir uns natürlich ein. Zum Teil haben wir uns von fixen Sendezeiten gelöst. So haben wir zum Beispiel mit ProSiebenSat.1 die Plattform Joyn gegründet. Hier können wir nicht nur unsere eigenen Inhalte, sondern auch die von vielen Partnern überall und zu jeder Zeit anbieten.

Doch gibt es immer auch noch viele Menschen, die sich abends zurücklehnen und nicht ihr eigener Programmdirektor sein wollen. Für die liefern die linearen Fernsehsender weiterhin das perfekte Programm. Für die Zielgruppe, die sehr mobil ist und auch unterwegs, unabhängig von Ort und Zeit, bestimmte Progamme anschauen möchte, schaffen wir neue Möglichkeiten, Inhalte zu konsumieren.

„Was wir erleben – auch unabhängig von Corona – ist der größte Umbruch unserer Branche. Die audiovisuelle Nutzung hat sich mit dem Fortschreiten der technologischen Entwicklungen in den letzten zehn bis 15 Jahren grundlegend verändert.“

Joyn hat gerade sein erstes Jubiläum gefeiert, richtig?

Aigner-Drews: Genau. Und die Plattform hat sich bereits im ersten Jahr sehr erfolgreich entwickelt. Momentan haben wir auf Joyn ein umfassenden Free TV-Angebot mit Livestreams von mehr als 60 lokalen Sendern. Zusätzlich gibt es viele On-Demand-Angebote von unterschiedlichen Partnern plus die Joyn-Originals, die eigens für die Plattform produziert werden. Im Monat haben wir jetzt 7,2 Millionen aktive Nutzer auf der Plattform und die App wurde bislang über 11,4 Millionen Mal heruntergeladen. Und kontinuierlich werden neue Features und neue Inhalte ergänzt.

Sie haben Anglistik in München studiert. Was kann man als Geschäftsführerin eines Fernsehsenders von Shakespeare lernen?

Aigner-Drews: Ich habe englische Literatur im Nebenfach studiert, mein Hauptfach war Kommunikationswissenschaft. Aber aus den Tragödien und Komödien von Shakespeare sind mir einige Zitate im Gedächtnis geblieben. Aktuell passend finde ich zum Beispiel dieses: „Wie arm sind die, die nicht Geduld besitzen.“  Das kann man sich in dieser Corona-Krise durchaus öfters zu Herzen nehmen (lacht).

Geisteswissenschaftliche Studiengänge qualifizieren nicht unbedingt für einen spezifischen Beruf, aber sie bereiten auf viele Berufswege vor und helfen logisches Denken zu schulen, Analysefähigkeiten und strukturiertes Arbeiten zu lernen.

Ursprünglich wollte ich Journalistin werden und das am liebsten im Bereich Sportjournalismus. Ich hatte mich nach meinem Studium dann auch als Volontärin bei einem Sender beworben, der eine Sportredaktion aufbauen wollte. Leider hat das nicht geklappt. Auf dem Rückweg bin ich zufällig beim Deutschen Sportfernsehen DSF vorbeigelaufen und traf einen Bekannten, dem ich von meiner Enttäuschung erzählte. Seine Antwort: „Bewirb dich auf meinen Job, denn ich habe gerade gekündigt.“ So begann meine Medien-Karriere in der Werbezeitenvermarktung.

Haben Sie ein Vorbild in der Medienbranche oder als Managerin? Was inspiriert Sie?

Aigner-Drews: Das größte Vorbild ist meine Mutter. Ihren unverbesserlichen Optimismus hat sie mir mit in die Wiege gelegt. Ihr Lebensmotto ist: Es gibt selten einen Schaden ohne Nutzen.

„Für meine Karriere waren Menschen entscheidend, die an mich geglaubt haben, die etwas in mir erkannt haben, dass ich selbst nicht gesehen habe, und die mir dann auch weiter geholfen haben. Solche Mentoren, die mich gefördert und unterstützt haben, waren für mich wichtiger als mich an einem Vorbild zu orientieren.“

Wie würden Sie ihren Führungsstil beschreiben?

Aigner-Drews: Optimismus gepaart mit dem Willen anzupacken. Ich bin sehr teamorientiert. Ich diskutiere und entscheide Dinge gern gemeinsam mit meinen Mitarbeitern – auch, wenn ich am Ende die Entscheidung verantworte. Für mich ist es wichtig, mein Team von Anfang an miteinzubeziehen, wenn wir ein neues Projekt umsetzen. Dadurch erfährt man auch mehr Rückhalt und Akzeptanz für Entscheidungen. Das Thema Team und Teamplayer nehme ich sehr ernst. Darum ist es während des Lockdowns besonders schwer für mich gewesen, die Kollegen nicht persönlich treffen zu können.

Sie werden sehr oft gefragt, wie es ist, als Frau einen Männersender zu führen. Wie finden Sie das?

Aigner-Drews: Es muss in unserer Gesellschaft und in unserer Arbeitswelt selbstverständlich werden, dass der- oder diejenige mit den besten Kompetenzen die gestellten Aufgaben, Herausforderungen und auch Positionen übernimmt. Und nicht aufgrund des Geschlechts oder der Herkunft. Die Frage, ob ich einen Männersender führen kann, stelle ich mir nicht. Denn man traut mir und meinem Team diese Aufgabe zu. Und ich traue es mir auch zu.

Wir haben so viele verschiedene Sender und DMAX ist nur ein Teil davon. Der Sender ist übrigens eines meiner Lieblingsbabys, denn ich habe ihn von Anfang an, seit seinem Start 2006, mitbegleitet. Ich finde die Themen wahnsinnig interessant. Ob das ein Männersender oder ein Frauensender ist, das ist doch Nebensache.

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