Tassilo Raesig über Joyn: „Unser Modell funktioniert“

Marc Hankmann

Foto: Joyn

Wer gegen Netflix und Co. antritt, hat wahre Tech-Giganten vor sich. Tassilo Raesig, CEO der Joyn GmbH, sieht sein Unternehmen aber gar nicht in direkter Konkurrenz zu den US-Streaminganbietern. Im Interview erklärt er, wie sein Geschäftsmodell funktioniert und wie er die Aufmerksamkeit der Nutzer:innen auf Joyn ziehen will.

Herr Raesig, Prime Video, Netflix und Disney+ wollen verstärkt auf lokalen Content setzen. Wie stellt sich Joyn auf, um im Wettbewerb mit den US-Anbietern zu bestehen?

Tassilo Raesig: Wir fokussieren uns auf unser Produkt und möchten Joyn kontinuierlich verbessern. Dabei sehen wir uns nicht im Wettbewerb mit internationalen Playern, schließlich setzen wir auf einen starken werbefinanzierten AVoD-Bereich, der sehr nah dran ist am Free-TV-Angebot von ProSiebenSat.1. Das Budget für viele verschiedene Streaming-Abos ist begrenzt – aber unser Hauptangebot ist kostenlos, so dass Joyn immer hinzugefügt werden kann. Dieses Angebot kombinieren wir mit unserem exklusiven Abo-Bereich Joyn PLUS+. Das Modell funktioniert: Joyn wird auch vom Werbemarkt gut angenommen.

Als Aggregator bietet Joyn zudem eine Plattform, die vielfältigen Content an einem Ort bündelt. Unser Shareholder ProSiebenSat.1 hat kürzlich bekannt gegeben, dass Joyn künftig als die zentrale digitale Plattform der Gruppe fungieren wird und wir Joyn sowohl in Bezug auf Zielgruppen als auch auf Partnerschaften noch breiter aufstellen werden: Wir möchten Joyn zur größten, frei zugänglichen Entertainment- und Lifestyle-Marke für die ganze Familie im deutschsprachigen Raum ausbauen.

Joyn: Erster Schritt Richtung Free Ad-Supported Streaming TV

 

Joyn gibt es seit 2017. Wie sehen die Nutzer:innenzahlen im Free- und im Premium-Segment aus?

Raesig: Wir sind sehr zufrieden mit der bisherigen Entwicklung. Die Downloadzahlen der Joyn-App liegen bereits bei rund 35 Millionen.

Werfen wir einen konkreten Blick auf die Inhalte. Wo hebt sich Joyn vom Wettbewerb ab?

Raesig: Wir vereinen das Beste aus zwei Welten: einfacher Zugang zu TV-Formaten wie „Germany’s Next Topmodel“ oder „The Masked Singer“, zudem ein wachsendes Angebot an Previews und Catch-up-Inhalten der beliebtesten TV-Sendungen, ein umfangreicher Live-TV-Bereich, der neben den Sendern von ProSiebenSat.1 auch die öffentlich-rechtlichen deutschen Sender und viele weitere Content-Partner umfasst, aber auch eine große Mediathek mit On-Demand-Inhalten. Wir kuratieren dieses Inhalteangebot für unsere Nutzer:innen: Anfang des Jahres haben wir unsere On-Demand-Streams gelauncht, die auf Inhalte zurückgreifen, die auf Abruf zur Verfügung stehen, und diese themenbasiert in einer Playlist abspielen. Mittlerweile bieten wir knapp 50 solcher Streams, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Damit gehen wir den ersten Schritt in Richtung Free Ad-Supported Streaming TV und ebnen den Weg für neue werbefinanzierte Angebote auf Abruf auf Joyn.

Ergänzt wird dieses Angebot durch unsere Joyn Originals. Unsere bisherigen Eigenproduktionen sprechen eine sehr junge Zielgruppe an. 2022 haben wir große Live-Events wie „The Great Fight Night“, „GET AWAY! VON MONTANABLACK“ oder „Eligella Winter Games“ mit den größten Streamer:innen Deutschlands realisiert. Unsere Kultserie „jerks.“ feierte 2023 ihr Finale in der fünften Staffel. Mit „INTIMATE.“ haben wir außerdem eine neue Improserie an den Start gebracht, der auf Anhieb der erfolgreichste Fiction-Start eines Joyn Originals seit „jerks.“ gelungen ist.

„Wir haben den Fokus auf Inhalte für die Generation Z gelegt und haben uns als starker Streaming-Partner für Content Creator:innen und Streamer:innen etabliert.”

 

Die US-Anbieter produzieren auf Basis gesammelter Nutzungsdaten erfolgreiche lokale Inhalte. Welche Rolle spielen solche Daten für Joyn bei der Content-Produktion?

Raesig: Wir schauen uns an, was unseren Nutzer:innen gefällt und was gut bei unserem Publikum ankommt. Dabei geben wir Formaten Zeit sich zu entwickeln und eine Fangemeinde aufzubauen. Daneben gibt es aber auch weitere Faktoren, die bei der Content-Entwicklung eine Rolle spielen. Wir haben sehr engen Kontakt zu unserer Community und zu unseren Creator:innen, wir schätzen deren Ideen und Anregungen und nehmen dieses Feedback sehr ernst.

Warum sind Ihnen auch Themen abseits des Mainstreams wichtig?

Raesig: Durch die Inhalte unseres Shareholders und unserer Content-Partner bieten wir viele bekannte und beliebte Formate auf unserer Plattform. Doch auch unsere Originals sind unsere Aushängeschilder, schärfen unser Profil und geben Joyn ein Gesicht. In der Vergangenheit haben wir hier den Fokus auf Inhalte für die Generation Z gelegt und haben uns als starker Streaming-Partner für Content Creator:innen und Streamer:innen etabliert. Dabei geben wir unterschiedlichen Themen Raum und sprechen eine Community an, die kaum sonst noch wo zu erreichen ist und für die nur wenige Streamingplattformen attraktive Inhalte anbieten. Dabei entwickeln wir Inhalte, die nah an den Lebensrealitäten unserer Nutzer:innen sind, geben jungen Talenten eine Chance und realisieren mutige Ideen. Das behalten wir bei, doch künftig werden wir uns noch breiter aufstellen und wollen der Steaminganbieter für die ganze Familie werden.

Auf Trends und Marktentwicklungen hören: Gemeinsam mit der Community zum Format

 

Stichwort Formatentwicklung. Wie viel Zeit hat denn ein Format, um sich zu entwickeln oder anders gefragt: Woran machen Sie fest, ob ein Format erfolgreich ist – an der Größe der Fangemeinde?

Raesig: Wir überlegen uns natürlich im Vorhinein, was wir von einem Format erwarten. Das ist aber von Content zu Content sehr unterschiedlich. Selbstverständlich spielt die Nutzung eine Rolle, dabei geben wir den Formaten Zeit sich zu entwickeln. Selbst die erfolgreichsten Serien haben etwas gebraucht, eine Fangemeinde aufzubauen.

Darüber hinaus achten wir auf das Feedback aus unserer Community und auf die erzielte Außenwirkung. Natürlich sind bei der Formatentwicklung auch Trends und Marktentwicklungen entscheidend. Es sind somit viele ausschlaggebende Punkte, die uns den Erfolg eines Formats bestätigen.

Sie sprachen davon, dass Sie Fangemeinden aufbauen und engen Kontakt zu Ihrer Community halten. Wie darf man sich das konkret vorstellen?

Raesig: Der Dialog mit unseren Nutzer:innen ist sehr spannend und hilft uns, deren Bedürfnisse zu verstehen. Hierfür haben wir eigens einen Community-Bereich zum Austausch aufgebaut. Der enge Kontakt, das regelmäßige Feedback und die Wünsche unterstützen uns, unser Produkt und unseren Content entsprechend weiterzuentwickeln.

Neben dieser Plattform achten wir aber natürlich auch auf alle anderen Kanäle der Kund:innenkommunikation, um ein rundes Gesamtbild zu bekommen. Der Gedanke dahinter ist einfach: Wir möchten eine Streamingplattform bieten, die unsere Nutzer:innen lieben. Dafür ist es unerlässlich, für deren Anliegen stets ein offenes Ohr zu haben und deren Ideen Raum zu geben.

Derzeit stehen die Zeichen im Streamingmarkt noch auf Wachstum, es kommen immer neue Anbieter hinzu. Wann rechnen Sie mit einer Sättigung?

Raesig: Der Streamingmarkt ist sehr schnelllebig und dynamisch, wodurch konkrete Aussagen kaum möglich sind. Nachdem nun immer mehr Streaminganbieter in den Markt dringen, glaube ich aber fest an eine Konsolidierung verschiedener Inhalte an einem Ort. Mit Joyn als attraktives Hybrid-Modell mit einem sehr starken AVoD-Bereich und einem kleinen, exklusiven Abo-Bereich bieten wir hierfür bereits eine ideale Plattform.

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