Viola Haas und 17:30 SAT.1 Bayern: Die Zielgruppe fest im Blick

Von Chris Schinke

Viola Haas ist die erste Digital Marketing & Media Managerin von 17:30 SAT.1 Bayern. Mittlerweile generiert das Format ca. eine halbe Millionen Online-Videoaufrufe pro Woche. / Foto: SOL

Viola Haas ist Senior Digital Marketing & Media Manager bei 17:30 SAT.1 Bayern. Im Interview sprechen wir mit ihr über die Herausforderungen des Regionalfernsehens im Zeitalter von Streaming, die Zukunft des linearen Fernsehens und digitaler Newsangebote sowie über die Potenziale von künstlicher Intelligenz für Newsredaktionen.

Viola, du bist bei 17:30 SAT.1 Bayern zuständig für das digitale Marketing und verantwortest zudem die Social-Auftritte des Senders. Diese Stelle wurde für dich neu geschaffen. Warum hat man sich bei 17:30 SAT.1 Bayern dazu entschieden?

Viola Haas: Als ich vor über drei Jahren angefangen habe hier zu arbeiten, hatte ich eine Diskussion mit einem Kollegen. Der meinte, als es um ein Video ging, das online hochgeladen werden sollte, „Ach die paar Klicks online, die werden nicht den Ausschlag geben.“ Von ein paar Klicks sind wir heute weit entfernt. Mittlerweile generieren wir ca. eine halbe Millionen Videoaufrufe pro Woche. Für uns ist es wichtig, möglichst viele Menschen in Bayern – aber nicht nur dort –, zu erreichen, um über die Geschehnisse vor Ort zu informieren. Wir müssen dorthin, wo ein Großteil unserer User:innen ist – und das ist vermehrt online. Die aktuelle Funkanalyse in Bayern zeigt, dass knapp die Hälfte unserer Reichweite online zustande kommt.

Wie wichtig ist der bayerische Standort im Gesamtkonstrukt SAT.1?

Viola: Wir sind eines von fünf regionalen Nachrichtenmagazinen bei SAT.1. Für uns ist es wichtig, für die Menschen in Bayern ein Informationsangebot zu schaffen, das tagesaktuell informiert. Von Bayern aus liefern wir dabei stetig Impulse, die für den gesamten Sender relevant sind.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den überregionalen Teams? Wofür ist der bayerische Standort zuständig und was wird national geregelt?

Viola: Was die Online-Strategien betrifft, sind wir in einem engen Austausch bei ProSiebenSat.1. Gerade, wenn es um SEO oder Online-Marketing geht, aber auch was technische Neuerungen anbelangt. Für uns ist es immer eine Chance, mit einem so großen Konzern im Rücken zu agieren, weil die entsprechenden Ressourcen und die Expertise aus den verschiedensten Abteilungen zusammenkommen. Was die inhaltliche Ausrichtung angeht, sind wir komplett eigenverantwortlich. Aber auch auf der Content-Ebene ist ein tagesaktueller Austausch zwischen uns und der nationalen Nachrichtenredaktion für die Hauptnachrichten für ProSieben, SAT.1 und Kabel eins vorhanden.

„Das lineare Fernsehen nähert sich der Online-Welt immer mehr an. Live-Streaming, Adressable und connected TV sind hier wichtige Stichworte [...] Andersherum lässt sich aber auch sagen, dass sich die Online-Welt ans Lineare anpasst.“

 

Inwiefern profitiert 17:30 SAT.1 Bayern von der starken TV- und Streaminglandschaft in Bayern?

Viola: Ein gutes Beispiel für diese Stärke ist der Anbieter glomex aus Unterföhring. Das ist ein B2B-Videomarktplatz, bei dem unsere Inhalte die Reichweite von großen Publishern erlangen. Durch glomex können zum Beispiel Nutzer:innen des Münchner Merkur oder der TZ unseren Content sehen. Von diesen Reichweiten profitieren wir. Aber auch vom insgesamt starken Publisher-Netzwerk in Bayern. Ein Ansporn ist für uns auch die Konkurrenz am Standort und das große Angebot journalistischer Inhalte.

Lange Zeit wurden lineares Fernsehen und digitale Sphäre als getrennte Welten gedacht. Das hat sich grundlegend geändert. Welche Berührungspunkte siehst du?

Viola: Man kann die beiden Ebenen nicht mehr getrennt voneinander betrachten. Das lineare Fernsehen nähert sich der Online-Welt immer mehr an. Live-Streaming, Adressable und connected TV sind hier wichtige Stichworte – die Möglichkeit, personalisierte Inhalte zu schalten. Andersherum lässt sich aber auch sagen, dass sich die Online-Welt ans Lineare anpasst. Das kann man daran sehen, dass Rezeption und Konsum von Inhalten zunehmend auf großen Bildschirmen stattfinden, durch Apps und Online-Anwendungen auf dem Smart TV. Die Empfehlungsfunktion von Netflix zum Beispiel unterliegt einer linearen Logik, nämlich dem Wunsch der Zuschauer:innen, sich zurückzulehnen und nicht ständig auswählen zu müssen.

Wie navigiert ihr diese Entwicklung?

Viola: Wichtig ist, beim jeweiligen Thema crossmedial zu denken und die Logik der verschiedenen Plattformen zu kennen. Was auf der Website ein Artikel oder ein längeres Video ist, kann bei Social Media ein Reel sein. Wir sehen in der Redaktion, dass unsere Entscheidungen für lineare Inhalte auch von der Online-Welt beeinflusst werden. Ein gutes Beispiel sind Themen rund um den FC-Bayern München. Analysen unserer linearen Zuschauer:innen zeigen, dass es gar kein so beliebtes Thema ist. Aber gerade online haben wir eine große Zielgruppe und eine Nachfrage nach FC Bayern-Themen. Das hat zur Folge, dass wir dann beim Linearen sagen: das nehmen wir auf!

»Es gilt, einen Unique Selling Point zu erarbeiten. Und konkret zu überlegen, wie wir Inhalte produzieren können.«

Viola Haas, Senior Digital Marketing & Media Manager / Foto: SOL

Was kannst du uns über das Nutzungsverhalten Eurer Zuschauer:innen und ihre Vorlieben – digital und/oder linear – verraten?

Viola: Wir erreichen online sehr unterschiedliche Zielgruppen über die verschiedensten Themen – zum Beispiel die genannte FC Bayern-Zielgruppe. Es geht aber auch um lokale Themen, wie einen Unfall in Schwandorf oder eine Gerichtsverhandlung in Regensburg. In diesen Fällen gehen wir über das Kriterium der Region, um gezielt Nutzer:innen zu erreichen. Das funktioniert aber für eine breitere Masse, wenn das Thema besonders kurios oder innovativ ist. Unsere Zielgruppe ist je nach Kanal unterschiedlich. Gerade wenn wir an Social Media denken. Auf TikTok haben wir ein viel jüngeres Zielpublikum als auf unserer Website. Der Trend geht hier Richtung kurzer Clips und schneller Info.

Für die junge Zielgruppe spielt das Fernsehen eine immer geringere Rolle. Mit welchen digitalen Angeboten will 17:30 SAT.1 Bayern ein explizit junges Publikum erreichen und an den Sender binden?

Viola: Generell sind wir auf den unterschiedlichsten Social-Media-Plattformen unterwegs. Neben Facebook auch auf Instagram und TikTok. Hier überlegen wir, wer die Zielgruppe ist, die mit unserer Sendung noch gar nicht in Berührung kam. Es gilt einen Unique Selling Point zu erarbeiten. Und konkret zu überlegen, wie wir Inhalte produzieren können. Instagram und TikTok nutzen wir nicht in erster Linie, um unsere Nutzer:innen auf die Website zu locken, sondern Inhalte spezifisch für den Kanal zu denken und zu erzeugen. Bei Facebook sind eher die älteren Zuschauer:innen, die mit der linearen Nutzung übereinstimmen. Für jede Plattform erarbeiten wir jeweils eine eigene Content-Strategie.

Was sind die konkreten Strategien von 17:30 SAT.1 Bayern, um im Web als regionaler Newsanbieter erfolgreich zu sein?

Viola: Generell spielen bei unserer Online-Strategie zwei Bereiche eine Rolle. Bei Themen, die insbesondere für die Menschen in Bayern relevant sind, gehen wir gezielt über das Kriterium des Ortes, um den User abzuholen. Das kann der tödliche Champagner-Fall in einem Restaurant in Weiden sein oder das Zugunglück, das sich letztens in Peiting ereignet hat. Hier ist es wichtig, mit einer gezielten SEO-Strategie und den entsprechenden Keywords zu arbeiten. Aber auch mit Geo-Targeting. Bei Google-Chrome auf dem Handy gibt es mit Google Discover personalisierte Suchergebnisse. User:innen an einem bestimmten Ort bekommen hier lokal zugeschnittene News – im besten Fall auch von uns.

Bei Themen, die überregional funktionieren können, versuchen wir den Aspekt herauszustellen, der das Thema in anderen Bundesländern relevant macht – das kann ein Thema sein, das emotional sehr berührt, eine innovative Neuheit aus dem Freistaat oder eine Geschichte, die durch ihre Kuriosität heraussticht. Ein Beispiel: „Revolution in der Pflege? Roboter GARMI in Bayern“. Derartige Themen sind auch bei überregionalen Publishern bei Glomex sehr gefragt, wodurch unsere Videos noch eine größere Reichweite bekommen.

„Die Anwendungsbereiche von KI werden immer mehr. Ich sehe sie vor allem in den Bereichen Wetterinfos, Sportnews und Unfallnachrichten kommen. Bereiche, die weniger hohen journalistischen Aufwand erfordern.“

 

Der Auftritt von 17:30 SAT.1 Bayern beinhaltet regelmäßig KI-erzeugte Inhalte. Während der Corona-Pandemie etwa gab es regelmäßig Videos über aktuelle Zahlen und den Pandemieverlauf, die vollständig auf einer künstlichen Intelligenz und deren Algorithmen basierte. Welche Potenziale und weiteren Anwendungsbereiche siehst du?

Viola: Das waren vom Digital Buzzroom von ProSiebenSat.1 betreute KI-Inhalte, die wir auf unserer Website hatten. Da sitzt kein menschlicher Redakteur mehr dahinter. Es wurden jeweils die aktuellen Daten vom RKI gezogen und mit Bildern hinterlegt. Die Anwendungsbereiche von KI werden immer mehr. Ich sehe sie vor allem in den Bereichen Wetterinfos, Sportnews und Unfallnachrichten kommen. Bereiche, die weniger hohen journalistischen Aufwand erfordern. Aktuell haben wir ein gutes Beispiel auf unserer Website: In fünf Städten bieten wir Infovideos über die aktuell günstigsten Spritpreise an – die Videoplatzierung funktioniert hier auch über glomex.

Vor welche Herausforderungen stellt die neue Technologie eine Redaktion wie 17:30 SAT.1 Bayern?

Viola: Generell möchte ich betonen, dass KI-Anwendungen auch mit Vorsicht zu genießen sind und wir einen kritischen Blick darauf haben. Unerlässlich ist das redaktionelle Gegenchecken. Für uns besteht die Aufgabe darin, Fakten nachzuprüfen, Quellen ausfindig zu machen und einen kritischen Blick auf die erzeugten Inhalte zu werfen. In Zeiten von KI-erzeugten Texten wird es als Redaktion um so wichtiger, mit eigenen und authentischen Inhalten herauszustechen.

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