Markus Knall: „Wir sind radikal digital“

Von Stefanie Ruth Heyduck

Das Netzwerk der Zentralredaktionen von Ippen Digital versorgt mehr als fünfzig Online-Portale rund um die Uhr mit News. Darunter auch Merkur.de und die Frankfurter Rundschau. Über den Erfolg dieses Redaktionsnetzwerks und die Zukunft des digitalen Journalismus haben wir mit Chefredakteur Markus Knall gesprochen.

Sie haben für Ippen die erste Zentralredaktion eines Verbundes von Lokalredaktionen aufgebaut. Können Sie uns etwas über das Team und seine Arbeitsweise erzählen?

Markus Knall: Was uns kennzeichnet: Wir agieren als Netzwerk. Dabei betreiben wir zwar sehr unterschiedliche Produkte, haben aber gemeinsame Technik, Prozesse und Leitlinien. Für die Zentralredaktionen haben wir eine besondere Organisationsform gewählt. In der Vergangenheit haben sich Redaktionen üblicherweise nach thematischen Schwerpunkten organisiert: Politik, Sport, Wirtschaft. Wir verfolgen einen anderen Ansatz. Unsere Redakteure sind nicht in erster Linie Reporter. Wir fassen unsere Mitarbeiter nicht nach Themen, sondern nach Funktionalitäten zusammen. Es gibt ein CvD-Team, ein SEO-Team, ein Engagement-Team. Daneben gibt es auch etwas, das sich wie ein Fachressort anhört: ein Lokal-Team oder ein Video-Team. Allerdings sind auch diese Teams vor allem digitale Blattmacher.

„In der Vergangenheit haben sich Redaktionen üblicherweise nach thematischen Schwerpunkten organisiert: Politik, Sport, Wirtschaft. Wir verfolgen einen anderen Ansatz. Unsere Redakteure sind nicht in erster Linie Reporter.“

Gab es interne Widerstände gegen eine Zentralredaktion? Oder gehören die Sticheleien zwischen Print und Online der Vergangenheit an?

Knall: Der Weg in die Digitalisierung ist ein so tiefer Strukturwandel. Das geht nicht ohne Diskussionen. Diese Diskussionen sind aber wichtig. Vieles mussten wir erst ausprobieren und neu erfinden. Der Aufbau von digitalem Journalismus ist ein agiler Prozess und das geht nur mit Diskurs.

Die Zahlen scheinen Ihnen recht zu geben. „Merkur.de“ wuchs 2019 von 690.000 auf 1,66 Mio. Daily Unique User. Wie ist Ihnen das gelungen?

Knall: Wir haben verinnerlicht, dass man digitalen Journalismus in seinen Grundfesten entwickeln muss. Dass es nicht reicht, Traditionsmedien ins Internet umzulegen, sondern dass man eine Vision haben muss. Unser Ziel ist, etwas Eigenständiges zu schaffen: publizistisch, journalistisch und natürlich auch wirtschaftlich. Und wir sind überzeugt, dass ein Netzwerk mit gemeinsamer Technik, Prozessen und Leitlinien die beste Antwort auf die Herausforderungen im Digitalen ist. Unser Erfolgsrezept: wir sind radikal digital.

„Wir haben verinnerlicht, dass man digitalen Journalismus in seinen Grundfesten entwickeln muss. Dass es nicht reicht, Traditionsmedien ins Internet umzulegen, sondern dass man eine Vision haben muss.“

In einem Vortrag sprachen Sie von „Impact First“. Was meinen Sie damit?

Knall: Früher sprach man von „online first“ oder sogar „print first“. Diese Modelle haben vorausgesetzt, dass es so etwas wie „DEN Leser“ gibt. Wir stehen aber vor einer großen Breite an Zielgruppen und Produkten. Für uns ist also die Frage: Mit welchem Produkt haben wir bei welcher Zielgruppe den besten Erfolg? Für einen 65-jährigen loyalen Leser aus der Region ist der Impact der Tageszeitung vielleicht am höchsten. Einem 25-jährigen Studenten muss ich etwas anderes anbieten. Impact First heißt, den Wechsel hin zu einer kundenzentrierten Produktentwicklung zu schaffen.

In den Zentralredaktionen arbeiten Journalist*innen mit Programmierer*innen und Performance-Expert*innen zusammen. Prallen da Welten aufeinander?

Knall: Die Herausforderung der digitalen Branche ist das immer größer werdende Spektrum an Spezialisierungen. Wir brauchen dabei sowohl die Tiefe als auch die Breite an digitalen Fähigkeiten. Daher entwickeln wir Berufsbilder, die es vor ein paar Jahren gar nicht gab. Zum Beispiel den SEO-Redakteur. Das sind spezialisierte Journalisten, keine Techniker. Dafür bilden wir seit inzwischen fast vier Jahren SEO-Volontäre aus.

Das Berufsbild „Journalist“ hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Was erwarten Sie heute von neuen Kolleg*innen?

Knall: Wir suchen Menschen, die tief spezialisiert sind, um Exzellenz zu erzeugen. Da ist Recherche und Schreiben nur eine von vielen Aufgaben. Gleichzeitig braucht es auch die Fähigkeit, die Aufgaben anderer Spezialisten zu reflektieren und einzubinden, um Wissenssilos zu verhindern. T-Shape ist der Ausdruck dafür. Um diesen Spagat zu schaffen, übernehmen etwa die Kollegen aus dem SEO-Team auch mal Spätdienste.

Noch immer tun sich einige Medienhäuser schwer mit Digitalisierung. Was würden Sie Ihren Kolleg*innen raten?

Knall: Wir müssen anerkennen, dass eine zentrale Hypothese der regionalen Verlagsbranche nicht eingetreten ist. Dass sich nämlich sehr erfolgreiche analoge Produkte einfach ins Digitale kopieren lassen und dort genauso erfolgreich sind. Wir sehen, dass es nicht reicht, Texte ins Internet zu übertragen oder mit Videos TV-Formate nachzuahmen. Nach 25 Jahren digitalem Journalismus müssen wir feststellen: So funktioniert das nicht.

„Wir müssen viele Grundlagen komplett neu entwickeln: Formate, Sprache, Vermarktung, Distribution, Organisation. Am Ende steht im Kern ein völlig eigenständiger, digitaler Journalismus. Das ist Gutenberg 2.“

Und als nächstes kommt jetzt noch die künstliche Intelligenz ins Spiel.

Knall: Bei uns im Netzwerk erscheinen pro Tag mehr als 2.000 Artikel, die Millionen Menschen erreichen. Und das alles rund um die Uhr. Das ist für Redakteure im Detail schwer zu überblicken. Wir arbeiten daher an Graphen, Recommendations und Editorial Assistance, damit Redakteure wichtige Entscheidungen noch besser treffen und Leser den für sie passenden Inhalt noch einfacher bekommen.

Redaktionell geht es dabei auch um die Frage: Was ist die künftige Rolle von Journalisten? Algorithmen werden Journalisten die Aufgaben abnehmen, die Maschinen schneller und besser erledigen. Aber Algorithmen müssen auch entwickelt, gesteuert und geprüft werden. Agendasetting und Themenführung dagegen sind immer noch Stärken menschlicher Journalisten. Die Zusammenarbeit von Menschen und Maschine ist im digitalen Journalismus die nächste große Aufgabe.

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