Foto: Czerny
XPLR: MEDIA beim DOK.fest: Wie viel KI darf im Dokumentarfilm stecken?
In einem rasanten Tempo erobert künstliche Intelligenz die Medienwelt – und macht auch nicht vor der Dokumentarfilmbranche Halt. Filmemacher:innen stellen sich bei der Verwendung von KI-generiertem Inhalt viele Fragen, allen voran: Was darf ich überhaupt? Antworten darauf suchten der KI-Experte Jacques Alomo, Dokumentarfilmer Christian Beetz, Jurist Richard Hahn und Moderatorin Eva Wolfangel auf dem DOK.forum, dem Branchenevent des DOK.fest.
Darf ich ein Bild im Stil von Vincent van Gogh mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erzeugen? Ist jedes Bild, das ich mit einem KI-Tool erzeuge, mein eigenes? Ist es rechtlich erlaubt, einen Song mit Frank Sinatras Stimme zu generieren? Bei seinem Keynote „Legal Puzzles in AI: 50 Shades of Grey Explored“ konfrontierte der KI-Experte Jacques Alomo sein Publikum vor allem mit: Fragen. Auf viele von Ihnen konnte der Münchner nur eine mögliche Antwort geben: „Ich habe keine Ahnung.“
KI-generierter Content: Es gibt keine eindeutigen Antworten
Schuld daran war nicht etwa eine mangelnde Expertise. Ganz im Gegenteil: Alomo ließ sehr anschaulich mithilfe verschiedener KI-Tools Astronauten auf dem Mond landen, Frank Sinatra zu „Gangsta’s Paradise“ singen und zeigte bildlich, wie die Ermordung des römischen Kaisers Cäsar ausgesehen haben könnte. Der Grund, warum viele Fragen bei diesem Vortrag offen blieben, war ein anderer: Es gibt schlicht und einfach keine Gesetze zum Umgang mit KI-generierten Inhalten – und deshalb auch keine eindeutigen Antworten.
Dass sich Filmmacher:innen in eine Grauzone begeben, sobald sie KI-generierte Inhalte in ihren Produktionen einsetzen wollen, ist auch bei der anschließenden Podiumsdiskussion deutlich geworden. Den Impulsvortrag mit anschließendem Panel organisierte XPLR: MEDIA zusammen mit dem Blauen Panther, TV & Streaming-Award. Der renommierte Dokumentarfilmproduzent Christian Beetz (CEO Gebrüder Beetz Filmproduktion) schilderte in der Gesprächsrunde seine Bedenken aus Medienmacher-Sicht: „Ich bin sehr vorsichtig, wenn es darum geht, KI-Content in Dokumentarfilme einzusetzen. Es gibt sehr fließende Grenzen – im Rechtsstreit würde jeder anders entscheiden.“
»Die Frage ist nicht, ob uns diese Technologie gefällt, sondern wie wir mit ihr umgehen.«
Christian Beetz
Foto: Gebrüder Beetz Filmproduktion
Er selbst ist auf dem DOK.fest unter anderem mit dem Film „Eternal You“ vertreten, eine Dokumentation, die in den USA spielt und ein Unternehmen porträtiert, das verstorbene Menschen durch den Einsatz von KI digital wieder auferstehen lässt. „Die Frage ist nicht, ob uns diese Technologie gefällt, sondern wie wir mit ihr umgehen. Denn sie wird kommen”, sagt Beetz im Interview. Auch wenn er in seinen Filmen KI-generiertes Material nur sehr vorsichtig einsetzt, bezeichnet er sich selbst als Befürworter dieser Technologie. „Sie gibt uns auch die Möglichkeit, historische Dinge spürbar zu machen.“
Kein globales Recht: Jedes Land entscheidet im Ernstfall anders
Bei der Postproduktion komme KI für Bild- und Tonbearbeitung bereits regelmäßig zum Einsatz. Trotzdem schaut Beetz mit nervösem Blick in die Zukunft: „Die Technologie entwickelt sich so schnell, dass wir sie gar nicht richtig verstehen. Sie wird ein ziemliches Biest, das wir ständig in den Griff kriegen müssen.“ Was ihm als Filmemacher vor allem ein besseres Sicherheitsgefühl geben würde, wäre ein allgemeingültiges Recht auf globaler Ebene. „Wir releasen immer mehr auf dem internationalen Markt. Jedes Land entscheidet in solchen Fällen aber anders. Es kann immer sein, dass Stoff, an dem man jahrelang gearbeitet hat, einfach vom Markt verschwinden muss.“
»Das deutsche Recht wird sich erstmal nicht ändern. Wir müssen bestehendes Recht auf AI-Content anwenden.«
Dr. Richard Hahn
Foto: Czerny
Nicht auf globaler, aber immerhin auf EU-Ebene gibt es mit dem European AI-Act eine erste Reaktion, den Einsatz von KI rechtlich zu regulieren. Für den Anwalt Dr. Richard Hahn, der beim Panel die rechtliche Lage bei Verwendung von KI-Content einordnete, reicht dieses Dokument aber noch nicht aus. „Der AI-Act regelt vor allem den Umgang mit den großen KI-Tools. Persönlichkeitsrechte werden darin überhaupt nicht thematisiert.“
Die Justiz wendet bestehendes Recht auf KI-Fälle an
Neben dem Copyright sind aber gerade die für Dokumentarfilmmacher besonders wichtig. „Das deutsche Recht wird sich erstmal nicht ändern. Wir müssen bestehendes Recht auf AI-Content anwenden“, erklärt Hahn. Case für Case muss man dann individuell untersuchen, welche Rechte verletzt wurden – oder eben nicht. Mit seinem Blick in die Zukunft bleibt der Jurist dennoch optimistisch: „Wir haben jetzt eine ganz ähnliche Situation wie damals, als das Internet erfunden wurde. Der einzige Unterschied: Die Entwicklung von KI geht sehr viel schneller.“
Bleibe mit dem XPLR: Newsletter immer auf dem Laufenden!