CipSoft: Regensburger Games-Studio führt die Branche in die Zukunft

Von Nora Beyer

In den Studios von CipSoft entstehen preisgekrönte Computerspiele, wie hier Tibia. / Fotos: CipSoft GmbH

Die bayerische Spieleschmiede CipSoft wurde 2022 als Studio des Jahres beim Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet. Was ist das Erfolgsgeheimnis des Regensburger Studios? Ein Gespräch mit Geschäftsführer Stephan Vogler.

Das bayerische Regensburg hat einiges an Kultur zu bieten – das erschöpft sich längst nicht in der altehrwürdigen Historien- und der legendären Kneipenkultur. Auch in puncto Gameskultur ist Regensburg längst kein Geheimtipp mehr. Seit kurzem kann die Stadt an der Donau von sich behaupten, das Games-Studio des Jahres zu beherbergen.

Beim Deutschen Computerspielpreis 2022 wurde die Spieleschmiede CipSoft GmbH mit dem Titel ausgezeichnet. Knapp hundert Mitarbeiter:innen, Jahresumsätze im zweistelligen Millionenbereich und ein Online-Spiel, das seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert Dauerbrenner ist. Der Regensburger Entwickler und Publisher ist seit seiner Gründung 2001 in quasi ungebremstem Höhenflug. Die vier Gründer Stephan Vogler, Stephan Payer, Ulrich Schlott und Guido Lübke sind bis heute Gesellschafter des Unternehmens. Eine Erfolgsgeschichte, die in den Hörsälen und Computerräumen des Universitätscampus Regensburg ihren Anfang nahm.

»Wir hatten die Vision, ein Spiel zu entwickeln, das nicht nur grafisch was hermacht, sondern online auf der ganzen Welt gespielt werden kann.«

Cipsoft-Gründer Stephan Vogler

Stephan Vogler, einer der Gründer und Geschäftsführer, erinnert sich: „Eigentlich beginnt unsere Geschichte sogar noch früher – zu Schulzeiten. Drei von uns vier Gründern haben nämlich zusammen die Schulbank gedrückt – hier in Regensburg – und auch zusammen Computer gespielt. Später haben wir uns dafür interessiert, wie Spiele entstehen und haben angefangen, kleine Spiele selbst zu entwickeln.“

An der Universität kommen sie das erste Mal mit dem Internet in Berührung. Und erkennen schnell das Potenzial: „Damals hatte ja niemand Internet zuhause. Das gab es nur an den Universitäten. 1995 gab es zwar auch schon Spiele über das Internet, aber das waren zum Beispiel ausschließlich textbasierte, sogenannte Multiuser-Dungeons. Wir dachten uns: Eigentlich kann man das viel besser machen.“ Gesagt, getan. „Wir hatten die Vision, ein Spiel zu entwickeln, das nicht nur grafisch was hermacht, sondern online auf der ganzen Welt gespielt werden kann”, sagt Vogler.

Die Freunde beginnen noch während des Studiums an dieser Vision zu arbeiten. Titel des Projekts: Tibia. Ein Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel (MMORPG), in dem Spieler:innen online gemeinsam Abenteuer erleben können. Der Rest ist (Erfolgs)Geschichte. „Tibia ist 1997 an den Start gegangen – an einem Lehrstuhlrechner!“ Am Ende des Studiums sind bereits so viele Spieler:innen online, dass die vier erkennen: „Da könnten wir mehr daraus machen.“

Stephan Vogler erzählt: „2000/2001 war die New Economy gerade groß, da war das Umfeld entsprechend ermutigend und wir haben kurzerhand eine Firma gegründet.“ Der Steilstart in den Erfolg: „Kurz darauf haben uns die Spieler:innen die Bude eingerannt. Wir waren nur damit beschäftigt, Leute einzustellen und mehr Server für Tibia aufzustellen.“ CipSoft, so Vogler, gibt es bis heute vor allem aufgrund des enormen Erfolgs von Tibia.

 

Games-Dauerbrenner made in Bavaria

 

Inzwischen ist Tibia eines der ältesten und erfolgreichsten MMORPGS weltweit. Ein Games-Dauerbrenner, made in Bavaria. Was ist das Erfolgsgeheimnis des Unternehmens? „Ich glaube, dass es vor allem wichtig ist, dass wir nie den Glauben an das Projekt verloren haben und immer Bock darauf hatten, es weiterzuentwickeln und besser zu machen“, meint Stephan Vogler.

Groß geschrieben wird dabei vor allem der Community-Bezug: „Wir haben schnell realisiert, wie wichtig es ist, auf unsere Spieler zu hören. Wir geben uns viel Mühe, zuzuhören und das auch umzusetzen, was gewünscht wird.“ Das schlägt sich in den Zahlen nieder. Zwar sind gerade die Pandemiejahre 2020 und 2021 in finanzieller Hinsicht Rekordjahre für CipSoft, wie für viele andere Spielestudios auch. „Aber wir hatten auch schon vor Corona Spieler-Rekorde, die damit zusammenhängen, weil wir Probleme gelöst und Dinge verbessert haben, die der Community wichtig waren“, meint Vogler.

Soziales Engagement wird beim Games-Studio großgeschrieben

 

Die Community steht bei CipSoft nicht nur in-game an erster Stelle. Auch im analogen Leben setzt sich das Unternehmen vielfältig gesellschaftlich ein. CipSoft ist nicht nur unabhängig von äußeren Kapitalgeber:innen ist, sondern fährt eine Firmenpolitik, die soziale Verantwortung nach innen wie außen großschreibt und damit eine herausragende Rolle unter Arbeitgeber:innen der Videospielbranche einnimmt. 2020 unterstützt CipSoft verschiedene regionale wie internationale Organisationen und Einrichtungen, die sich im Kampf gegen das Coronavirus engagieren.

Auch regional ist das Engagement des Spieleentwicklers groß. Als die Mitarbeiter:innen im Zuge der Corona-Pandemie ins Homeoffice geschickt werden, werden wöchentliche Essensspenden an Regensburger Institutionen aus dem Gesundheits- und Pflegesektor organisiert. Ein lokaler Konditor backt zum Beispiel im Auftrag von CipSoft Kuchen für die Mitarbeiter:innen des Roten Kreuzes. Während der Pandemie gehen insgesamt 365.000 Euro an gemeinnützige Organisationen wie die WHO oder Ärzte ohne Grenzen.

2022 spendet CipSoft 50.000 Euro, die Summe, die sie als Gewinner des Deutschen Computerspielpreises erhalten, an ukrainische Kriegsflüchtlinge. Für Vogler eine Selbstverständlichkeit: „Wir profitieren von unserem Umfeld und der Gesellschaft. Da möchten wir auch was zurückgeben.“

Spieleentwickler: „Haben eine Verantwortung, die Welt besser zu machen“

 

Auch die Belegschaft selbst profitiert von der sozialen Verantwortung und modernen Ausrichtung, die CipSoft der Branche vorlebt. Flexible Arbeitszeiten, ein Verbot, Überstunden zu sammeln, Vereinbarung von Familie und Beruf, die Möglichkeit zu Remote Work, ein persönliches Weiterbildungsbudget und seit 2021 die Möglichkeit, 20 Prozent der Arbeitszeit dafür zu verwenden, eigene Spielideen umzusetzen.

CipSoft stellt den Menschen ins Zentrum – und beteiligt die Mitarbeiter:innen direkt am Erfolg des Unternehmens. Stephan Vogler erzählt: „Gleich nach unserer Gründung haben wir uns überlegt, wie unsere Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens partizipieren sollen.“ Der Ansatz: „Wir haben uns überlegt, dass ein Viertel der Gewinne, die in einem Jahr gemacht werden, an die Mitarbeiter ausgeschüttet werden.“ Das mache in jedem Jahr mindestens noch einmal zwei Monatsgehälter aus, so Vogler.

In den Corona-Rekordjahren 2020 und 2021 entsprach die Erfolgsbeteiligung sogar jeweils einem ganzen zusätzlichen Jahresgehalt. Für Vogler eine klare Sache: „Wenn wir erfolgreich sind als Unternehmen, dann möchten wir auch, dass unsere Mitarbeiter an diesem Erfolg teilhaben. Auch als Unternehmer hat man eine Verantwortung, die Welt eher besser werden zu lassen und nicht schlechter.“

 

Cipsoft – Viel mehr als Tibia

 

Das Regensburger Spielestudio CipSoft ist also sehr viel mehr als nur Entwickler eines der ältesten und erfolgreichsten MMORPGs weltweit. Es ist auch positives Beispiel für Unternehmertum in der Videospielbranche. Vogler meint: „Wir sind mehr als nur Tibia. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, lebendige Online-Spielwelten zu entwickeln. Daran arbeiten wir unermüdlich“.

Und innovativ. Zuletzt mit dem frühzeitigen Einstieg in die Entwicklung eines Blockchain-Games. Das Projekt wird zwar nicht mehr weiterverfolgt. Aber auch das sind Erfahrungen, die für Stephan Vogler wichtig sind: „Das gehört zum Business dazu, dass sich manches nicht so entwickelt wie erhofft.“ Das ist dann auch der Tipp, den er jungen Spieleunternehmer:innen ans Herz legt: „Ich kann jeden nur ermutigen, nach dem Studium zu gründen. Man hat nicht viel zu verlieren. Aber man lernt dabei unglaublich viel.“

Games in Bayern: Viel Durchstart-Potential

 

Die bayerische Videospiel-Landschaft werde außerdem immer vielfältiger, findet Stephan Vogler: „In den letzten Jahren hat sich einiges getan. Gerade im Indie-Bereich hat sich eine große Szene entwickelt.“ Dass gerade Regensburg viel Gaming-Kreativpotential hat, schlägt sich beim diesjährigen Deutschen Computerspielpreis gleich doppelt nieder: Auch der Nachwuchspreis für den besten Prototypen geht an ein Regensburger Unternehmen – das Indie-Studio Donausaurus.

CipSoft hat gute Gründe für den Standort in Regensburg: „Klar, im Gegensatz zu München, Hamburg oder Berlin sind wir etwas ab vom Schuss hier. Aber das ist gleichzeitig auch eine Stärke. Wenn sich jemand in Ostbayern für Spieleentwicklung interessiert und sein Hobby zum Beruf machen will, kommt er an uns quasi nicht vorbei. Und das Umfeld ist sehr gut: Die hohe Lebensqualität in der Stadt und das Hochschulumfeld, aus dem viele unserer Mitarbeiter kommen.“

Stephan Voglers Fazit: „Überall in Bayern sprießen Studios aus dem Boden. Es gibt ein großes und aktives Netzwerk an Spieleentwicklern. Und der bayerische Staat unterstützt die Branche. Raum für Verbesserungen gibt es natürlich immer. Aber ich würde sagen, Bayern ist stark im Kommen, was Spieleentwicklung angeht.“ Gute Voraussetzungen also für aufstrebende Games-Startups und Digital-Kreative. Was aber, laut Stephan Vogler, vor allem zählt für den Erfolg: „Wichtig ist, etwas zu finden, an das man wirklich glaubt.“ Bei CipSoft scheinen sie das geschafft zu haben.

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