
Foto: Ute Bolmer/DOK.fest München
Foto: Ute Bolmer/DOK.fest München
Daniel Sponsel tritt im Oktober sein Amt als Präsident der Hochschule für Fernsehen und Film München an – mit 16 Jahren DOK.fest-Erfahrung im Gepäck. Im Interview spricht er über die Rolle der Hochschule in Bayern und der Welt, den aktuellen Stellenwert des Dokumentarfilms und die Chancen und Risiken von KI in der Filmproduktion.
Herr Sponsel, Sie sind der HFF München seit Jahrzehnten verbunden – zunächst als Student, später als Dozent – und übernehmen im Oktober das Amt des Hochschulpräsidenten. Haben Sie einen Lieblingsfilm einer Absolventin oder eines Absolventen der HFF?
Daniel Sponsel: Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil es unglaublich viele großartige Filme von HFF-Absolvent:innen gibt. Aber einer, der mir besonders im Kopf geblieben ist, ist „Der Wald vor lauter Bäumen“ von Maren Ade. Das war ihr Abschlussfilm an der HFF, und ich war damals bei der Development-Abnahme im Kino dabei. Der Film hat mich wirklich beeindruckt.
Was genau hat Sie fasziniert?
Sponsel: Es ist ein sehr feinfühlig gezeichnetes Psychogramm einer Lehrerin, die sich in einer emotionalen Ausnahmesituation immer weiter zurückzieht und isoliert. Der Cast ist eher reduziert, was dem Ganzen etwas Kammerspielartiges verleiht – auch wenn Schule und Stadt durchaus präsent sind. Trotzdem steht ganz klar das Innenleben der Hauptfigur im Mittelpunkt. Maren Ade erzählt mit einer sehr eigenen filmischen Handschrift.
Sie haben in den 90er Jahren an der HFF studiert. Was hat sich seitdem dort verändert?
Sponsel: Da sticht erstmal der Standort hervor. Damals war die Hochschule noch in einer alten Bettenfedernfabrik hinter dem Giesinger Bahnhof untergebracht. Heute ist sie in der Gabelsberger Straße angesiedelt, mitten im Herzen der Stadt. Das neue Gebäude spielt architektonisch in einer anderen Liga. Auch inhaltlich hat sich viel verändert: Die Studiengänge sind vielfältiger und spezialisierter geworden. Themen wie künstliche Intelligenz sind heute Bestandteil der Ausbildung. Gleichzeitig sind ethische Themen stärker in den Fokus gerückt – zum Beispiel Intimacy Training bei Filmproduktionen.
Welche Rolle spielt die HFF für die bayerische und deutsche Film- und Medienlandschaft?
Sponsel: Eine sehr große. Berlin zieht mit der Berlinale und seiner internationalen Strahlkraft natürlich viel Aufmerksamkeit auf sich. Aber auch München hat viel zu bieten. Viele HFF-Absolvent:innen bleiben nach dem Studium hier und prägen die lokale Szene, während andere das Mediengeschehen in Deutschland und darüber hinaus beeinflussen.
Nennen Sie gerne Beispiele.
Sponsel: Ein Beispiel ist die Produktionsfirma Wiedemann & Berg, gegründet von den HFF-Absolventen Max Wiedemann und Quirin Berg, die mit „Das Leben der Anderen“ einen Oscar gewonnen haben. Und ganz aktuell durften sich HFF-Absolvent:innen mit „September 5“ – einem Film über das Olympia-Attentat in München – über eine Oscar-Nominierung freuen. Und die Fortsetzung solcher Erfolge auch mit starker internationaler Sichtbarkeit läuft bereits: Der HFF-Abschlussfilm einer Dokumentarfilmstudentin wurde in diesem Jahr von der Semaine de la Critique auf das Filmfestival in Cannes eingeladen. Diese Liste an Beispielen ließe sich noch weiter fortsetzen. Viele prägende Impulse kommen von der HFF und ihren Absolvent:innen – vom Drehbuch über die Regie und Kamera bis zur Produktion.
Wie fördert die Hochschule internationale Karrieren?
Sponsel: Die Hochschule kann zwar nicht direkt Türen zu einer internationalen Karriere öffnen, aber sie schafft eine solide Grundlage. Zum Beispiel, indem internationale Dozent:innen eingeladen und in den Seminaren internationale Filme analysiert werden. Der Besuch von Festivals im Ausland gehört auch dazu und das HFF-eigene International Office ermöglicht Austauschprogramme an Filmhochschulen weltweit ebenso wie Mentoring- und Residency-Formate, die international aufgehängt sind – all das sind Möglichkeiten, erste Kontakte zu knüpfen und ein Gefühl für den globalen Markt zu entwickeln. So entsteht ein Umfeld, das internationale Karrieren nicht garantiert, aber wahrscheinlicher macht.
Haben Sie schon Pläne für Ihre ersten Aktivitäten im neuen Amt?
Sponsel: In den ersten Monaten möchte ich mich an der Hochschule mit möglichst vielen Menschen austauschen – sowohl mit den Mitarbeitenden, um ihre Einschätzungen und Bedürfnisse aus den verschiedenen Abteilungen zu erfahren, als auch mit den Studierenden. Zudem steht uns mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse eine große Herausforderung bevor, die wir gemäß Hochschulvertrag bis 2027 erfolgreich meistern müssen. Diese Aufgabe wird einiges an Aufwand erfordern, aber ich bin zuversichtlich, dass wir sie gemeinsam bewältigen werden.
„Dokumentarfilme sind ohne Frage wichtig und werden auch entsprechend wahrgenommen. Paradoxerweise verläuft die Entwicklung auf struktureller Ebene in die entgegengesetzte Richtung: Die Budgets der Sender für Dokumentationen schrumpfen, und auch die Sendeplätze für Dokus nehmen ab.“
Gibt es Organisationen, mit denen Sie verstärkt zusammenarbeiten möchten?
Sponsel: Auf der letzten Berlinale habe ich alte Kontakte aufgefrischt – zum Beispiel zum „Kleinen Fernsehspiel“ beim ZDF, mit dem ich vor einigen Jahren zusammengearbeitet habe. Der Kontakt zum BR ist bereits intensiv und soll es auch bleiben. Darüber hinaus möchte ich die Zusammenarbeit mit Streamingdiensten und Produktionsfirmen vorantreiben.
Sie haben zuletzt 16 Jahre das DOK.fest in München geleitet. Was nehmen Sie aus Ihrer Festivalzeit mit, das Sie jetzt gewinnbringend einsetzen können?
Sponsel: Vor allem nehme ich ein breit gefächertes Netzwerk mit – genreübergreifend. Ein Festival ist außerdem eine kontinuierliche Fortbildung: Man sieht unzählige Projekte, Formate und Arbeitsweisen, was den Blick für Qualität und Trends schärft. Auch Teamwork hat eine wesentliche Rolle gespielt – schließlich habe ich Teams aus mehreren Dutzend Menschen mit unterschiedlichen Aufgaben koordiniert. Nicht zuletzt konnte ich durch meine Mitarbeit in der AG DOK, der AG Filmfestival und im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt FFA wertvolle Einblicke in die bundesweite Filmpolitik gewinnen.
Sie haben Dokumentarfilmregie studiert und mit Ihren Filmen bereits mehrere Auszeichnungen erhalten. Wie schätzen Sie die aktuelle Bedeutung des Dokumentarfilms in Deutschland ein?
Sponsel: Auf der einen Seite sind die gesellschaftliche Relevanz und der kulturelle Stellenwert des Dokumentarfilms hoch. In den letzten Jahren sind zahlreiche beeindruckende Werke entstanden – etwa die oscarprämierte Doku „Citizenfour“ über Edward Snowden. Dokumentarfilme sind also ohne Frage wichtig und werden auch entsprechend wahrgenommen. Paradoxerweise verläuft die Entwicklung auf struktureller Ebene in die entgegengesetzte Richtung: Die Budgets der Sender für Dokumentationen schrumpfen, statt zu wachsen, und auch die Sendeplätze für Dokus nehmen ab. Diese Entwicklung bedauere ich sehr.
Was halten Sie von Dokumentarfilmer:innen auf Plattformen wie YouTube, die vielleicht nie Film studiert haben, oft mit einfachen Mitteln arbeiten und trotzdem viele Klicks erzielen?
Sponsel: Das ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken und hat definitiv seine positiven Seiten: Es gibt keine Gatekeeper mehr, die darüber entscheiden, welchen Film man unter welchen Bedingungen verwirklichen darf. Man kann einfach loslegen. Auf der anderen Seite: Wenn viele mit minimalen Budgets arbeiten und sich möglicherweise selbst ausbeuten, kann das langfristig den Markt und die Preisstrukturen destabilisieren. Für den professionellen Bereich, der auf solide finanzielle Ressourcen angewiesen ist, wird es dann immer schwieriger, sich zu behaupten.
Wie stehen Sie zum Einsatz von KI im Filmbereich?
Sponsel: Der Geist ist aus der Flasche – KI lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Besonders bei wenig kreativen, aber zeitaufwendigen Aufgaben ist ihr Einsatz längst Realität und durchaus sinnvoll. Wohin die Reise geht, lässt sich momentan kaum absehen. Klar ist jedoch: Es schadet der Qualität, wenn sich inhaltliche Schwächen oder Fehler weitervererben. KI speist sich schließlich aus Bestehendem und kann keine echte, menschliche Genialität oder kreative Unordnung hervorbringen. Zudem stehen wir beim Thema KI vor grundlegenden Fragen: Was passiert mit dem Urheberrecht? Und wer konsumiert am Ende diese KI-generierten Inhalte – womöglich die KI selbst, um Klicks zu erzeugen? Auf diese und andere Fragen müssen wir Antworten finden.
Abschließend: Wo steht die bayerische Filmbranche in fünf Jahren?
Sponsel: Da bin ich optimistisch. Der Bedarf an filmischem Erzählen – ob im Kino, Fernsehen, auf Streamingplattformen oder in Bereichen wie Unternehmenskommunikation und Werbung – wird nicht nachlassen. Und Bayern spielt dabei traditionell eine starke Rolle, mit seinen Produktionsfirmen und gut ausgebildeten Fachkräften. Übrigens ist Bayern nicht nur mit München als Standort für filmrelevante Studiengänge hervorragend aufgestellt. Auch die Hochschulen in Ansbach und Deggendorf bieten in diesem Bereich spannende Studiengänge an.
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