Fußball ist beim „kicker“ zentral, das Magazin bietet aber auch Infos zu anderen Sportarten. Foto: Sebastian Lock
Die neue Audio-Offensive: „kicker“ setzt auf Podcasts
Im Jahr 2025 feiert der „kicker" seinen 105. Jahrestag. Als stärkste Medienmarke des Olympia-Verlags ist das Sportmedium, das primär über Fußball berichtet, eine Institution. Was den Erfolg ausmacht, spiegelt sich auch in der neuen Podcaststrategie: Antizipieren statt reagieren, Selbstreflexion und Freude am Experiment.
Eine knappe Viertelstunde vom Nürnberger Hauptbahnhof sind die fränkischen Medienschaffenden unter sich: An der und um die Badstraße liegt das Medienhaus mit dem etwas unhandlichen Namen Verlag Nürnberger Presse Druckhaus Nürnberg GmbH & Co. KG, kurz: VNP. Auf der anderen Straßenseite sitzt der Olympia-Verlag mit den Marken „ALPIN“, der Sportagentur kicker business solutions und dem „kicker“. Alle, die dem Fußball etwas abgewinnen können, kennen den weißen Schriftzug auf rotem Grund. Der „kicker“ hat es in den letzten Jahren geschafft, die Herausforderungen der Digitalisierung mit erfolgreichen Strategien zu bewältigen. Unter anderem beim Thema Podcasts – dessen nimmt sich das Sportmedium an und will mit einer neuen Offensive im Audiobereich die Erfolgsgeschichte weiterschreiben. Eine zentrale Figur der Strategie ist Isabella Fischer. Im Dezember 2023 wechselte die Audioredakteurin die Straßenseite und stieg beim „kicker“ ein, zuvor hatte sie beim VNP-Lokalblatt „Nürnberger Nachrichten“ das erste Audio-Team aufgebaut. Dort produzierte sie unter anderem den Podcast „Klick Klick Boom – Die Maschine Amazon“ über Arbeitsbedingungen beim Online-Versandhaus, wofür sie und das Produktionsteam im Mai 2024 den Dr. Georg Schreiber-Medienpreis erhielten.
Zentrale Koordination aller Audio-Belange
Beim „kicker“ ist Fischer unter anderem bei „kicker Daily“ zu hören, dem täglichen 15-Minuten-Fußball-News-Podcast, der seit November 2023 läuft. Aber auch im ersten Audio-Reportageformat des „kicker“, „Der vierte Stern“, einem fünfteiligen Doku-Podcast zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014. Thema: der Titelgewinn des deutschen Herren-Fußballteams in Brasilien. Die Produktion ist nicht nur ein Nachweis für Fischers Ambition, neue Formate beim „kicker“ zu entwickeln. Sie zeigt auch ihre strategische Herangehensweise: „Der vierte Stern“ zeugt von einer besseren Verzahnung von Audio-Inhalten mit Social Media, Onlineredaktion und Audience Development. „Bei mir laufen alle Audio-Angelegenheiten zusammen“, sagt die Redakteurin und führt aus: „Zwar bin ich an die Digitalredaktion angegliedert, gehöre aber überall dazu und gebe Input, zum Beispiel für Marketing- und Distributionsmaßnahmen.“ Als Audioredakteurin müsse sie übergreifend strategisch denken und überlegen, ob und wie sie eine Podcast-Folge im Digital- oder auch Printmagazin platziert, welche Social-Media-Formate sich eignen und welche Werbepartner passen. Es reiche nicht, einfach einen Podcast aufzunehmen und live zu stellen. „Besonders das Social-Team hatte deswegen während der EM mit der Distribution von ‚Der vierte Stern‘ einiges an Mehrarbeit“, verrät sie.
»Ich sehe wahnsinnig viele Möglichkeiten, mit anderen Sportarten neue Formate zu entwickeln.«
Isabella Fischer
Foto: Sebastian Lock
Neue Wege beschreiten, beim Markenkern bleiben
An der Seite von „kicker Daily“ und „Der vierte Stern“ stehen im Podcast-Portfolio des Fußball-Platzhirschs noch vier weitere Formate, darunter das Erfolgsformat „kicker meets DAZN“ (KMD) und „kicker FE:male“. Wer mit Fußball weniger am Hut hat, hört „Icing the kicker“ zur National Football League (NFL) oder den E-Sports-Podcast „/gg“. Denn: Der „kicker“ ist mehr als Fußball, auch wenn die Ballsportart das Steckenpferd der Sportmedienmarke bleibt: „Wir loten auch Potenziale bei anderen Sportarten aus, Handball und Basketball zum Beispiel. Aber auch beim Fußball gibt es noch viele Möglichkeiten, die wir nutzen können“, erklärt Benjamin Schmid. Der Produktmanager für Social TV und Audio arbeitet am strategischen Ausbau der Video- und Audioformate und an der Nutzung von Vermarktungschancen. Schmid und Fischer verantworteten gemeinsam die Produktion von „Der vierte Stern“. Fischer sieht „wahnsinnig viele Möglichkeiten, mit anderen Sportarten neue Formate zu entwickeln“, denn der „kicker“ profitiere auch von einer positiven Reputation. „Ich war zuletzt bei einem Triathlon, dort waren die Leute begeistert, dass sich der ,kicker‘ für sie interessiert. Da gibt es viel Potenzial, spannende Geschichten zu erzählen.“ Neben dem Blick auf andere Sportarten und Erzählformen gibt es im Portfolio des Verlagshauses auch eine eigenständige Podcast- Plattform.
Im März 2023 übernahm der Verlag „Football was my first love“ (FWMFL), wo Fußball-Begeisterte oder Fangruppen Podcasts zur und aus der Fußball-Fankultur veröffentlichen und auch Hörbücher und Fangesänge anhören können. Eine spannende Ergänzung des seriösen „kicker“-Angebots, denn hier spielen vor allem emotionale Aspekte eine Rolle: „Wir haben mit dem ‚kicker‘ ein klares journalistisches Angebot, das Themen einordnet und stark nachgefragt wird. Bei FWMFL können auch Privatpersonen quasi ‚von unten‘ ihre Inhalte platzieren und monetarisieren. Da gibt es ganz andere Zielgruppen und Formate. Es ist ein spannendes Geschäftsfeld, auf dem wir auch viele Erfahrungswerte generieren. Insgesamt zeigt das unsere breite strategische Aufstellung der Geschäftsfelder hier im Haus.“ Der pragmatische „kicker“ wird aber auch selbst nahbarer, zum Beispiel durch Videos von Reporter:innen, die mit niederländischen Fans feiern, oder Podcast-Redakteur:innen, die persönliche Geschichten erzählen. „Das ist eine super Entwicklung. Unsere Leute sind jetzt auch verstärkt zu sehen und zu hören. Nicht nur ein unpersönliches Kürzel unter einem Artikel, das Leser:innen mit nichts verbinden können“, sagt Stratege Benjamin Schmid.
Höhere Frequenz, mehr Reportage, mehr Breite?
Nun stehe der „kicker“ vor einer Weggabelung: Potenziale nutzen – auch abseits des Fußballs – und neue Formate entwickeln oder den Fokus auf die Optimierung der aktuellen Formatvielfalt setzen. Dafür sei viel Selbstreflexion nötig. Außerdem müsse das Team stets prüfen, was der „kicker“ als Marke transportiert und in Zukunft sein möchte. Erfahrungswerte habe man reichlich gesammelt, merkt Schmid an: „Bei der Vermarktung kommt es stark auf die Reichweite an. Bei unserem Flaggschiff-Format ‚kicker meets DAZN‘ funktioniert die Vermarktung sehr gut.“ Das liege unter anderem an dem wöchentlichen Veröffentlichungsrhythmus. Durch die hohe Frequenz und Aktualität gibt es ein begrenztes Zeitfenster, innerhalb dessen man Zahlen generieren müsse. Andererseits gibt es dadurch schnelle Ergebnisse und eine hohe Chance, sich eine treue Hörerschaft aufzubauen, die das Format kontinuierlich hört – damit kann man mit Vermarktungspartnern in den Austausch gehen. „‚Der vierte Stern‘ war dagegen ein Leuchtturmprojekt, das funktioniert ganz anders.“
Ein Reportageformat sei im Vergleich zu seriellen Formaten nicht tagesaktuell mit einer kurzen Halbwertszeit, sondern generiere langfristig Hörer:innen-Zahlen. Entscheidend: bei der Zielgruppe die Aufmerksamkeit für den Podcast auf Dauer hochzuhalten. Isabella Fischer erklärt: „Da braucht es eine lange Vorlaufzeit und Geduld. Bei einem Reportageformat darf man nicht erwarten, dass sich jede:r darauf stürzt, wenn es live geht.“ Die hohe Reichweiten-Prognose des Audience-Development-Teams habe Fischer überrascht: „Ich habe anfangs etwas tiefgestapelt. Aber natürlich gibt es einen großen Unterschied bei der Reichweite zwischen einem überregionalen Magazin wie dem ,kicker‘ und dem Lokalmedium,Nürnberger Nachrichten‘.“
Nicht ausschließlich harte Zahlen
Doch nicht nur Zahlen und Verwertung spielen bei der Podcast-Planung eine Rolle. Es sei auch eine redaktionelle Entscheidung, sich eines Themas anzunehmen, sagt Fischer: „Es wäre ein Riesenfehler gewesen, wenn der ‚kicker‘ nichts zur WM 2014 gemacht hätte. Wir hatten viele Reporter vor Ort, die hautnah an der Mannschaft dran waren. Sie konnten Geschichten erzählen, die es nur bei uns zu hören gibt.“ Das soll sich nun auch langfristig auszahlen. Das „kicker“-Team könne „Der vierte Stern“ als Best-Practice-Beispiel nehmen und mit den gewonnenen Erfahrungswerten weiterarbeiten. Zum Beispiel aus der kanalübergreifenden Herangehensweise bei „Der vierte Stern“, sagt Fischer: „Wir haben einen Artikel von damals zum historischen 7:1-Halbfinal-Erfolg zusammen mit weiteren Podcast-Artikeln auf die Homepage gestellt, gleichzeitig ein Zitat daraus auf Social Media gepostet. In einem Quiz haben wir Fragen zum Turnier gestellt, die Antworten dafür fanden die Hörer:innen im Podcast. Da konnten wir schön sehen, wie das die Zugriffszahlen auf den Podcast beeinflusst.“
Andererseits liege der Erfolg auch in der positiven Botschaft, die „Der vierte Stern“ vermittelt. „Alle erinnern sich gern daran. Die EM dieses Jahr war ein zusätzlicher Faktor. Die Leute hatten Lust darauf, dass die Geschichte weitererzählt wird. Es ist allerdings nicht unser Auftrag, Stimmung für das Großereignis zu machen. Dafür ist die Mannschaft verantwortlich – und ein Julian Nagelsmann, der ankündigt, dass wir in zwei Jahren Weltmeister werden. Das kurbelt die Euphorie für Fußball an. Wir hätten den Podcast aber natürlich auch ohne die EM gemacht.“ Nicht zuletzt sei es eine Einstellungsfrage: „Das mag ein Klischee sein, aber es ist tatsächlich so. Wenn alle Leute an das Projekt glauben, Bock darauf haben und an einem Strang ziehen, funktioniert es – auch in sehr kurzer Zeit“, sagt Fischer.
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