
Foto: Michaela Stache für DLD / Hubert Burda Media
Foto: Michaela Stache für DLD / Hubert Burda Media
„Future Positive” starteten die ca. 2.000 Teilnehmenden der Innovationskonferenz DLD von Hubert Burda Media ins Jahr 2025. Die Entscheider:innen und Visionär:innen aus aller Welt versammelten sich von 16.-18. Januar im House of Communication in München, um die großen Fragen unserer Zeit zu diskutieren. Auf der Agenda standen Agentic AI, gesellschaftliche Auswirkungen, die Zukunft des Marketings – und eine Party, denn die Digital Life Design feierte ihr 20-jähriges Bestehen. Wir waren vor Ort und haben uns nach den wichtigsten Trends und Learnings für Medienschaffende umgehört.
„Agentic AI” war das Schlagwort der diesjährigen DLD. Der Gedanke einer proaktiven künstlichen Intelligenz, die komplexe Aufgaben ohne menschliche Führung selbstständig lösen kann, sorgte gleichermaßen für Begeisterung und Unruhe im Publikum. Colin Jarvis, Head of Forward Deployed Engineering bei OpenAI, zeigte in seiner Keynote den „Schlüssel zum Einsatz von KI-Agenten”: Multimodalität. So arbeite OpenAI gerade an Modellen, die nicht mehr nur auf eine Aufgabe wie Text- oder Bildgenerierung spezialisiert sind, sondern in Multitasking-Manier mehrere Aufgaben kombinieren können. Ein Showcase beinhaltete zum Beispiel eine KI, die in Echtzeit Websites scannen und mit Sprachausgabe erklären konnte. Auch der bayerische KI-Vorreiter Prof. Björn Ommer, der mit seiner Keynote den Track des bayerischen AI-Netzwerks BAIOSPHERE eröffnete, blickte optimistisch auf KI-Agenten: „KI ist überall immer besser integriert, deshalb versteht sie besser, was wir von ihr wollen, und kann uns leichter unterstützen.”
2024 stand noch unter dem Motto: Humans do it best. Das könnte sich aber laut der Expert:innen bei der DLD bald ändern. Michal Kosinski, der von der Stanford University zu Gast war, wagte sich in seinem Panel in die „Psychology of AI” vor. Er zeigte die Entwicklung der Kenntnisse von Large Language Models auf und stellte fest: Der Name sei irreführend, denn LLMs könnten mittlerweile viel mehr als Worterkennung. Die KI-Modelle setzen auch kulturelles Wissen ein und können Emotionen verstehen. „Wir beobachten gerade das Entstehen eines künstlichen Bewusstseins.” Sehr bald, prophezeit Kosinski, könnte uns die KI etwas voraus haben: Denn während sie wie wir Menschen Emotionen zeigen kann, kann sie diese auch einfach ein- oder ausschalten – ein Vorteil, zum Beispiel, wenn Emotionen in Entscheidungsprozessen eine Rolle spielen. Auch in Sachen Schnelligkeit von Lernprozessen und Lebenserwartung haben die Computer den Menschen etwas voraus. Ein beunruhigender Gedanke für Kosinski, der dafür plädiert, dass wir uns umfassend mit den Möglichkeiten auseinandersetzen müssen. Nur so könnten wir Risiken vermeiden. „Wir denken, dass die KI Bewusstsein erlangt, sei das ultimative Ziel. Dabei könnte die KI bald Dinge entwickeln, von denen wir nicht mal träumen.”
KI könne Emotionen imitieren, die in der jeweiligen Situation am geeignetsten sind – ein bisschen wie Soziopathen, sagt Michal Kosinski. Foto: Ulrike Froemel for DLD/Hubert Burda Media
Seine Keynote bei der diesjährigen DLD startete Werner Vogels, CTO von Amazon, mit einer Analyse des Arbeitsmarktes: „Die Arbeitskräfte von morgen sind getrieben von Missionen. Sie wollen bedeutungsvolle Jobs, mit Wirkung und Zweck.” Er glaubt, dass sich auch Konsument:innen in Zukunft sehr viel bewusster entscheiden, welche Technologien sie nutzen wollen – und dementsprechend auch immer häufiger bewusst abschalten und offline gehen. „Aufmerksamkeit ist eine endliche Ressource”, unterstreicht Vogels. „Wir müssen zurückfinden zu qualitativ hochwertigen, ablenkungsfreien Entscheidungsprozessen.”
Neue Visionen für Medien und Marketing standen im Mittelpunkt eines Panels des Vater-Tochter-Duos Richard und Margot Edelman vom gleichnamigen Kommunikationsunternehmen. Die Herausgebenden des Edelman Trust Barometers, das jährlich das Vertrauen der Öffentlichkeit in Regierung, Unternehmen, Medien und NGOs untersucht, mahnten zu mehr Authentizität. „Unternehmen müssen festgelegte Werte haben, diese öffentlich kommunizieren und dann dazu stehen. Und legt euch am besten eine dicke Haut zu, denn der Diskurs wird rauer”, sagt CEO Richard Edelman. Marken müssten sich noch stärker bewusst werden, dass das Unternehmen hinter dem Produkt beim Kauf eine immer entscheidendere Rolle spielt. „Wir müssen als Marketing-Unternehmen unsere Kunden dazu bringen, auch wirklich zu handeln statt nur zu reden. Eine gut-kommunizierte Aktion ist viel mehr wert als ein Versprechen.”
Als Plattform für zukunftsfähiges Marketing empfiehlt Margot Edelman bei der DLD LinkedIn. Foto: Karl-Josef Hildenbrand / picture alliance for DLD / Hubert Burda Media
Nicht um Quantum Computing, sondern um Quantum Marketing ging es in der Keynote von Mastercard-CMO Raja Rajamannar. Er zeichnete ein düsteres Bild aktueller Marketing-Strategien: „Es wird viel Geld ausgegeben, doch wir haben gelernt, einfach abzuschalten. Die Taktiken sind nicht mehr Konsument:innen-freundlich und teilweise schlicht nervig. Marketing hat seine Richtung und seine Werte verloren.” Sein Lösungsansatz: Wir müssen die geltenden Marketing-Theorien, die schon 50, 60 Jahre alt sind, gründlich überdenken. Die wichtigsten Grundsätze des Quantum Marketings fasst er in vier Punkten zusammen:
Besonders den letzten Punkt hebt Rajamannar hervor. „Vertrauen macht mit Abstand den größten Unterschied zwischen Marken. Wenn sie sich sozial engagieren, egal was in ihren Ads passiert, dann sind sie viel glaubwürdiger.” Wie man dieses Vertrauen aufbauen könne? Mit Innovationen und Kreativität.
Im Gespräch mit Ina Fried blickte Rodney Zemmel, global leader von McKinsey Digital, auf die Tech-Transformation durch AI. Während 2024 für viele Unternehmen noch ein Jahr des Set-ups von KI-Technologien war, beginnen nun viele Einnahmen zu generieren. Zemmel identifiziert vier Bereiche, in denen der Einsatz von KI-Technologien bereits Gewinne steigert:
Besonders im Bereich Coding sei schon viel Mehrwert durch KI generiert worden. „Jede:r Entwickler:in hat es geschafft, im eigenen Arbeitsalltag effizienter zu sein. Jetzt liegt es an den Unternehmen, herauszufinden, wie sie die Zeitersparnis global verwerten können.” In der Zwischenzeit, so Zemmel mit einem Augenzwinkern, profitieren vor allem die Hunde der Entwickler:innen, für die nun mehr Zeit zum Gassigehen übrig bleibt.
Zum Schluss nennt Zemmel noch drei Zahlen, die man in Unternehmen bei der Implementierung von KI-Technologien beachten muss:
Zu den großen Verlierer:innen der KI-Revolution zählten bisher Content Creator, die ihre Inhalte online veröffentlicht und damit nicht nur interessierten User:innen, sondern auch KI-Modellen frei zur Verfügung gestellt haben. In seinem Talk sprach Matthew Prince, CEO von Cloudflare, zusammen mit ZEIT-Redakteur Jochen Wegner genau über diese missliche Lage und wie sich Content Creator daraus befreien können. Sein Standpunkt: „Das Problem ist, dass AI den ganzen Content nimmt und diejenigen, die ihn gemacht haben, nicht dafür entlohnt. Es braucht ein Business Model, das es Content Creators erlaubt, mit ihrer Arbeit Geld zu verdienen. AI sollte für Inhalte bezahlen.” Um die dafür notwendige Wertschätzung zu steigern, müsse man sich bewusst machen: Ohne originale Inhalte könne KI überhaupt nicht arbeiten. Seine Lösung: Indem man Content Creators den Service zur Verfügung stellt, eigene Inhalte zu markieren, gibt man ihnen eine Stimme. „Content ist das wertvollste Gut in diesem Prozess. Wir müssen uns ein Stück Kontrolle von AI zurückholen.”
Bleibe mit dem XPLR: Newsletter immer auf dem Laufenden!