Kerstin Schmidbauer: Die Erfolgs-Produzentin von Constantin Film

Von Dr. André Gärisch
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Media Manager

Foto: Constantin Film

Kerstin Schmidbauer zählt zu den erfolgreichsten Filmproduzentinnen Deutschlands und ist vor allem für ihre Umsetzungen der Eberhofer-Krimis von Rita Falk bekannt. Im Interview spricht sie über ihr kürzlich abgeschlossenes Actionthriller-Projekt für Netflix, herausfordernde Momente am Set und die Potenziale von künstlicher Intelligenz in der Filmindustrie.

Frau Schmidbauer, Sie haben kürzlich an einem neuen Filmprojekt gearbeitet. Können Sie uns einen Einblick geben, worum es dabei geht?

Kerstin Schmidbauer: Es handelt sich um einen Actionthriller namens „Exterritorial“, den wir für Netflix produziert haben. In der Hauptrolle spielt Jeanne Goursaud eine ehemalige Special-Forces-Soldatin, deren kleiner Sohn bei einem Besuch des Frankfurter US-Konsulats spurlos verschwindet. Niemand scheint sich daran zu erinnern, dass er das Gebäude je betreten hat. Auf der verzweifelten Suche nach ihrem Kind taucht sie schließlich im Labyrinth des Konsulats unter. Das Drehbuch stammt von Christian Zübert, bekannt durch „Lammbock“, der auch Regie führte. Der Film beinhaltet ungewöhnliche Kampfszenen, die intensiv über mehrere Wochen geprobt wurden. Für uns war es eine spannende Gelegenheit, diese außergewöhnliche Geschichte erzählen und mit Netflix zusammenarbeiten zu können.

Wir sind gespannt! Wann war für Sie klar, dass Sie Produzentin werden wollten?

Schmidbauer: Es war ein schrittweiser Prozess. Als Kind habe ich die bayerischen Serien, etwa von Helmut Dietl, regelrecht vergöttert. Später ging ich mit meiner kunst- und filmbegeisterten Clique regelmäßig ins Kino. Ich erkundigte mich dann direkt nach dem Abitur an der Münchner Filmhochschule, war aber noch unsicher, welche Richtung ich einschlagen wollte. Dort sagte man mir, ich sei noch zu unerfahren und empfahl mir, erst einmal etwas anderes zu studieren.

Wie ging es weiter?

Schmidbauer: Ich absolvierte Praktika, studierte ein paar Semester Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, vergleichende Literatur und sogar BWL, fühlte mich aber irgendwie fehl am Platz. Der entscheidende Moment war dann ein Interview mit Bernd Eichinger, in dem er über die Finanzierung seines Films „Das Geisterhaus“ sprach. Ich fand seine „Schachzüge“ genial und stellte mir vor, wie toll es sich anfühlen musste, all die verschiedenen Elemente eines Projekts erfolgreich zusammengeführt zu haben. Das war für mich die Initialzündung, Produzentin werden zu wollen. Schließlich bewarb ich mich an der HFF München für ein Studium der Produktion und Medienwirtschaft – und empfand es als großes Glück, genommen zu werden.

„Insbesondere München bietet große Vorteile, da hier viele kreative Menschen unterschiedlichster Art leben. München ist kleiner als etwa Berlin – man kennt sich gut und kann sich schnell austauschen.“

Was folgte nach dem Studium?

Schmidbauer: Auf Initiative von Senator Film, die mit mir gleich nach dem Studium eine Firma gründen wollten, begann ich Ende der neunziger Jahre mit ersten Projekten. Eines bestand darin, aus dem Kurzfilm „Clowns“ von Regisseur Tim Trageser einen Langfilm zu machen. Ehrlich gesagt fühlte ich mich dieser Herausforderung noch nicht gewachsen, denn im Studium lag der Schwerpunkt klar auf Kurzfilmen. Mein Weg war es, erst mal als Producerin zu arbeiten, um dann anschließend selbst Produzentin zu werden (Anm. d. Redaktion: Produzent:innen tragen Verantwortung für den technischen und wirtschaftlichen Gesamterfolg, während Producer:innen organisatorische Aufgaben übernehmen und die Projekte betreuen). 2006 gelang mir dieser Sprung bei der Constantin Film; dort war ich für viele Jahre auch als Geschäftsführerin der Constantin Television verantwortlich, die ich zusammen mit Robin von der Leyen aufgebaut habe.

Die Herausforderung der Buchverfilmung

 

Sie haben bereits viele literarische Werke in Filme übersetzt, wie die Eberhofer-Krimis von Rita Falk, Ken Follets „Pfeiler der Macht“ oder „Der Fall Collini“ von Ferdinand von Schirach. Sind Leser:innen von adaptierten Büchern ein besonders kritisches Publikum?

Schmidbauer: Definitiv. Das kann ich auch von mir selbst sagen: Wenn eines meiner Lieblingsbücher verfilmt wird, bin ich schon auch manchmal kritisch. Wir müssen uns bewusst machen, dass es bei der Verfilmung eines bekannten Werkes eine große Fangemeinde gibt, die Erwartungen mitbringt. Diese Erwartungen nehme ich immer sehr ernst. Ein erheblicher Teil meiner Arbeit besteht deshalb darin, mich intensiv mit den Kommentaren der Leser:innen auseinanderzusetzen. Zum Glück hinterlassen sie oft detaillierte Rückmeldungen darüber, was ihnen an den Büchern besonders gefallen hat und was vielleicht nicht so gut. Das ist für mich wertvolles Recherchematerial, um die Schwerpunkte zu erkennen und die Stärken der Vorlage zu verstehen.

Wie wichtig ist es bei Literaturverfilmungen, eng mit den jeweiligen Autor:innen zusammenzuarbeiten?

Schmidbauer: Idealerweise interessieren sich die Roman-Autor:innen für unsere Arbeit, und es entsteht ein befruchtender Dialog. Allerdings unterscheiden sich die Persönlichkeiten: Die einen Autor:innen sagen „Ich halte mich raus“, während andere jede Drehbuchfassung aufmerksam lesen und mit Vorschlägen aktiv mitwirken. Ich kann mit beiden Haltungen gut umgehen.

Der Prozess zum fertigen Film: Von der Inspiration bis zur Entscheidung

 

Wie wählen Sie Stoffe aus?

Schmidbauer: Ausgangspunkt ist immer etwas Persönliches – ein Moment, in dem mir etwas Spannendes begegnet, ich zum Beispiel etwas lese oder eine Idee habe, die mich nicht loslässt. Im nächsten Schritt folgt der professionelle Blick: Hat die Idee Potenzial? Wie und mit wem lässt sie sich bestmöglich umsetzen? Bevor ein Projekt konkreter angegangen werden kann, besprechen wir dies natürlich auch intern. Meinungen aus verschiedenen Bereichen – auch aus dem Verleih und Marketing – sind für mich immer mitentscheidend, um die Erfolgsaussichten eines Projekts zu bewerten.

Wie stellen Sie die Teams für Ihre Filmprojekte zusammen? Arbeiten Sie eher intuitiv oder orientieren Sie sich an spezifischen Kriterien?

Schmidbauer: Kommt ein Stoff von mir, suche ich zunächst eine:n Drehbuchautor:in, manchmal in Kombination mit der Regie. Die weiteren Head of Departments, wie Kamera, Schnitt, Kostümbild oder Szenenbild, wähle ich dann gemeinsam mit der Regie und den Herstellungsleiter:innen aus. Natürlich berücksichtigen wir dabei auch gewachsene Verbindungen, etwa wenn ein Regisseur mit bestimmten Teammitgliedern gerne zusammenarbeitet. Vor der Entscheidung diskutieren wir intensiv, schauen andere Filme zum Vergleich an und versuchen Akteur:innen auszumachen, die zum geplanten Look des Films passen. Manchmal spielen auch ganz konkrete Kriterien eine Rolle: Bei einem historischen Film benötigt man etwa beim Szenenbild jemanden, der Erfahrung mit großen Teams und komplexen Bauten hat.

Hinter den Kulissen: Kerstin Schmidbauer (2. v. rechts) am Set für die beliebte Eberhofer-Krimireihe. // Foto: Kerstin Schmidbauer

Sie sind ein absoluter Publikumsliebling: Die Eberhofer-Krimis der Autorin Rita Falk. Kerstin Schmidbauer produzierte die Filme. // Foto: Constantin Film Verleih/ Bernd Schuller

Auch „Der Fall Collini“ mit Elyas M'Barek gehört zu den Filmen von Kerstin Schmidbauer. // Foto: Constantin Film Verleih/ Edith Held

Greifen Sie stark in kreative Prozesse ein oder gewähren Sie den beteiligten Akteur:innen maximalen Freiraum?

Schmidbauer: Bei Filmprojekten arbeiten viele verschiedene Persönlichkeiten über längere Zeit zusammen, um ein großes Ziel gemeinsam zu erreichen. Würde dabei jemand sein Ego über das der anderen stellen, würde das alles gefährden. Im kreativen Bereich diskutiere ich zwar schon leidenschaftlich mit den Beteiligten, gerade wenn ich von einer Idee überzeugt oder noch nicht so ganz überzeugt bin, versperre mich aber keinesfalls Argumenten. Mir geht es immer um einen offenen Austausch, den suche ich regelrecht, und ich möchte die Kreativen immer bestmöglich unterstützen.

In einem Ihrer letzten Filme, „Flunkyball“, hatten Jugendliche die Hauptrolle. Sehen Sie bei der Arbeit mit sehr jungen Schauspieler:innen zusätzliche Herausforderungen, die sich von der Arbeit mit Erwachsenen unterscheiden?

Schmidbauer: Es kommt darauf an, wie viel Erfahrung die Jugendlichen haben. Manche sind Vollprofis mit Schauspielausbildung, während andere enormes Talent mitbringen, aber stärker geführt werden müssen. In solchen Fällen unterstützen wir sie mit Schauspieltraining im Vorfeld.

Die Münchner Filmhochschule als Sprungbrett in die Filmbranche

 

Sie haben durch Ihre Rita-Falk-Verfilmungen und durch Constantin Film eine enge Verbindung zu Bayern. Welche Vorteile bietet aus Ihrer Sicht der Medienstandort Bayern?

Schmidbauer: Insbesondere München bietet große Vorteile, da hier viele kreative Menschen unterschiedlichster Art leben. Die Münchner Filmhochschule war für mich eine hervorragende Möglichkeit, in der Filmbranche Fuß zu fassen. Ich habe dort Gleichgesinnte kennengelernt, mit denen ich über die Jahre hinweg zahlreiche Projekte umgesetzt habe. Ein weiterer Vorteil: München ist kleiner als etwa Berlin – man kennt sich gut und kann sich schnell austauschen.

Zum Abschluss: Welche Trends in der Filmproduktion werden die nächsten Jahre prägen?

Schmidbauer: Künstliche Intelligenz wird eine immer größere Rolle spielen, etwa bei den Visual Effects, wo sie jetzt schon hilft, schnellere und noch präzisere Umsetzungen zu ermöglichen. Für den kreativen Prozess, beispielsweise bei der Erstellung oder Unterstützung beim Drehbuchschreiben, bin ich aber kritisch, da das Prinzip der KI auf bestehenden, stereotypischen Mustern basiert und der kreative Prozess aus meiner Sicht nicht zu ersetzen ist. Inhaltlich beobachte ich den Trend, dass die Geschichten wieder „wärmer“ werden. Diese Sehnsucht nach authentischen und auch emotional starken Geschichten und Charakteren entwickelt sich vielleicht auch als eine Art Gegenbewegung zur KI.

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