Lena Jakat (l.) und Claudia Paganini über die Frage, ob KI Chance oder Risiko für den Journalismus ist. Fotos: Valerie Schmidt / Die Fotografen Innsbruck
Gefährdet KI die journalistische Glaubwürdigkeit?
Künstliche Intelligenz kommt in Medienhäusern schon länger zum Einsatz. Neu ist die explosionsartige Qualitätssteigerung von KI-generierten Inhalten. Setzt deren Verwendung das Vertrauen in journalistische Arbeit aufs Spiel? Lena Jakat, stellvertretende Chefredakteurin der Augsburger Allgemeinen, und Claudia Paganini, Professorin für Medienethik an der Hochschule für Philosophie in München, im Gespräch über Chancen und Risiken.
Prof. Dr. Claudia Paganini, Lena Jakat: Leser:innen sehen, wie einfach es ist, mit künstlicher Intelligenz Texte und Bilder zu erstellen. Leidet darunter die journalistische Glaubwürdigkeit?
Paganini: Die neuen Medien sind an sich nicht dysfunktional. Sie machen nur sichtbar, was vorher in der Kommunikation schon problematisch war. Wenn wir zum Beispiel über KI-generierte Bilder sprechen, hätten wir schon früher über deren Glaubwürdigkeit nachdenken sollen. Ein Bild ist immer auch Interpretationsleistung, aber die Betrachtenden unterstellen üblicherweise Augenzeugenqualität.
Jakat: Meiner Erfahrung nach kann es im Alltagsstress in den Lokalredaktionen leider immer mal wieder vorkommen, dass Archiv- und Symbolbilder unsauber eingesetzt werden. Da besteht mit KI eine Chance. Erstens, um transparenter zu machen, wo man keine originären Bilder hat. Und zweitens, um etwas optisch zu bereichern. Wir brauchen nicht immer wieder das gleiche Blaulicht zu Polizeimeldungen. Wichtig ist, im Sinne der Vermittlung von journalistischer Glaubwürdigkeit KI-generierte Inhalte zu kennzeichnen.
KI-generierte Inhalte: Transparenz statt Wahrhaftigkeit als Leitwert
Wie sollten KI-generierte Inhalte gekennzeichnet werden?
Jakat: Wir sollten künftig sowohl zeigen, dass ein Inhalt mit KI erstellt wurde, als auch die Person benennen, die die KI steuert. Dann wird auch klar, dass es immer eine Mensch-Maschine-Interaktion gibt. Und dass menschliche Redakteur:innen die Inhalte auch kontrollieren.
Paganini: Ich denke, dass wir viel stärker Transparenz als Leitwert anvisieren sollten als zum Beispiel Wahrhaftigkeit. Es sollte klar werden, dass es einen Menschen im Hintergrund gibt, der die Verantwortung hat und greifbar ist. Beim Publikum gibt es noch einiges an Medienkompetenz nachzuholen. Da muss allerdings viel passieren, damit zum Beispiel auch einer Regierung bewusst wird, wie wichtig es ist, da zu investieren.
»Wichtig ist, im Sinne der Vermittlung von journalistischer Glaubwürdigkeit KI-generierte Inhalte zu kennzeichnen.«
Lena Jakat, Foto: Valerie Schmidt
Im US-Wahlkampf wird eine KI-generierte Fake-News-Schwemme erwartet, um politische Gegner:innen zu diffamieren. Können solche Inhalte das Vertrauen der Bevölkerung in Medien dauerhaft schädigen?
Paganini: Zunächst einmal denke ich, dass es in dem Fall zu einer Verunsicherung kommt. Und das ist gefährlich, weil diese Verunsicherung ausgenutzt werden kann, um Verschwörungsmythen zu platzieren. Natürlich ist es ein Problem, wenn technische Neuerungen die Gefahr der Manipulation erhöhen. Die bestand aber auch schon ohne KI-generierte Inhalte. Wir brauchen Vertrauen, deswegen müssen wir die Frage beantworten, wie wir Menschen das Gespür an die Hand geben zu erkennen, was solide Quellen sind. Qualitätsmedien haben ihren Preis, aber die Menschen können sich sicher sein, gut informiert zu sein.
Brauchen wir also ein „AI free“-Siegel?
Jakat: Ich bin bei der Verbreitung von Verschwörungsmythen nicht so pessimistisch. Wir haben in Momenten der Krise, wie zum Beispiel während der Pandemie, gesehen, dass die großen, seriösen Medienhäuser einen Zulauf verzeichneten. Es gibt natürlich den Teil, der sich von den demokratischen Institutionen wegbewegt. Und dass dieser Teil wächst, beobachten wir mit Sorge. Wir müssen im positiven Sinne stärker für den Journalismus werben und den Beitrag kommunizieren, den wir für die demokratische Gesellschaft leisten.
Paganini: Das möchte ich noch bestärken, denn wir sehen in diversen Jugendstudien auch, dass gerade junge Menschen auf Qualitätsmedien vertrauen. Das ist ein gutes Signal, denn das Vertrauen ist da.
Fachkräftemangel im Journalismus: Arbeit durch KI effizienter und attraktiver gestalten
Menschengemachter Journalismus erfährt eine Aufwertung und wir brauchen ein starkes menschliches Korrektiv. Ist damit die Frage, ob KI Arbeitsplätze wegnimmt, beantwortet?
Paganini: Möglicherweise ist das Problem im Journalismus weniger gravierend. Denn technische Neuerungen ersetzen in der Regel Tätigkeiten, für die es nur geringe Qualifizierung braucht.
Jakat: Es ist illusorisch zu denken, dass KI keine Effizienzsteigerung ist. Allerdings hat der Fachkräftemangel den Journalismus schon längst erreicht. Wenn wir redundante Tätigkeiten vermeiden, macht das den Job attraktiver. Gerade für uns im Lokaljournalismus geht es aktuell nicht darum, Mitarbeitende auf die Straße zu setzen, sondern Bereiche abzudecken, wo uns die Leute fehlen. Zudem stehen wir im Lokalen vor der Herausforderung, in der Breite vor Ort zu sein. Wenn wir KI im Produktionsverlauf dafür nutzen, Texte zu kürzen oder für verschiedene Kanäle aufzubereiten, schaffen wir mehr Zeit. Wenn wir Dokumente wie Gemeinderatsprotokolle kürzen oder Reporter:innen eine Zusammenfassung an die Hand geben, können diese schneller erkennen, welche spannenden Geschichten drinstecken.
»Wir brauchen Vertrauen, deswegen müssen wir die Frage beantworten, wie wir Menschen das Gespür an die Hand geben zu erkennen, was solide Quellen sind.«
Prof. Dr. Claudia Paganini, Foto: Die Fotografen Innsbruck
Wo setzen Sie KI ein, um Inhalte zu generieren?
Jakat: Wir arbeiten gerade daran, Terminankündigungen von örtlichen Institutionen zu automatisieren. Wenn zum Beispiel ein Kindergartenfest stattfindet, braucht es für die Print-Ausgabe einen Zweizeiler mit Zeit, Ort und Infos zur Verpflegung. Dafür soll es eine Eingabemaske geben, in die Kindergärten einfach ihre Informationen eintragen, und ein KI-generierter Text entsteht. Hier sparen wir Ressourcen, verbessern aber auch die Qualität, weil ein potenzieller Übertragungsfehler ausgeräumt ist.
Könnte es für Medienhäuser denn auch ein Vorteil sein, KI strategisch zu boykottieren?
Paganini: Das ergibt nicht viel Sinn. Quer durch die Kulturgeschichte gab es bei großen medialen Umbrüchen immer starke Emotionen. Die einen sind euphorisch, die anderen reagieren panisch. Verweigerung ist nicht sinnvoll, weil wir eben in genau dieser Welt leben, in der technischer Fortschritt stattfindet und die wir mitgestalten sollten. Es ist unsere Aufgabe, mit der Realität umzugehen, und nicht, uns ihr zu entziehen
Jakat: Natürlich ist KI auch eine Herausforderung für uns selbst, weil wir uns bewusst machen müssen, was eigentlich unsere Rolle ist und wie wir unser Handwerk sauber betreiben. Wir sollten über den Wert von eigener Recherche, also originärer journalistischer Produktion, sprechen und welchen gesellschaftlichen und demokratischen Mehrwert wir als Journalist:innen schaffen. Kuration war noch nie das, was ein Medienhaus eigentlich ausmacht. Wenn wir transparent sind und für unsere Arbeit werben, steckt da enormes Potenzial drin. Jetzt ist ein guter Moment dafür.
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