Maxi Gräff von Microsoft Xbox: „Spiele bedeuten mir alles“

Von Nora Beyer

Maxi Gräff ist Integrated Marketing Lead Xbox DACH und verantwortlich für die Marketingkommunikation im deutschsprachigen Raum. / Foto: Maxi Gräff

Die ehemalige GamePro-Redakteurin und Leiterin des offiziellen „Die Sims-Magazin” Maxi Gräff ist eine der wenigen Frauen in einer Führungsposition in der deutschen Gamesbranche. Seit 2015 arbeitet sie für Microsoft Deutschland in München, seit 2020 ist sie Integrated Marketing Lead Xbox DACH und verantwortlich für die Marketingkommunikation im deutschsprachigen Raum. Im Interview verrät sie, vor welchen Herausforderungen Frauen in der Games-Industrie stehen, wie Spiele emotional unterstützen können und welche Orte man als games-affine Münchner:in kennen muss.

Maxi, du bist seit über sieben Jahren bei Microsoft. Seit 2020 bist du Gesicht und Hirn der Marketingkommunikation. Wie kann man sich deinen Arbeitsalltag vorstellen?

Maxi Gräff: Der gestaltet sich danach, in welchem Zyklus im Geschäftsjahr wir sind. Das beginnt im Sommer. Ein halbes Jahr vorher starten wir in die Planung – entwickeln mit Agenturen Pläne für kommende Spiele, verteilen Budgets und überlegen, in welche Produktsparten wir wieviel Marketingaktionen stecken. Unter der Marke Xbox subsumiert sind Konsole, Controller, Headsets, die ganzen Spiele der 23 Spielestudios und unser Abo-Service – der Xbox Game Pass. Wenn wir wissen, welche Spiele kommen, noch bevor sie angekündigt wurden, und eigene Ideen entwickeln können – das ist eine extrem spannende Zeit! Wenn die Ideen feststehen und das Budget genehmigt ist, geht es in den zweiten Zyklus: die Ausführung. Die dauert vom Sommer bis zum Weihnachtsgeschäft und darüber hinaus. Immer abhängig von unserem Release-Kalender.

Brandneue Spiele vor allen anderen kennen und spielen – klingt nach Traumberuf?

Maxi: Im Arbeitsalltag steht je nach Zyklus auch oft Organisatorisches an. Das heißt manchmal schlicht, Unmengen von E-Mails zu schreiben und zu beantworten. Meine größte E-Mail-Flut hatte ich zur letzten gamescom. Der Part, der mir am meisten Spaß macht: Wenn man dann rein geht in das Event – sei es eine gamescom oder ein eigenes Launch-Event oder eine Influencer-Kampagne  – und mit den Menschen spricht, die passioniert sind für die Produkte. Das sind die Früchte, die man erntet. Davon zehre ich immer, wenn es mal stressig ist.

Maxi Gräff: Spiele als Medium kultureller Erfahrung

 

Wie bist du denn selbst in die Branche gekommen?

Maxi: Ich habe Medienmanagement mit Fachrichtung PR an der Hochschule Macromedia hier in München studiert. Meine Abschlussarbeit habe ich zu „World of Warcraft” geschrieben. Frag mich nicht, wie der Titel war – das ist schon achtzehn Jahre her! Das war der erste Berührungspunkt mit Games. Für Websites habe ich Previews und Reviews geschrieben. Das war damals nicht bezahlt. Aber: Ich habe die Spiele, die ich getestet habe, gratis bekommen. Als Student macht man das gerne. Für eine Plattform war ich damals auf der gamescom. Und als ausstellende Person kriegt man Zugang zu den Branchenevents. Auf einer Branchenparty habe ich die Mitarbeiter von GameStar/GamePro kennengelernt. Die waren auf der Suche nach redaktioneller Verstärkung und ich habe mich beworben und wurde genommen.

Was bedeuten denn Spiele für dich?

Maxi: Woah. Alles!

Alles?

Maxi: Ich erkläre es mal so: Sie sind ein begleitendes Medium, das mich in unterschiedlichen emotionalen Lagen unterstützt. Wenn ich Stress habe, sind Spiele ein Ort, an dem ich entspannen kann. Spiele sind außerdem ein Medium, wo ich neue Freundschaften knüpfe, und ich spiele auch viel mit bestehenden Freunden zusammen. Und: Spiele sind für mich ein Medium, in dem ich kulturelle Erfahrungen machen kann – Ideen, Geschichten, Emotionen stecken ja in Spielen. Das baut Empathie auf. Das sind die drei Grundfunktionen, die Spiele in meinem Leben einnehmen. Je nach Lage stehen sie mir zur Seite und können mich unterstützen.

Im Zuge der Sexismus-Klagen gegen führende Games-Unternehmen in den letzten Jahren wurde einmal mehr deutlich, dass Frauen in der Spielebranche bis heute keinen einfachen Stand haben. Was sind deine Erfahrungen: Welchen Herausforderungen sehen sich Frauen gegenüber?

Maxi: In meinen Anfängen als Spielejournalistin war das extrem. Da wurde man von Publishern eingeladen, um die Spiele zu testen. Ich glaube, in meinen ersten drei Jahren habe ich nur eine einzige andere Frau aus Deutschland auf so einem Event gesehen. In den Redaktionen konnte man die Frauen an einer Hand abzählen. Was mir schon damals aufgestoßen ist: Wenn man auf Events war, wurde man als Frau anders behandelt. Entwickler haben mir bestimmte Begriffe erklärt, als könnte ich das als Frau nicht wissen. Auf einem Shooter-Event kam ein Spieler zu mir und fragte, ob er für mich spielen soll. Gleich am Anfang – der hat nicht mal gewartet. [lacht] Wenn ich wenigstens schlecht gespielt hätte! Das wirkt wie Kleinigkeiten. Aber die häufen sich.

Was hat sich seitdem geändert?

Maxi: Rückblickend denke ich: Krass, wie viel aus heutiger Sicht Problematisches damals passiert ist. Ich habe das als normal empfunden. Auch, weil der Austausch mit Frauen gefehlt hat. Eben weil es so wenig andere Frauen in der Branche gab, bin ich nicht zu einer anderen Frau und habe gefragt: Sag mal, hast du das auch erlebt? Im Nachhinein ärgert mich das. Ich wünschte, ich hätte das früher angesprochen und mich mehr dafür eingesetzt, Gleichberechtigung in meinem Arbeitsumfeld zu erleben. Das hat sich geändert. Mittlerweile sieht man in der Branche viele Frauen, gerade im Social-Media-Umfeld. Es gibt Streamerinnen, YouTuberinnen, Entwicklerinnen. Diese Veränderung zu sehen macht mich sehr glücklich. Wir sind noch nicht am Ende, aber es tut sich was und die Entwicklung verläuft relativ steil.

Auch Quereinsteigerinnen haben Chancen in der Games-Branche

 

Frauen in Führungspositionen sind in der Games-Branche aber immer noch eine Seltenheit. Was müsste sich hier ändern?

Maxi Gräff: Das ist zum Teil historisch gewachsen. In eine Führungsposition steigt man ja oft nach einer bestimmten Zeit im Unternehmen auf. Und eben weil Frauen noch gar nicht so lange in der Branche arbeiten, fehlen sie noch an der Spitze. Das heißt nicht, dass es nicht fantastische Frauen aus anderen Branchen gibt, die im Gaming eine Führungsposition übernehmen können. Man muss nicht jeden Titel von „Call of Duty” nennen können, um einen Job in der Gaming-Branche zu bekommen. Man muss keine Gaming-Expertin sein, um in einer Leadership-Position in der Games-Branche arbeiten zu können. Genau solche Vorurteile wirken oft abschreckend. Personalmanagement, Marketing – da sind ganz andere Skillsets gefragt.

Dazu kommt noch, dass sich Stellenausschreibungen – nicht nur in der Games-Branche – beängstigend lesen. Nur: Sie entsprechen nie der Wahrheit im Alltag. Ich glaube, Frauen denken häufiger, sie müssten jeden einzelnen Punkt erfüllen, um eine Chance zu haben. Das stimmt nicht.

Du lebst und arbeitest in München. Welche bayerischen local heroes der Gaming-Community fallen dir ein?

Maxi Gräff: Wir hatten vor der Pandemie einen Münchner Gaming-Stammtisch. Da waren auch Menschen von Activision Blizzard und Rockstar dabei und ein paar PR-Agenturen. Der war aber recht gemütlich, nicht sehr groß. Aber es gibt einige Spieleschmieden und Publisher-Standorte und viele Indie-Studios.

Und wo geht man als games-affine Münchner:in hin?

Maxi Gräff: Games/Bavaria macht immer wieder Events und auch die Computerspieleakademie München. Im Kulturzentrum Gasteig finden Games-Veranstaltungen statt, zum Beispiel die Reihe „Gaming für neugierige Einsteiger*innen”. Es gibt auch eSport-Vereine wie etwa Munich eSports e.V., bei denen man mitmachen kann.

Games sind ein wichtiger Teil unserer kulturellen Entertainment-Medien. Sobald man das begreift, wäre es an der Zeit, diese Räume zu schaffen und das Medium für alle zu öffnen.

 

Was ginge noch besser?

Maxi Gräff: Mein absolutes Stadtvorbild ist Stockholm. Wir haben so Fanartikel-Places wie Elbenwald, aber in Stockholm gibt es sowas an jeder Ecke. Da gibt es Cafés für Pen-and-Paper-Spiele. Mitten in der Innenstadt wurden Plätze geschaffen, wo sich die Gaming-Community treffen und austauschen kann. Statt der zehnten Gin-Bar könnte man mehr Raum schaffen für solche Community-Orte. Meine Lieblings-Bar in Stockholm ist die Kappa Bar. Da sitzt man an einem Tisch mit Controllern und isst und trinkt und spielt dabei. Da gibt es Games-Quiz-Abende und die Drinks sind nach Mana-Tränken benannt und alles ist mit viel Liebe zu Spielen gemacht. Ich glaube, der Bedarf für solche Orte ist da. Spiele werden immer populärer, das sieht man an Filmen und Serien wie „The Last of Us” und an großen Fashion-Labels, die in Spiele investieren. Gaming ist präsent geworden und mittlerweile ist beim letzten Nicht-Gamer angekommen, dass Games ein wichtiger Teil unserer kulturellen Entertainment-Medien sind. Sobald man das begreift, wäre es an der Zeit, diese Räume zu schaffen und das Medium für alle zu öffnen.

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