RadioADMaker: Wie ein KI-Tool den Radio-Werbemarkt beleben soll

von Lisa Priller
Johannes Ott ist seit 2021 Geschäftsführer von Radio Gong 96,3. Ein Leben ohne Radio mag er sich nicht vorstellen. Foto: Sebastian Arlt

Der Münchner Lokalsender Radio Gong setzt auf künstliche Intelligenz. Mit dem RadioADMaker können Werbetreibende innerhalb von drei Minuten einen Radiospot texten, produzieren und buchen. Die Branche braucht solche Innovationen, um gegen Player wie Facebook und Spotify zu bestehen.

Vielen Menschen kommen die besten Ideen unter der Dusche. Dem Geschäftsführer von Radio Gong, Johannes Ott, kam sie beim Haareschneiden. Die Initialzündung für sein neues KI-gesteuertes Vermarktungstool lieferte sein Friseur Manuel. Er hatte auf Facebook eine Stellenanzeige geschaltet. Als Ott ihn fragte, warum er das nicht auf dem Sender mache, antwortete der Haarstylist: „Weil’s halt einfach einfach ist.“ Dagegen sei Radiowerbung sicher kompliziert umzusetzen und bestimmt zu teuer. Damit hatte Manuel einen wunden Punkt getroffen. Konzerne wie Meta saugen der Radiobranche Werbegelder ab, die einzige Einnahmequelle der privaten Sender. Für Ott war sofort klar: Wir brauchen ein Tool, mit dem Werbekunden ihre Spots selbst kreieren können – ohne großen Aufwand und zum kleinen Preis. So wurde Manuel, der Ott oftmals schon gute Ideen für Radiobeiträge oder Senderformate geliefert hatte, zum Geburtshelfer des RadioADMakers.

Radiowerbung im Wandel: So funktioniert der RadioADMaker

 

DIE KI TEXTET, SPRICHT UND PRODUZIERT DEN WERBEBEITRAG

Die Handhabung des RadioADMakers ist denkbar einfach: Werbetreibende geben an, was sie bewerben wollen – zum Beispiel „Sechs Weißwürste zum Preis von vier. Nur an diesem Samstag bei Metzger Moser“ – und die KI liefert aus den Kerninformationen mehrere Textvorschläge. Dabei kommt ChatGPT zum Einsatz. Dann wählen Kund:innen aus verschiedenen Stimmen und Musik die passende Kombination aus und das Programm produziert mithilfe synthetischer Stimmen den fertigen Spot. Buchende können angeben, in welcher Region die Werbung ausgestrahlt werden soll – ob München, Freising, Starnberg oder auch im Bundesgebiet. Der Preis richtet sich nach der gewünschten Reichweite (Tausenderkontaktpreis TKP), gezahlt wird direkt auf der Plattform, zum Beispiel per Paypal oder Kreditkarte.

DIE KI-BASIERTEN SPOTS DÜRFEN NICHT GLEICH INS HAUPTPROGRAMM

Noch hört man den Spots an, dass sie von synthetischen Stimmen gesprochen werden. „Die Sprachsynthese ist noch nicht auf dem Niveau, das wir gerne hätten“, räumt Ott ein. Deshalb sind die KI-Spots bislang nur als sogenannte Pre-Streams zu buchen. Das heißt, sie laufen nicht auf dem UKW-Sender Radio Gong, sondern werden ausschließlich in den Webradio-Angeboten vor Start des Programms platziert. „Wir gehen jedoch davon aus, dass in spätestens einem Jahr kein Unterschied mehr zu hören sein wird“, sagt der Radiomanager. Perspektivisch sollen dann auch die hochwertigen Werbeeinblendungen mit maschineller Unterstützung produziert werden. Aber eben erst, wenn die Stimmqualität wirklich passt. Bislang kann die KI nur Hochdeutsch. In naher Zukunft soll es aber auch möglich sein, Spots in unterschiedlichen Dialekten auszuspielen.

Worauf Ott und sein Sales-Team Wert legen: Jede Audiowerbung wird vor der Ausstrahlung von Mitarbeitenden geprüft. „Wir wollen uns nicht alleine auf einen Algorithmus verlassen“, so der Geschäftsführer. Der interne Prüfprozess gewährleistet, dass die Inhalte den Werberichtlinien entsprechen. „Dieses Angebot ist vor allem für kleine Betriebe reizvoll, die ohne großen Aufwand und ohne lange Vorlaufzeiten ihre Angebote platzieren möchten“, sagt Ott. Schlüsseldienste, Vereine oder ein Airbnb- Anbieter am Tegernsee gehören zum neu erschlossenen Kundenkreis. Sie profitieren von den – im Vergleich zu einem nicht KI-basierten Spot – deutlich niedrigeren Kosten. Ein Spot kostet 140 Euro pro 1.000 Kontakte, inklusive Text, Moderation und Produktion. Je mehr Kontakte man bucht, desto günstiger wird es. Bei einer klassischen Buchung kostet allein die Produktion des Spots schon rund 500 Euro.

 

Fotos: Sebastian Arlt

RadioADMaker zieht internationales Interesse auf sich

 

KEINE ZUSÄTZLICHEN PERSONALKOSTEN IM SALES-BEREICH

Radio Gong ist mit dem ADMaker Innovationsführer. Das neue Vermarktungstool „made in Munich“ kann auch von anderen Radiostationen genutzt werden. Ott zufolge klopfen Sender aus ganz Europa in München an. Sogar Anfragen eines großen Radio-Networks aus den USA gebe es. „Inzwischen haben wir den ADMaker AT mit Antenne Vorarlberg gestartet. Außerdem ist Audiotainment Südwest mit RPR1 an Bord sowie 107,7 Stuttgart, Radio Ton, KulthitRADIO NRW, die Funkhäuser Würzburg und Aschaffenburg“, freut sich Ott über das Interesse im Markt. Die Branche begeistert sich für das Tool, das neue Kund:innen erschließt und dabei keine weiteren Personalkosten verursacht.

MODERATIONEN OHNE MENSCHEN? FÜR OTT KEIN THEMA

Ott hat mit dem RadioADMaker als einer der Ersten vorgemacht, wie KI-Tools eingesetzt werden können. Unterdessen ist die gesamte Branche elektrisiert von den vielen neuen Spielfeldern, die KI eröffnet. Bei den Lokalrundfunktagen in Nürnberg standen bei den Panels, in denen es um dessen Einsatz im Radiobusiness ging, die Besucher:innen bis vor die Türen. „Der Vorstoß von Radio Gong zeigt Unternehmergeist und eine ‚Erst mal machen‘-Mentalität, die in Zukunft noch stärker gefragt sein wird“, sagt Audiounternehmer und Radioberater Martin Liss, der auch Teil der Programmgruppe der Radiodays Europe ist. „Erst mal machen“, das hat sich auch das Medienhaus Audiotainment Südwest vorgenommen, zu dem die Sender BigFM und RPR1 gehören. Es plant ein neues Radioprogramm mit maschineller Unterstützung, das auf echte Moderator:innen verzichtet und trotzdem moderiert ist.

Sender, die völlig ohne Moderator:innen auskommen, wie es von der Branche auf den Radiodays auch diskutiert wurde, schließt Ott für sein Haus erst einmal aus. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen ein Programm hören wollen, wenn hörbar ein digitales Wesen spricht“, sagt Ott. „Radio ist das Medium, das das höchste Vertrauen genießt, das wollen wir keinesfalls verspielen.“ Natürlich sei es sinnvoll, wenn die KI nachts das automatische Programm für eine Geisterfahrer-Meldung unterbreche, wenn kein:e Redakteur:in im Sender ist. Doch ansonsten müsse es im Radio menscheln. „Menschen wollen Menschen hören“, sagt auch Liss.

 

»Radio ist das Medium, das das höchste Vertrauen genießt, das wollen wir keinesfalls verspielen.«

JOHANNES OTT

Foto: Sebastian Arlt

KÖNNEN INNOVATIONEN WIE DER RADIOADMAKER DIE LÖSUNG SEIN?

Die gesamte Radiobranche steht vor Herausforderungen. Streamingdienste wie Spotify greifen Mediennutzungszeit ab, Social-Media-Giganten wie Meta Werbe- Euros. Der „Share of Ear“ und der Wettbewerb um die Vermarktungsgelder – das sind die beiden großen Pain Points der Sender. „Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass der wahre Feind nicht der Nachbarsender ist, sondern die GAFA-Unternehmen, inklusive Spotify“, sagt Liss. „Es reicht schon lange nicht mehr, nur noch auf UKW präsent zu sein.“ Wer morgen noch mitspielen will, müsse sich schon heute als Audio-Content-Anbieter positionieren. „Livestreams, Sprachassistenten, Podcasts, Social Media, Newsletter und auch YouTube werden aus Content- und Sales-Sicht immer relevanter“, so die Einschätzung des Audioexperten. Es sei nur schlau, sich da zu zeigen, „wo sich die Zielgruppe tummelt“. Diese Kanäle bespielt Radio Gong auch. Dazu gibt es neben dem Hauptprogramm auf UKW zehn Web-Streams. Bei allen läuft ähnlicher Content aus Nachrichten, Service, Werbung und Moderation, nur die Musik ist unterschiedlich. Zudem wurde vor einem halben Jahr der DAB+-Sender 089Kult gelauncht. „Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet dann die Frage, ob die Hörer:innen die Inhalte auf den digitalen Ausspielwegen finden und ob die Sendungen gut empfangbar sind“, sagt Liss.

Das sind sie offenbar. Laut Reichweitenerhebung MA 2023 IP Audio konnte Radio Gong im ersten Quartal seine Online-Audioreichweite im Vergleich zum vorangegangenen Quartal um zehn Prozentpunkte steigern. Johannes Ott hat sich den Herausforderungen des Marktes gestellt, auch mit dem RadioADMaker. Laut dem Senderchef hat die neue Technologie vielleicht sogar das Zeug zum „Tool der Zukunft“. Es könnte also sein, dass demnächst auch andere Radiomanager:innen bei Manuel in Giesing aufschlagen, die sich neben einem neuen Haarschnitt etwas Inspiration erhoffen.

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