Robert Kowalski von jambit: Über KI und Hyperpersonalisierung

Von Florentina Czerny
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Foto: jambit

Der Softwaredienstleister jambit ist ein gefragter Partner, wenn es darum geht, Medieninhalte mit modernen Technologien zugänglich zu machen. Robert Kowalski ist Head of Division Media bei jambit – im Interview spricht er darüber, wie digital die Medienbranche aktuell ist und was sich in Zukunft ändern muss. 

Hand aufs Herz – wie digital und am Puls der Zeit sind journalistische Medien aktuell?

Robert Kowalski: Das ist ein bisschen wie mit Neujahrsvorsätzen. Man nimmt sich sehr viel vor und schafft es nicht immer, diese Vorsätze umzusetzen. Ich beobachte da regelmäßig eine gewisse Ironie: Medien berichten viel über KI und Digitalisierung, schaffen es aber selten, neue Technologien in ihrer eigenen Content-Produktion anzuwenden. Es gibt natürlich Unternehmen in Deutschland, die Vorreiter sind, viele stecken aber nach wie vor in ihren traditionellen Strukturen und Prozessen fest.

Du bist Head of Division Media bei jambit und verantwortest somit die Zusammenarbeit mit euren Kunden im Medienbereich. Mit welchen Unternehmen habt ihr bereits zusammengearbeitet?

Robert: Wir sind nicht einfach ein klassischer IT-Dienstleister, der Software für Medien entwickelt – wir sind der Partner, der Medienhäuser strategisch durch die digitale Transformation begleitet. Was uns unterscheidet, ist unser tiefes Verständnis für die Branche und unsere Fähigkeit, nicht nur Technologien zu liefern, sondern auch digitale Geschäftsmodelle neu zu denken. Und das mit dem Pragmatismus, den es auch mal braucht, um echte Veränderungen umzusetzen. Zu unseren Anfängen hatten wir vor allem Kunden aus dem Publishing, zum Beispiel die SZ, FAZ, das Handelsblatt, den RND, den Kicker und den Stern. In den vergangenen Jahren sind wir immer mehr ins Entertainment-Geschäft gegangen. In diesem Bereich zählen ProSiebenSat.1 und RTL zu unseren Kunden.

Durch Personalentwicklung und Weitergabe von Know-how bleibt das Unternehmen aktuell

 

Welches Projekt ist dir dabei besonders in Erinnerung geblieben – und warum?

Robert: Es gibt eine Reihe von Projekten, die wirklich herausragend sind. Zum Beispiel haben wir zusammen mit dem RND die sogenannte OnePlatformentwickelt. Das Geniale daran: Es handelt sich dabei um eine Publishing-Plattform, auf der auch andere regionale Verlage ihre eigenen Inhalte vertreiben können. Sie müssen keine eigene IT mehr haben, sondern können ihre Artikel einstellen und haben dann ihre eigene Webseite und App. Sobald die Plattform auf dem Markt war, hat sie direkt den  European (Digital) Publishing Award 2023 für das beste Geschäftsmodell“ gewonnen. Inzwischen sind über 30 Zeitungen und Regionaltitel auf der Plattform vertreten.

jambit ist bereits seit 25 Jahren ein gefragter Software-Dienstleister mit Sitz in München – wie schafft ihr es, auf dem neuesten Stand zu bleiben?

Robert: Unsere Innovationskraft basiert auf einer Kultur der kontinuierlichen Weiterentwicklung – und meine Aufgabe als Führungskraft ist es, genau diesen Spirit am Leben zu halten. Ich sehe meine Rolle darin, strategische Zukunftsthemen frühzeitig zu erkennen, mein Team zu inspirieren und den notwendigen Raum für Experimente sowie Wissenstransfer zu schaffen. Unsere Kultur steht und fällt mit den Mitarbeiter:innen, wir nennen sie intern „jambitees“. Wir stecken sehr viel Energie in die Personalentwicklung. Einmal im Jahr setzt sich jede Führungskraft mit ihren Mitarbeiter:innen zusammen und man gestaltet gemeinsam einen individuellen Plan, wo es in Zukunft hingehen soll. Dafür spielen die persönlichen Wünsche der Mitarbeiter:innen genauso eine Rolle wie die aktuellen Entwicklungen des Marktes. Wir haben außerdem eine Initiative gestartet, die sich Vertrauenslernzeit nennt. Das bedeutet: Jede:r Mitarbeiter:in kann, wenn er oder sie sich in eine bestimmte Technologie oder ein Thema freiwillig in seiner Freizeit einarbeiten möchte, die Hälfte der Zeit als Arbeitszeit buchen. Von diesem Wissensaufbau profitiert auch das Unternehmen. Wir sind auf Konferenzen unterwegs und haben einen Blick auf Wirtschaftsmedien, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. In internen Wissensformaten teilen wir unser Know-how miteinander.

Generative AI setzt das digitale Spielfeld auf Null: Viele Vorteile, die sich Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut haben, zum Beispiel ein eigenes Filmstudio, sind unter Umständen gar nicht mehr nötig, weil eine KI das in Zukunft übernehmen kann.“

Welche großen Entwicklungstrends beobachtest du in der Medienbranche zu den Themen Digitalisierung und neue Technologien?

Robert: Zum einen entwickelt sich eine starke Kundenfokussierung. Dass man die Nutzer:innen in den Mittelpunkt stellt, ist schon lange so, jetzt geht der Trend aber immer mehr hin zur Hyperpersonalisierung. Ich möchte hier zwei Beispiele nennen, die mich aktuell stark interessieren. Erstens, dass sich das User Interface einer App oder Webseite je nach individueller Nutzung anpassen kann: Funktionen, Layout, Darstellung der Inhalte usw. passen sich an jeden Nutzerin an. Zweitens die Empfehlung von Inhalten. Mittels neuer, KI-basierter Algorithmen lassen sich Inhalte empfehlen, die nicht nur besser gefallen, sondern auch die Wahrscheinlichkeit eines Abo-Abschlusses erhöhen.

Der zweite Trend betrifft die interne Organisation der Medienunternehmen: Effizienzsteigerung und Automatisierung. Das geht von der Content-Erstellung bis hin zur Distribution die gesamte Wertschöpfungskette entlang. Und dann ist natürlich generative AI ein großes Thema. Denn Generative AI setzt das digitale Spielfeld auf Null: Viele Vorteile, die sich Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut haben, zum Beispiel ein eigenes Filmstudio, sind unter Umständen gar nicht mehr nötig, weil eine KI das in Zukunft übernehmen kann.

Das zeigte zuletzt auch die Aufregung rund um DeepSeek sehr schön. Die USA bzw. ihre Big-Tech-Unternehmen, die als uneinholbar galten, wurden plötzlich von einem Kleinstunternehmen herausgefordert. Wie haben sie das geschafft? Sie mussten aus einem Mangel an Infrastruktur und Geld heraus innovativ sein. Dieses Beispiel ist doch ein großartiger Weckruf und unterstreicht, dass Firmen in Bayern, Deutschland und Europa nach wie vor eine große Chance haben. Es braucht also nur einen guten technischen Partner, ein wenig Mut, Cleverness und Kreativität.

Digitalisierung bedeutet auch Trägheit zu überwinden

 

Ihr habt in den vergangenen Jahren die Digitalisierung großer Medienhäuser wie der FAZ oder der Süddeutschen Zeitung begleitet. Was sind die Herausforderungen, wenn man ein traditionelles Medienunternehmen von den typischen Print-Ausspielwegen ins Netz umsiedelt?

Robert: Ich sage es mal so: Eine physikalische Grundfeste im Universum ist die Trägheit. (lacht) Dafür können Menschen erstmal nichts, aber natürlich macht es das schwer, Veränderungen anzustoßen. Es gibt eine bestehende Organisation und eingefahrene Arbeitsprozesse. Diese Trägheit gilt es erst einmal zu überwinden. Man muss die Mitarbeiter:innen mitnehmen und an die Technologie heranführen. Denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie sie total gerne nutzen, wenn sie erst einmal einen Use Case für sich gefunden haben. Zum anderen haben aber auch viele Angst, dass sie nicht mehr gebraucht werden, wenn man bestimmte Prozesse digitalisiert oder automatisiert. Ich sehe diese Gefahr so nicht. Durch diese Effizienzsteigerung hat man plötzlich mehr Zeit, die man nutzen kann und muss, um sich zu differenzieren. Sie ermöglicht uns, innovativ zu sein und dadurch wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Mitarbeiter:innen, sogenannt „jambitees“, sorgen dafür, dass das Unternehmen aktuell bleibt. Dafür bietet ihnen jambit verschiedene Möglichkeiten, sich weiterzubilden und das erlernte Know-how untereinander weiterzugeben. / Foto: jambit

Die Mitarbeiter:innen, sogenannt „jambitees“, sorgen dafür, dass das Unternehmen aktuell bleibt. Dafür bietet ihnen jambit verschiedene Möglichkeiten, sich weiterzubilden und das erlernte Know-how untereinander weiterzugeben. / Foto: jambit

Die Mitarbeiter:innen, sogenannt „jambitees“, sorgen dafür, dass das Unternehmen aktuell bleibt. Dafür bietet ihnen jambit verschiedene Möglichkeiten, sich weiterzubilden und das erlernte Know-how untereinander weiterzugeben. / Foto: jambit

Die Mitarbeiter:innen, sogenannt „jambitees“, sorgen dafür, dass das Unternehmen aktuell bleibt. Dafür bietet ihnen jambit verschiedene Möglichkeiten, sich weiterzubilden und das erlernte Know-how untereinander weiterzugeben. / Foto: jambit

Welche Rolle spielt KI für eure Arbeit mittlerweile? Wie hoch ist die Nachfrage bei euren Kunden?

Robert: Die Neugier und die Nachfrage nach Beratung sind enorm. Wir merken: Das Momentum, in dem man sich mit der Technologie beschäftigt und darüber diskutiert, ist da. Die Umsetzung ist allerdings immer noch eher zögerlicher. Das hat technische Gründe, das liegt an politischen Hürden und an Prozessen und Sicherheitsmechanismen, die das Ganze verlangsamen. Viele haben auch die Erwartung, dass man sofort einen deutlichen Effekt, zum Beispiel einen wirtschaftlichen Mehrwert, spürt, wenn man für einen kleinen Teilbereich KI einsetzt, und sind enttäuscht, wenn es nicht so ist. Um dem entgegenzuwirken, verfolgen wir stets einen strukturierten Prozess in der Beratung und Einführung. Zunächst müssen die internen Abläufe analysiert und entsprechend ihres Einflusses auf die Unternehmens-KPIs priorisiert werden. Anschließend konzipieren wir erste Use Cases entlang des Digitalisierungsgrades und der Fehlertoleranz der beteiligten Systeme und setzen sie um. So ermöglichen wir schnelle erste KI-Erfolge für die Stakeholder und das Unternehmen.

Müssen sich Unternehmen schneller bewegen, um den Anschluss nicht zu verlieren?

Robert: Ja. Man sieht ganz deutlich, dass sich die Mediennutzung immer schneller wandelt. Die Entscheidung liegt gar nicht mehr bei einem selbst. Der Markt, die Welt, Nutzer:innen entwickeln sich konstant weiter und blicken anders auf die Themen. Wenn man weiterhin relevant sein will, muss man Schritt halten. Dafür braucht es eine höhere Bereitschaft, sich Unterstützung von außen zu holen und nicht alles intern bewerkstelligen zu wollen. Mehr Austausch, mehr Input, mehr Diskussion – das kann ganz viel bewirken. Zum Beispiel habe ich mir im Rahmen einer Gastvorlesung an der Hochschule München zuletzt Feedback der Student:innen eingeholt, um zu verstehen, warum sie die Apps der Medienhäuser kaum direkt nutzen und stattdessen lieber über Kanäle wie YouTube, TikTok und Instagram Content konsumieren. Die Antworten waren erfrischend direkt (lacht) und zeigen, dass wir in der Medienbranche noch viel zu tun haben, um junge Menschen für unsere Angebote zu gewinnen.

Zukunftsvision: KI übernimmt für uns die Aufbereitung von Content

 

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Wie könnte sich die Branche in zehn oder 20 Jahren durch das Netz bewegen?

Robert: Dafür habe ich ein ganz klares Bild vor Augen, das auf den drei vorhin genannten Trends basiert: Ich glaube, in zehn bis 20 Jahren werden Medienschaffende nur noch ihre Gedanken oder Argumentationsketten, das was sie aussagen wollen, dokumentieren. Diese Gedanken werden dann auf den Zielseiten, dort wo sich die Nutzer:innen aufhalten, hochindividuell ausgespielt. Das Format an sich, ob der Inhalt als Podcast, Text oder Video ankommt, ist erst einmal nicht mehr relevant, weil generative AI die Umsetzung des Contents übernehmen wird. Ich kann mir vorstellen, dass wir als User:innen irgendwann nur noch Datenströme abonnieren und unsere Endgeräte uns Inhalte so ausspielen, wie wir sie am liebsten konsumieren. Diese Zukunft ist nicht nur eine Vision – sie ist eine enorme Chance für Medienhäuser, sich völlig neu zu positionieren. Aber dafür müssen sie jetzt den Mut haben, traditionelle Strukturen zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Wer wartet, spielt später keine Rolle mehr.

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