Sema Kara: Warum Filmrechte für Verlage immer wichtiger werden

Von Chris Schinke
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Foto: Penguin Random House Verlagsgruppe

Sema Kara ist Rights Managerin beim Verlag Penguin Random House und dort für die Lizenzierung von literarischen Stoffen im Bereich Film und Fernsehen zuständig. Ein Bereich, der in den vergangenen Jahren enormes Wachstum erfahren hat. Wir sprachen mit Kara über ihre Arbeit, darüber, was eine gelungene Verfilmung ausmacht und auf welche kommenden Penguin Random House-Verfilmungen das Publikum sich schon mal freuen darf.

Hallo, Sema! Du bist Rights Managerin Film und Fernsehen bei der Penguin Random House Verlagsgruppe. Welche Aufgaben beinhaltet diese Rolle und wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Sema Kara: Meine Aufgabe ist es, unsere Buchstoffe im Bereich Film und Fernsehen zu lizenzieren und mein Alltag besteht zunächst einmal darin, möglichst viele Stoffe zu lesen und zu prüfen. Ich arbeite in dieser Hinsicht sehr inhaltlich. Es geht darum, zu überlegen, welche unserer Titel sich überhaupt für eine Verfilmung eignen und welche Produktionsfirmen daran interessiert sein könnten. Ich versuche natürlich auch, möglichst viele aktuelle Film- und Serienproduktionen zu sichten. Alles, was an Buchverfilmungen rauskommt, aber natürlich auch Originalstoffe. Gerade habe ich eine unserer mehrtägigen Programmsitzungen hinter mir. Zur Penguin Random House Verlagsgruppe gehören aktuell mehr als 40 Verlage, über deren Programme ich mir auf diese Weise frühzeitig einen Überblick verschaffen kann. Zweimal im Jahr erstellen wir einen Filmstoffkatalog, in dem wir diejenigen Buchstoffe zur Verfilmung anbieten, an denen wir die Filmrechte haben.

Hier in München, wo auch euer Verlagssitz ist, sind eine Reihe von Produktionsfirmen beheimatet. Gehst du als Rights Managerin proaktiv mit Stoffen auf diese Firmen zu?

Sema: Ich bin täglich mit meinen Kontakten in den Produktionsfirmen im Gespräch. Dass viele von ihnen ihren Sitz in München haben, erleichtert die Sache. Dadurch habe ich sehr gut vor Augen, was sie jeweils interessieren könnte. Ich gehe proaktiv auf sie zu. Das sind mitunter sehr vertrauliche Gespräche, weil es manchmal auch um Bücher geht, die erst eineinhalb Jahre später erscheinen. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Produktionsfirmen auf mich zukommen und nach bestimmten Stoffen oder Themen fragen.

Literaturverfilmungen erleben international betrachtet im Moment einen Boom. Zeichnet sich der Trend auch im deutschsprachigen Raum und bei den hiesigen Titeln ab?

Sema: Absolut. Das merken wir allein schon daran, dass immer mehr Produktionsfirmen und Streamingplattformen Bookscouts haben, die den Buchmarkt nach verfilmbaren Stoffen durchforsten. Das ist eine neuere Entwicklung. Neben Eigenproduktionen bzw. Originals sind mittlerweile Bücher als Vorlagen für Verfilmungen am populärsten, noch vor Games, Podcasts, Spielzeugmarken – oder auch Filme als Vorlagen für Remakes. Ich merke im deutschsprachigen Raum sehr stark, dass Bücher und IPs, also Storys, die bereits funktioniert haben und ein breites Publikum mitbringen, gesucht werden.

 

»Zweimal im Jahr erstellen wir einen Filmstoffkatalog, in dem wir diejenigen Buchstoffe zur Verfilmung anbieten, an denen wir die Filmrechte haben.«

Sema Kara

Foto: Penguin Random House Verlagsgruppe

Immer mehr Produktionsfirmen und Streamingplattformen haben Bookscouts

 

Wieso werden gerade jetzt so viele Bücher zu Filmen?

Sema: Produktionsfirmen achten sehr genau darauf, wie erfolgreich ein Buch war, das minimiert bei einer Filmproduktion das oft hohe finanzielle Risiko, gerade in ökonomisch unsicheren Zeiten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der zeitliche. Die Produktion einer Buchverfilmung wird oft schneller realisiert als die eines Originalstoffs. Kernzielgruppe einer Verfilmung sind die, die bereits Fan der Buchvorlage sind, man nennt das »built-in audience«. Story und Struktur einer Erzählung und das sogenannte World Building sind in einer Buchvorlage auch bereits angelegt. Bestes Beispiel sind die „Harry-Potter”-Verfilmungen, die auf dem Welterfolg der Bücher aufsetzten, „Unorthodoxvon Deborah Feldman ist auch so ein Fall. Das Buch erschien 2017 und war bereits ein Bestseller, als es als Netflix-Serie verfilmt wurde. Wir haben dann die Lizenz fürs Taschenbuch erworben und brachten es zum Start mit dem Serien-Artwork heraus. Danach stieg der Titel nochmal auf der Bestsellerliste ein.

Lässt sich ein Trend bei den verfilmten Genres erkennen?

Sema: Im deutschsprachigen Raum würde ich von Dauertrends sprechen. Und zwar in den Bereichen Krimi und Thriller. Das zeigt sich sowohl im klassisch linearen Fernsehen als auch in den Mediatheken. Comedy funktioniert in Deutschland auch sehr gut. Vor allem leichte Stoffe mit einem Hang zum Eskapismus. Bekannte Welten und Familiäres, in das man sich reinfallen lassen kann. Sehr populär sind Verfilmungen von Buchtiteln aus dem New- und Young Adult-Genre und die Hoffnung ist groß, dass das weiter anhält. Außerdem sind Stoffe und Autor:innen, die divers und facettenreich von einer heterogenen Gesellschaft erzählen, sehr begehrt. Buchstoffe und deren Leser:innen, die in der Vergangenheit noch vernachlässigt wurden, rücken so sukzessive und hoffentlich langfristig in den Fokus der Filmbranche. Tatsächlich ist es aber mindestens genauso aufschlussreich, über negative Trends zu sprechen, Themen, die aktuell nicht so angesagt sind. Historisches ist zum Beispiel gerade schwer zu vermitteln. Mitunter auch, weil die Produktionskosten zu hoch sind. Eine Ausnahme sind – international betrachtet – Zweiter-Weltkrieg-Stoffe. Das ist eine Epoche, die immer wieder durchgearbeitet wird. Im englischsprachigen Raum sind auch DDR-Stoffe sehr beliebt.

Sind Verlage wie Penguin Random House im Umkehrschluss besonders an filmtauglichen Stoffen interessiert?

Sema: Beim Einkauf orientieren wir uns nicht in erster Linie an der Frage, wie gut ein Stoff verfilmbar ist. Es geht uns immer erst einmal darum, wie gut eine Geschichte ist und ob sie als Buch funktioniert. Soweit ich das mitbekomme, verhält es sich bei den anderen großen deutschsprachigen Verlagshäusern ebenso. Für die Verlagsbranche insgesamt kann man aber sagen, dass Buchvorlagen für Verfilmungen wirtschaftlich ein so bedeutender Faktor geworden sind, dass Filmrechte eine immer größere Rolle spielen – das ist auch bei uns im Haus so.

Dass Filmrechte vor der Veröffentlichung verkauft werden, ist tatsächlich schon Usus im angloamerikanischen Raum. Autor:innen unterschreiben manchmal Buch- und Filmverträge gleich gemeinsam. Literaturagenturen arbeiten dort mittlerweile sehr stark in diese Richtung und sprechen sogar ihre Autor:innen gezielt an: „Hey Soundso, wir wissen, dass diese Produktionsfirma gerade so einen Stoff sucht. Hättest du mal Lust, was in diese Richtung zu schreiben?” So formt das Kaufverhalten der Produktionsfirmen in gewisser Weise den Entstehungsprozess von literarischen Stoffen. Im deutschsprachigen Raum ist das noch nicht so weit verbreitet.

Foto: Penguin Random House Verlagsgruppe

 

Kara: Seit der Covid-Pandemie gibt es den Trend, vor allem auf Altbewährtes zu setzen

 

Welche Adaptionen eurer Titel waren zuletzt im Kino oder Fernsehen zu sehen?

Sema: Dörte Hansens „Mittagsstunde“ lief im vergangenen Jahr prominent Kino. Mit 300.000 Besucher:innen war sie der größte Arthouse-Hit 2022. Auf ZDF-Neo läuft gerade „Der Schatten“, eine Thrillerverfilmung aus der Feder von Melanie Raabe, die beim Seriencamp-Festival mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde. Auf Netflix ist aktuell die Verfilmung von „Totenfrau“ zu sehen, einem Thriller-Bestseller des österreichischen Autors Bernhard Aichner, der bereits mehrere Bücher bei uns veröffentlicht hat. Auch in den USA war die Serie erfolgreich und eine Zeit lang in den Top 10 der meistgesehenen Serien. Aktuell wird von „Totenfrau“ eine zweite Staffel gedreht. Und der Energiekrise-Thriller „Blackout“ von Marc Elsberg ist bei Joyn zu sehen.

Nach vielen Boomjahren ist das Modell Streaming zuletzt in die Krise geraten. Bei vielen stagnieren die Abonnentenzahlen. Bemerkst du aktuell eine Vorsicht auf dem Markt? Oder stellen sich bewährte Stoffe gerade als sichere Bank heraus?

Sema: Mittlerweile haben es Debüts sowohl im Buch- als auch im Filmmarkt zunehmend schwer. Seit der Covid-Pandemie gibt es den Trend, vor allem auf Altbewährtes zu setzen. Die Scouts der Streaming-Dienste suchen dabei vor allem nach Stoffen, aus denen sich leicht eine Reihe machen lässt. Momentan haben wir auf dem Filmmarkt aber auch die Situation, dass selbst sehr gut laufende Serien abgesetzt werden. Das beobachten wir natürlich genau, unsere Titel blieben glücklicherweise bislang davon verschont.

Kannst du schon verraten, auf welche Verfilmungen Zuschauer:innen sich in Zukunft freuen dürfen?

Sema: Im Bayerischen Rundfunk läuft aktuell die Verfilmung eines unserer Stoffe. Und zwar die Autobiografie des Münchner Pfarrers Rainer Maria Schießler mit dem Titel „Himmel, Herrgott, Sakrament – Auftreten statt Austreten“. Seine Lebensgeschichte wurde als sechsteilige Serie verfilmt. Abgedreht wurde im Herbst „Justizpalast“, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Petra Morsbach, der eine Münchner Richterin begleitet. Eine Ausstrahlung ist für 2024 geplant. Im Januar 2024 wird die Kinoverfilmung „Die Chaosschwestern und Pinguin Paul“, basierend auf der Kinderbuchreihe „Die Chaosschwestern“ von Dagmar H. Mueller, im Kino anlaufen. Zudem starten 2024 die Dreharbeiten für den Wirtschafts- und Wissenschaftsthriller „HELIX - Sie werden uns ersetzen“ nach dem gleichnamigen Roman von Marc Elsberg, produziert von near future films für den WDR. Wir haben natürlich noch viel mehr Projekte in Arbeit, mehr darf ich allerdings noch nicht verraten. (lacht) Es zeigt aber: wir haben wirklich eine große Bandbreite an Stoffen.

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