Ivo Knahn von der Main-Post: Wie Transparenz Vertrauen schafft

Im Oktober 2022 wurde Ivo Knahn Chefredakteur der „Main-Post“, einen Monat später begann mit ChatGPT der große Hype um künstliche Intelligenz. Ein Gespräch über Chancen, Grenzen und Verantwortung im Umgang mit der Technologie.

15.07.2025 5 Min. Lesezeit

Herr Knahn, wie hat sich die Arbeit in Ihren Redaktionen durch KI verändert?

Ivo Knahn: Gar nicht so wesentlich.KI ist ein neues Thema, das in unsere Leitlinien und Standards eingebunden werden muss. Ähnlich wie damals, als das Internet oder Social Media kamen. Jetzt ist KI da, als neues Werkzeug. Aber es ist nicht so, dass unser Arbeitsalltag durch KI ein komplett anderer geworden ist.

Leitlinien zu KI: Niemand kann sich hinter der Technologie verstecken

 

In welchen Bereichen setzen Sie KI konkret ein?

Knahn: Wie viele andere Verlage und Redaktionen haben wir einen Redaktionsassistenten gebaut, um die KI datenschutzkonform einsetzen zu können. Mit dem „Content-Assistenten“ generieren wir zum Beispiel Überschriften oder Interviewfragen. Außerdem arbeiten wir sehr intensiv mit User Needs: Wir geben der KI ein Thema vor und erhalten Themenvorschläge aus verschiedenen Nutzerperspektiven. Wir haben bewusst wenige Anwendungen in das Tool gepackt, nämlich nur die, die im Alltag wirklich sinnvoll sind und breit genutzt werden. Aktuell wird der „Content-Assistent“ ungefähr 70-mal am Tag verwendet.

In Zeiten, in denen KI-generierter Content das Web überflutet, wird es für Nutzer:innen immer schwieriger zu beurteilen, welchen Inhalten sie vertrauen können. Wie gehen Sie mit dieser Unsicherheit um?

Knahn: Zunächst einmal muss intern jeder und jedem klar sein, dass sie oder er sich nicht hinter der KI verstecken kann. Alles, was wir tun, muss unseren Regeln entsprechen, ob mit oder ohne KI. Damit meine ich den Pressekodex, unsere eigenen Leitlinien und ganz besonders die journalistische Sorgfaltspflicht. Aus Sicht der Leser:innen geht es weniger um die KI an sich, sondern um das Vertrauen im Ganzen. Wenn man uns als Journalist:innen, als Marke Main-Post vertraut, dann traut man uns auch zu, dass wir mit KI oder mit jedem anderen Werkzeug verantwortungsbewusst umgehen. Zu diesem Vertrauen kann beitragen, dass wir darüber berichten, wie wir mit KI arbeiten. Ich habe zum Beispiel Anfang 2024 ein Transparenzstück dazu geschrieben. Wir haben unsere Leitlinien auf allen Kanälen veröffentlicht, auch in der Zeitung und auf unserer Website.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von Ihren Leser:innen auf das Thema KI?

Knahn: In der Chefredaktion bekommen wir viel Post. Zum Thema KI erreichen mich allerdings praktisch keine Fragen. Bei Veranstaltungen ist das Interesse aber groß. Die Leute sind neugierig und überrascht, wie tief wir uns mit dem Thema beschäftigen. Nicht nur technisch, sondern auch ethisch. Mein Eindruck ist, dass die Leute dankbar sind, dass wir das Thema so ernst nehmen und uns darüber Gedanken machen. Ich sage immer: KI ist wie ein Messer. Man kann damit ein Nutellabrot schmieren oder es jemandem in den Rücken rammen. Die Technologie an sich ist wertneutral, die Möglichkeiten, die man damit hat, sind unglaublich breit. Wir als Redakteur:innen sind dafür verantwortlich, dass wir Nutellabrote schmieren.

Wie lässt sich das „Nah-dran-Sein“ im Lokaljournalismus mit dem Einsatz von KI vereinbaren?

Knahn: Ich halte Nähe für den wichtigsten Wert einer Regionalzeitung. Technologie klingt zunächst nicht nach Nähe, beim Durchdringen des Marktes kann sie uns aber durchaus helfen. Als lokales Medienunternehmen haben wir die Schwierigkeit, dass wir mit unseren journalistischen Inhalten in der Regel nicht skalieren können. Das heißt, wir können nicht auf den deutschsprachigen oder weltweiten Markt gehen. Wir sind hier in Unterfranken, Mainfranken. Das ist unser Markt: 800.000 Menschen, die hier leben. Möglicherweise kann uns KI rein technologisch dabei helfen, spitzere Zielgruppen zu erreichen. Eine Möglichkeit, um unsere Inhalte noch gezielter anzupassen und auszuspielen, ist das Thema Versionierung. Damit meine ich, dass aus einem Inhalt – bei uns ist das meist noch Text – zum Beispiel fünf bis zehn verschiedene Formate entwickelt werden, die wir automatisiert auf unseren Kanälen ausspielen können. Was uns die KI nicht abnimmt, ist, draußen vor Ort zu sein und für die Leser:innen erlebbar zu sein. Damit sie spüren: Da sitzen wirklich Menschen, die hier leben, die sich für diese Region interessieren, die sich hier auskennen, die einen anderen Blick haben und die mir meine Fragen beantworten.

Neue Zukunftsperspektiven: Journalist:innen müssen den Umgang mit KI lernen

 

Was bedeutet das für Lokaljournalist:innen? Brauchen sie neue Kompetenzen, um ihren Job gut zu machen?

Knahn: Viele von uns sind Journalist:innen geworden, weil sie gerne schreiben. Das kann die KI sehr, sehr gut. Als Journalist:in muss ich jetzt lernen, mit der neuen Technologie umzugehen. Dafür muss ich ein paar Dinge aufgeben, nämlich das Verständnis, dass ich Autor:in bin. Vielleicht bin ich irgendwann nur noch Rechercheur:in, gebe das, was ich weiß, sehr strukturiert in ein KI-Tool ein und bekomme von ihm die unterschiedlichsten Versionen geliefert. So weit sind wir heute noch nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass die Entwicklung in diese Richtung geht. Eine zweite Kompetenz ist, zu erkennen, was mit KI generiert, was echt oder unecht ist. Wir werden mit Informationen überflutet und das Meer von Desinformation wird noch viel höhere Wellen schlagen. Sich darin zurechtzufinden, ist eine Kompetenz, die Journalist:innen lernen müssen. Wir bilden unsere Mitarbeitenden bewusst zum Thema Verifikation und Erkennen von Fake News weiter und bringen das im Rahmen der Medienkunde mit dem Schulprojekt „KLASSE!“ auch in die Schulen. Denn wir glauben, dass wir diese Medienkompetenz einerseits bei den Profis verbessern müssen, andererseits aber auch bei den Leser:innen draußen.



Bannerbild: Christoph Weiss

Über den Autor/die Autorin

Stefanie Lindner

Steffi ist gebürtige Münchnerin, hat Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität studiert und mehrere Jahre als freie Mitarbeiterin beim Bayerischen Rundfunk gearbeitet. Nach ihrem Volontariat bei einer Münchner Redaktionsagentur schreibt sie mittlerweile für verschiedene Medien und Unternehmen. Dabei vertieft sie sich in aktuelle Medienthemen und verwandelt sie in spannende Storys.

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