Katja Hofem: „Die Zeit ist reif für neue Allianzen“
Zum ersten Geburtstag von Joyn haben wir mit Katja Hofem, CCMO und Geschäftsführerin der Streaming-Marke aus den Häusern ProSiebenSat.1 und Discovery gesprochen: Über ein umtriebiges Jahr, agiles Arbeiten und darüber, warum die Zeit der Grabenkämpfe vorbei ist.
Happy Birthday, Joyn! Wenn Sie auf das erste Jahr zurückblicken – was ist der erste Begriff, der Ihnen dazu einfällt?
Katja Hofem: Stolz. Wenn ich zurückblicke, bin ich unheimlich stolz auf die Meilensteine, die wir in den vergangenen Monaten erreicht haben und die positive Entwicklung, die Joyn hingelegt hat. Joyn zählt nur ein Jahr nach Launch bereits rund vier Millionen Unique User im Monat. Die App wurde über zehn Millionen mal heruntergeladen. Zwei unserer Originals, „MAPA“ und „Frau Jordan stellt gleich“ waren für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Das ist wirklich einfach großartig und schön.
In einem Kress-Beitrag sprachen Sie davon, dass Joyn „eine Marke (sei), die dem Nutzer zuhört“. Wie ist das zu verstehen?
Hofem: Schon zu Beginn haben wir Nutzer dazu eingeladen, uns Feedback zu geben und unserer Joyn Community beizutreten. Wir möchten ein nutzerfreundliches Produkt mit einem angenehmen Zuschauererlebnis schaffen. Dafür stehen wir nach wie vor im stetigen Austausch mit unserer Community und entsprechendes Feedback fließt kontinuierlich in die Weiterentwicklung der App und auch der Inhalte ein. So haben wir bereits im September 2019 das erste Nutzerfeedback umsetzen können und Joyn auf Google Chromecast verfügbar gemacht. Neue Features wie personalisierte Empfehlungen oder Originalsprache, die sich unsere User gewünscht haben, folgen im Laufe des Jahres.
Sie wollten mit Joyn eine Marke mit einem Angebot schaffen, dass es so in Deutschland noch nicht gibt. Konnten Sie diesen Plan in die Tat umsetzen? Was unterscheidet Joyn von den anderen?
Hofem: Absolut. Unser Freemium-Modell ist derzeit einzigartig am deutschen TV-Markt und unsere Nutzerzahlen beweisen, dass es sich bewährt. Da Joyn nur auf dem deutschen Markt präsent ist, haben unsere Originals einen starken Fokus darauf, einen hyperlokalen und kontextuellen Inhalt anzubieten, der ausschließlich für und mit Blick auf die Lebenswelt in Deutschland entwickelt wurde. Wir schaffen Inhalte, die wirklich bei einem lokalen Publikum ankommen. Darüber hinaus sind wir bei Joyn nutzerorientiert wie keine andere Streaming-Plattform in Deutschland. Wir arbeiten hart daran, Barrieren für den Konsum von Videoinhalten zu beseitigen, und sind ständig bestrebt, unsere Zuschauer in den Mittelpunkt all unserer Aktivitäten zu stellen. Das ist der Grund, warum Joyn so einfach zu bedienen ist.
Im Gegensatz zu den großen Streaming-Anbietern Netflix und Amazon ist das Angebot bei Joyn teilweise kostenfrei. Wo endet dieses Modell und wie hat sich diese Strategie bewährt?
Hofem: Eine Konsolidierung unterschiedlicher Entertainment-Angebote in einer App und unter einem Dach war etwas, nach dem viele Leute gesucht haben. Die Kombination aus kostenlosem Angebot mit Live-Streams und Mediathek mit Catch-Up und Preview-Inhalten, Originals mit einem Premiumbereich mit Live-Stream in HD, noch mehr exklusiven Inhalten und Premium-Originals sowie Filmen und Serien ist einzigartig auf dem Markt. Die Nutzungszahlen bestätigen dieses Modell und der Free- und Premium-Bereich befruchten sich gegenseitig. So schauen viele Nutzer unseres Plus-Modells beispielsweise bereits gesehene Serienstaffeln nochmals an und profitieren somit von der Werbefreiheit.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit den Öffentlich-Rechtlichen? ZDF und ARD zum Beispiel sind ja fest dabei.
Hofem: Mit der ARD und dem ZDF haben wir zwei große, etablierte Sender auf unserer Plattform. Wir freuen uns, solche bekannten Marken bei uns im Live-Stream zu haben. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Partnern und da gehören sowohl private als auch öffentlich-rechtliche Sender zu den Content-Anbietern, die wir ansprechen.
Es gibt immer mehr Kooperationen zwischen den privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern. Serien, Filme, nun Joyn. Ist die Zeit der Grabenkämpfe vorbei, weil die internationale Konkurrenz so groß ist?
Hofem: Auch wir kooperieren mit öffentlich-rechtlichen Sendern. Unser Original „MAPA“ beispielsweise haben wir gemeinsam mit dem rbb entwickelt. Der Streaming-Markt ist generell kein „The-Winner-Takes-It-All-Business“. Natürlich wird es bei der Masse an Streaming-Diensten früher oder später zu einer Konsolidierung kommen. Joyn versteht sich als Aggregator-Plattform, weshalb wir hier einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil sehen. Aber ja: Niemand kennt den deutschen Markt besser als wir – die deutschen Streaming-Anbieter. Die Zeit ist reif für neue Allianzen, um im deutschen Markt zu bestehen.
Als Ziel haben sie sich gesetzt, in zwei Jahren zehn Millionen Nutzer zu erreichen. Wie wollen Sie das erreichen? Und an welchem Teil der Reise befinden Sie sich gerade?
Hofem: Natürlich ist das ein ehrgeiziges Ziel, aber wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung innerhalb des letzten Jahres. Wir haben die erste Etappe unserer Reise sehr gut gemeistert und freuen uns auf die weiteren Ziele.
Zu Ihren Aufgaben gehört auch die Formatentwicklung. Auf was dürfen sich die Nutzer*innen zukünftig freuen?
Hofem: In den kommenden Monaten stehen bei Joyn noch weitere interessante Originals und exklusive Inhalte in den Startlöchern. Mit „Blackout“ produziert Joyn in Zusammenarbeit mit W[&]B Television und SAT.1 eine sechsteilige High-End-Serie nach Marc Elsbergs gleichnamigen Millionen-Bestseller. Als Hauptdarsteller konnte Moritz Bleibtreu für die Thriller-Serie gewonnen werden. Zudem startet eine neue Reality-Show mit einer prominenten Dame, die auf der Suche nach der großen Liebe ist. Mit „Stichtag“ und „Shame Game“ starten zwei weitere außergewöhnliche Eigenproduktionen. In der jungen und progressiven Web-Serie „Stichtag“ dreht sich alles um „das erste Mal“ und in „Shame Game“ fordern verschiedene Influencer ihren Kollegen Aaron Troschke zu Challenges heraus. Der Gewinner entscheidet über den nächsten Social-Media-Content des Anderen. Darüber hinaus gehen die fiktionalen Originals „Frau Jordan stellt gleich“, „Check Check“ und „Slavik – auf Staats Nacken“ in eine zweite Staffel. Fans der Serie „jerks.“ dürfen sich außerdem auf ein Weihnachts-Special freuen, bevor es im nächsten Jahr mit Staffel vier weitergeht.
Welche Auswirkungen hatte und hat die aktuelle Krisensituation für Joyn?
Hofem: Wir befinden uns in der glücklichen Lage, ein Geschäft zu führen, das für die Menschen, die zu Hause bleiben, von Bedeutung ist. Aber damit verbunden ist auch eine große Verantwortung. Deshalb hatten wir auch die Entscheidung getroffen, unsere Dienstleistung drei Monate lang kostenlos für die Menschen in sozialer Isolation anzubieten. Unser Ziel war es, den Menschen zu helfen, die Zeit zuhause so unterhaltsam wie möglich zu gestalten. Außerdem haben wir vor kurzem unsere Hilfsinitiative „Joyn Cares“ gestartet, um den gemeinnützigen Verein Tafel Deutschland e.V. zu unterstützen, der ebenfalls unter den Auswirkungen der Corona Krise leidet.
Aber natürlich bringt diese Pandemie auch Herausforderungen für uns mit sich. Der Dreh einiger unserer Produktionen musste beispielsweise gestoppt werden. Natürlich hatten wir noch einige Formate in der Pipeline, wie „MAPA“, „M.o.M“, oder „Aus dem Tagebuch eines Uber-Fahrers“, bei denen wir die Produktion bereits abgeschlossen hatten oder die sich in der Postproduktion befanden. Aber wir müssen auch neue und innovative Wege gehen, um unseren Content-Pipeline früher oder später füllen zu können. Eines dieser neuen Formate war zum Beispiel „Join me @ home“, das wir innerhalb von weniger als zwei Wochen zusammen mit Studio 71 entwickelt haben. Aber: Die Nutzer werden keine negativen Auswirkungen spüren. Wir haben 12 Orignals pro Jahr versprochen, das werden wir halten!
Die Corona Pandemie verändert Arbeitsprozesse. Ganze Firmen sind ins Homeoffice umgezogen und Abstimmungen und Team-Updates finden online statt. Wie sieht die Arbeit in Ihrem Unternehmen aus?
Hofem: Die Gesundheit und Sicherheit unser Mitarbeiter steht für uns an erster Stelle. Daher haben wir schon früh entschieden, alle Teams ins Homeoffice zu schicken. Wir bewerten die Situation von Woche zu Woche neu und ermöglichen es derzeit bis zu 30 Mitarbeitern auf freiwilliger Basis, wieder ins Büro zukommen. Wir sind sehr froh darüber, wie gut die Zusammenarbeit auch digital funktioniert und wie engagiert sich das gesamte Joyn Team in dieser ungewöhnlichen Zeit zeigt.
Durch die veränderte Situation entwickeln Sender viele neue Ideen und innovative Projekte. Dinge, die vorher nicht umzusetzen waren oder einen langen Prozess mit sich brachten, wurden innerhalb weniger Tage realisiert Haben Sie in Ihrem Unternehmen eine ähnliche Erfahrung gemacht und wie werden Sie diese Learnings in Zukunft umsetzen?
Hofem: Wir sind ein sehr junges Unternehmen und arbeiten grundsätzlich sehr agil und digital. Wir konnten schnell und unbürokratisch Prozesse verändern und umsetzen. Ich bin sehr stolz, dass wir sowohl unsere Freimonate schnell entsprechen anbieten konnten, aber auch mit „Join me @ home“ ein Format auf der Plattform hatten, dass die aktuellen Herausforderungen thematisierte.
XPLR: More Media Managers
Warum auch digitale Schübe die Face2Face-Begegnung brauchen, ein Näschen für gute Themen genauso wichtig ist wie Branchenexpertise und Medien eher guter Wein sein müssen als alter Käse, erzählt Gunther Schunk, Chief Communication Officer Vogel Communications Group, im Interview.
Macht das nicht Sinn? Gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen müssen doch angesichts der Corona-Krise gut überlegen, wofür sie Geld ausgeben.
Jens: Das stimmt. Nur bietet die derzeitige Situation gerade für Unternehmen Chancen, die ansonsten vergleichsweise wenig Geld für Social Media Marketing zur Verfügung haben. Ich denke da an das Café an der Ecke oder den Buchladen in der Kleinstadt – an all diejenigen also, die besonders unter der Ausgangssperre leiden.
Das liegt daran, dass sich gerade viele Unternehmen mit digitaler Werbung auf Kanälen wie Facebook oder Instagram zurückhalten, obwohl sie ihr Budget nicht zwangsläufig gekürzt haben. Gleichzeitig verbringen die Leute aufgrund der eingeschränkten Freizeitaktivitäten mehr Zeit in den sozialen Netzwerken. Diese Faktoren führen dazu, dass der Wettbewerb um Impressions, Link-Klicks und Interaktionen abnimmt.
Heißt: Wer jetzt investiert, zahlt weniger für Klicks und Conversions als sonst?
Jens: Genau. Dazu kommt, dass man mit geringen Budgets ein wenig experimentieren kann. Schon mit 15 oder 20 Euro am Tag können sich diejenigen ausprobieren, die sonst die Finger von Facebook Ads lassen: So kann das Café an der Ecke schon mit wenig finanziellen Aufwänden die Anwohner*innen in der Nachbarschaft darüber informieren, dass es einen Lieferservice eingerichtet hat und der Kuchen jetzt an die Haustür gebracht wird.
Im Übrigen bietet Facebook gerade viele Infos für Geschäfte, Läden und Unternehmen an, um bisher analog ablaufende Prozesse zu digitalisieren.
Hast du den Eindruck, Corona bringt gerade auch die letzten Digitalisierungsskeptiker ins Web?
Jens: Es gibt auf jeden Fall einen Schub. Die Digitalisierung wird vorangetrieben. Besonders erfreulich ist dabei die Fantasie, mit der auch Unternehmen, die bisher nicht sonderlich Social Media-affin waren, mit ihrer Community in Kontakt treten.
Zum Beispiel hat ein LKW-Hersteller kürzlich Ausmalbilder für Kinder auf seiner Facebook-Seite gepostet. Das ist kreativer Content, der jede Menge zur Markenbindung beiträgt. Die derzeitige Situation zwingt die Unternehmen zum Umdenken. Plötzlich geht all das, was vorher vielleicht aus strategischen Gründen nicht ging. Die Menschen trauen sich jetzt etwas im Netz. Die Ergebnisse sind großartig.
Auch Allfacebook musste aufgrund von Corona kreativ werden. Die Allfacebook Marketing Conference fand im März statt in München virtuell statt. Die „Vor Ort“-Konferenzausgabe ist in den August gewandert. Wie waren eure Erfahrungen mit der digitalen Konferenz?
Jens: Zehn Tage vor der Konferenz haben wir entschieden, das Event virtuell stattfinden zu lassen. Dieses Angebot wurde sehr gut angenommen. An der virtuellen Konferenz haben knapp 450 Leute teilgenommen, also rund die Hälfte der Personen, die wir vor Ort erwartet hätten. Mit einer so hohen Beteiligung haben wir nicht gerechnet. Wir dachten, dass die Leute derzeit nicht den Kopf für so etwas haben. Aber das Gegenteil war der Fall. Zusätzlich findet vom 24. bis zum 26. August erstmals eine Sommer-Ausgabe der Konferenz statt.
Ist die virtuelle Ausgabe eine Option für die Zukunft?
Jens: Ich persönlich bin ein Freund von physischen Events. Der persönliche Austausch ist doch nochmal etwas anderes, auch wenn es inzwischen tolle digitale Networking Tools gibt. Die virtuelle Konferenz war eine gute Erfahrung und das Feedback war durchweg positiv. Aber dennoch: Ich freue ich mich auf die Allfacebook Marketing Conference im Sommer.
Screenshots aus dem VR-Adventure „Blautopf VR“ (Foto: Philipp Schall, TELLUX Next GmbH)






