Veronika Gamper: „Der Mensch will mit KI zusammenarbeiten“
Schon bevor ChatGPT auf den Markt kam, gründete Veronika Gamper mit WeDaVinci ein Startup, das auf Natural Language Processing setzt. Für das KI-Projekt „Visionary Tales”, mit dem Nutzer:innen Filmtrailer auf Basis von Buchmanuskripten erstellen können, haben sie und ihr Team nun die Creative Europe Förderung der EU erhalten. Was genau hinter der Plattform steckt, die die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine betont, verrät sie im Interview.
Veronika, mit welcher Idee hast du WeDaVinci gelauncht?
Veronika Gamper: WeDaVinci ist aus meiner Promotion im Bereich der Datenverarbeitung und Informatik hervorgegangen. Die Idee war ursprünglich, mit KI-gestützten Tools Menschen zu befähigen, neue Projektideen zu generieren. Wir hatten schon kurz vor ChatGPT Zugang zu großen Sprachmodellen und haben uns dann mehr und mehr in Richtung Content-Generierung entwickelt. Heute ist WeDaVinci eine Plattform für die Human-AI-Co-Creation von Content in den Bereichen Text, Audio und Video. Und zwar vor allem für Medienunternehmen und Content Creator:innen.
Auf diesen Begriff der Co-Creation legst du viel Wert – ist dir der Fokus auf das Tandem Mensch-KI ein Anliegen?
Gamper: Ja, das unterscheidet uns von vielen anderen, besonders von amerikanischen Tools, bei denen es vornehmlich darum geht, per Knopfdruck KI-generierten Content zu erhalten. Wir dagegen sagen, dass gute Inhalte grundsätzlich ein Zusammenspiel zwischen Mensch und KI erfordern. Unsere Plattform gibt neue Ideen und Vorschläge oder entwickelt bestehende Ideen weiter – an jeder Stelle kann man als Mensch miteinsteigen. Gerade Nutzer:innen in Europa schätzen das.
Wie kam es zu dem Fokus auf den Mediensektor?
Gamper: Ich selbst war immer sehr im Medienbereich verankert und daran interessiert. Neben meinem Informatikstudium habe ich das einjährige Filmstudium „Atelier Ludwigsburg Paris” besucht. Das Thema Stoffentwicklung war schon damals eine große Faszination für mich. Zudem war ich knapp zwei Jahre bei RTL als Interim-Director für Datenprodukte im Bereich mehr-formatiger Inhalte zuständig.
Das WeDaVinci-Tool „Visionary Tales” setzt an der Schnittstelle von Buch- und Filmbranche an – ein Herzensprojekt also?
Gamper: Ja, es fühlt sich so an. Mit Visionary Tales wollen wir speziell auf die Schnittstelle zwischen Buch-Publishing und Filmbereich eingehen, die auch in der KI-Welt gerade einen starken Fokus erleben. Wir sehen besonders dort, dass der Mensch nicht ersetzt werden will, sondern mit der KI zusammenarbeiten möchte.
Mehr Sichtbarkeit für unbekannte Bücher
Was genau ist denn Visionary Tales?
Gamper: Mit unserer Plattform Visionary Tales können User:innen KI-basierte Filmtrailer für Bücher erstellen. Sie können also ein Manuskript hochladen und bekommen zunächst Vorschläge, in welche Richtung der Trailer gehen könnte. Das können sie dann an ihre Zielgruppe anpassen. Das Programm erstellt Videoschnipsel, aus denen sich der Trailer zusammensetzt, die sich dann auch nochmals bearbeiten oder ergänzen lassen. User:innen kennen ihre Zielgruppe am besten und können über unsere Plattform das Ergebnis beeinflussen. Es kommt noch Musik dazu und schon haben wir einen Videotrailer. Dafür muss man aber eben kein:e Filmexpert:in oder Programmierer:in sein. Visionary Tales lässt sich ganz einfach mit natürlicher Sprache steuern.
An wen richtet sich dieses Tool – Autor:innen, Publisher, Produktionsfirmen?
Gamper: Bei Publishern sehen wir schon jetzt den größten Bedarf – hier können wir gleich über viele konkrete Titel sprechen. Mit der Zeit ist es auf jeden Fall auch für individuelle Autor:innen spannend. Wir sehen einen Trend hin zum Self-Publishing, für sie eröffnet sich mit Visionary Tales nochmal ein neuer Vermarktungsweg. Gleichzeitig ist das Tool für Filmproduzent:innen, die auf sehr einfache Art und Weise testen können, ob ein Stoff im Bewegtbild funktioniert.
Momentan schaffen vor allem Bestseller den Sprung auf die große Leinwand. Wie könnte Visionary Tales den Markt verändern?
Gamper: Man sieht in der Tat, dass Filme, die auf Büchern basieren, oft erfolgreicher an der Kinokasse sind. Heute gibt es jedoch wenig Gelegenheiten für den Verkauf von IP-Rechten von bestehenden Büchern an Filmproduzenten. Zudem fokussieren sich die wenigen existierenden Gelegenheiten, zum Beispiel auf Filmfestivals oder auf Buchmessen, auf sehr wenige Titel. Deshalb fokussiert man sich gerne auf bereits bekannte Bücher. Die haben ihr Publikum schon gefunden. Wir glauben aber, dass wir durch die einfache Erstellung von KI-Videotrailern vielen Büchern das Potenzial zu mehr Sichtbarkeit geben können.
Aktuelle Herausforderungen im KI-Bewegtbild: Kontinuität
Wie viel ist mit KI und auch eurem Tool mittlerweile schon möglich im Filmbereich?
Gamper: Es ist erstaunlich, wie realistisch manche KI-Videos mittlerweile sind. Kürzere, gelungene Sequenzen können selbst Expert:innen mit freiem Auge oft nicht mehr als KI-generiert erkennen. Das heißt, man kann heute sehr realistisch Dinge darstellen und diese sehr gut steuern. Gerade im Buchbereich kann man zum Beispiel Fantasiewelten, die ansonsten sehr teuer zu produzierende Szenen wären, sehr einfach abbilden. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, das ist das Schöne.
Lange Zeit war die Darstellung realistischer Bilder im KI-generierten Bewegtbild eine Hürde. Wie groß sind die Herausforderungen noch?
Gamper: Die Entwicklung im Bereich KI-generiertes Video ist rasant. Noch vor zwei Jahren sah man noch sechs Finger und drei Beine. Mit diesem Problem hatten zunächst alle KI-Modelle zu kämpfen. Es wurde aber nach und nach gelöst. Das hat sich verlagert auf das Thema: Ist es auch immer dieselbe Person, derselbe Charakter, der in jedem Shot sichtbar ist? Und stimmen auch die Personen und Details im Hintergrund durchgängig? Da hat sich wahnsinnig viel getan, gerade auch in den letzten Wochen. Mittlerweile geht man weniger vom Text zum Videoshot, sondern erst mal über Bilder. So kann man sehr gut sicherstellen, dass die Bilder konsistent sind, also dieselben Charaktere und Hintergründe beinhalten. Aus diesen Bildern kann man, wenn man zufrieden ist, die Videoshots generieren lassen.
Siehst du noch andere Anwendungsmöglichkeiten für euer Tool?
Gamper: Unser Fokus liegt jetzt auf der Erzeugung von KI-Videotrailern für Publisher. Darüber hinaus kann ich mir vorstellen, dass es zukünftig anpassbar ist für die Vermarktung des Buches selbst an Leser:innen auf Plattformen wie TikTok. Und dann kann man sich allgemein überlegen, welche Content-Stoffe man außerdem in Videotrailer gießen kann, um sie zu vermarkten oder auch einfach nur einen kleinen Einblick zu geben. Da gibt es noch viele Möglichkeiten.
Für „Visionary Tales” habt ihr die Creative Europe Förderung der EU erhalten. Wie geht es damit und mit eurer Plattform weiter?
Gamper: Wir möchten unser Tool im November in einer Beta-Version veröffentlichen. Wir sind sehr dankbar für die Creative Europe Förderung, die uns erlaubt hat, diese Fokussierung auf das Thema Bewegtbild umzusetzen. Wir sind Ende letzten Jahres gestartet. Im kommenden Jahr wollen wir uns darauf fokussieren, den Nutzer:innen noch vermehrt Anpassungsmöglichkeiten zu geben.
Bannerbild: Privat
















