Foto: Tobias M. Huber
Albert Bozesan von Storybook Studios: KI verschiebt die Grenzen
Storybook Studios mit Sitz in München wollen mithilfe von KI das Storytelling revolutionieren: Von der Stoffentwicklung bis zur Postproduktion soll die Künstliche Intelligenz in alle Produktionsschritte integriert werden. Creative Director Albert Bozesan sprach mit uns über aktuelle Projekte und über künftige KI-Entwicklungen, die der Branche einen Schub geben könnten.
Albert, bei Storybook arbeitet ihr „an der Schnittstelle von Technologie und Kreativität“, wie es heißt. Was bedeutet das?
Albert Bozesan: Das heißt, dass wir aus der traditionellen Filmbranche kommen und uns primär als Storyteller:innen verstehen. Anders als bei vielen KI-Unternehmen stehen bei uns gute Stories im Vordergrund, die Leute nicht deshalb cool finden, weil sie mit KI gemacht wurden, sondern obwohl sie mit KI gemacht wurden. Als Schwester der PANTALEON Films wollen wir einfach gute Unterhaltung machen. Meine Aufgabe als Creative Director AI Media ist es, eine kreative Brücke zu schlagen. Ich sehe mir an, welche Story wir erzählen wollen, und versuche herauszufinden, wie wir das mit KI tatsächlich umsetzen.
Welcher Weg hat dich zu Storybook Studios geführt?
Albert: Ich habe mich schon immer genau auf dieser Brücke gesehen zwischen Technologie und Unterhaltung. Meine Eltern sind beide Informatiker, haben auch KI schon in den 80ern studiert in Stanford und am Karlsruhe Institute of Technology. Insofern bin ich mit diesen Themen aufgewachsen. Ich habe schließlich BWL und Informatik an der TU München studiert – ohne Abschluss, weil ich noch während meines Studiums meine eigene Produktionsfirma gegründet habe. Mein Co-Founder Robert Sladeczek und ich haben dort diversen Content produziert, von Unterhaltung bis Werbung, unter anderem für Audible, Hugendubel und fritz-kola. Immer mit dem Ziel, mit wenig Ressourcen viel umzusetzen. Als dann die KI kam, war sie für mich ein weiteres Werkzeug zu diesem Zweck. Das führte mich schließlich zu Dan Maag, Stephanie Schettler-Köhler und Tobias M. Huber bei PANTAFLIX, mit denen ich zusammen Storybook gestartet habe.
Wie habt ihr euch die dafür notwendigen Skills draufgeschafft?
Albert: Für das Storytelling bin ich nach London gereist und habe Robert McKee kennengelernt, der sehr renommierte Story-Workshops gibt. Ich habe auch enorm viel von meinem Drehbuch-Mentor Tommy Krappweis mitgenommen. Technische Skills habe ich mir schon immer online selbst beigebracht. Das war besonders während der Pandemie so. Da habe ich mit 3D-Animation angefangen, weil wir keinen Realfilm mehr umsetzen konnten. Wir konnten damals zum Beispiel für einen unserer Hauptkunden Hugendubel monatelang keine Videos drehen. Also haben wir uns ein paar Wochen eingesperrt und gesagt, jetzt lernen wir die 3D-Grafiksoftware Blender.
„Unsere Storybook-KIs helfen uns dabei, grenzenloser zu denken. Jede Filmproduktionsfirma hat eine Schublade voller Konzepte, die vor ein paar Jahren noch unmöglich umzusetzen gewesen wären. Jetzt nehmen wir uns genau diese Projekte vor.“
Albert Bozesan
Inwiefern haben dich deine Kindheit und Jugend im Silicon Valley geprägt?
Albert: Was mich am amerikanischen Geist am meisten beeinflusst hat, ist die Fähigkeit, sich selbst gut zu verkaufen. Ich meine das im positiven Sinn. Es geht darum, darüber zu sprechen, was man macht, was man cool findet und was man beizutragen hat. Da sehe ich im KI-Bereich hier in Deutschland Aufholbedarf. Hier entstehen die fundamentalen Technologien, die jetzt alle verwenden. Das Team rund um Professor Björn Ommer von der LMU hat zum Beispiel Latent Diffusion erfunden, die Technologie, auf der die ganzen aktuellen Bildgeneratoren beruhen. Oft nehmen Leute fälschlicherweise an, die Grundlagen kämen aus dem Silicon Valley oder aus UK.
Eines der kommenden Storybook-Projekte: Eine von KI generierte Animationsserie über Tierärzte im Weltall
Gerade habt ihr bei der Seriencamp Conference eure aktuellen Projekte vorgestellt. Welche Neuigkeiten gibt es denn?
Albert: Unseren Vortrag beim Seriencamp haben wir mit einem Bild eines Produktionstools begonnen, das es bisher noch nicht gibt: einem hypothetischen großen roten Button, mit dem Filme von Anfang bis Ende generiert werden können – einen solchen wünschen sich viele. Aktuell deutet auch alles darauf hin, dass es diesen Button früher oder später geben wird. Wir freuen uns auf diesen Button nicht deswegen, weil wir damit möglichst viel Content automatisch generieren können, sondern weil er uns bei dem Ziel unterstützen wird, frei von budgetären Grenzen den bestmöglichen Content zu produzieren.
Außerdem haben wir unsere Produktion „Space Vets“ präsentiert. Eine Kinder-Serie über Tierärzte im Weltraum, die weitestgehend von KI generiert wurde. Die Serie soll zeigen, was möglich ist, wenn menschliches Herz und gutes Storytelling auf Technologie treffen. Mit „Space Vets“ können wir zeigen, wie Storybook Produktionen umsetzt, die mit internationalen Standards mithalten.
Welchen Einfluss hat generative KI jetzt schon auf die Film- und Medienproduktion?
Albert: Ich kenne niemanden, der nicht auf irgendeine Weise schon mit KI arbeitet. Teilweise tun es viele, ohne es zu wissen, weil in Tools wie Photoshop schon KI-Features eingebaut wurden, das ist mittlerweile Mainstream. Der größte Einfluss ist meiner Meinung nach im Video- und Bildbereich zu sehen. Was wir jetzt schon häufig erleben, sind Autor:innen, die mit Hilfe von KI ihre Konzepte bebildern, und so viel besser in der Lage sind, ihre Ideen zu verkaufen. Was früher nur Text war, hat jetzt durch bilderzeugende Tools einen originellen Look und gibt vielen Menschen die Chance, ganz anders Aufsehen zu erregen.
Wie verändert KI konkret Workflows in der Filmindustrie?
Albert: Sie verändert Workflows grundlegend, allein schon, weil man für jeden Arbeitsschritt ein nützliches Tool finden kann. Von der Finanzierung übers Development und natürlich bei Video und Audio. Auch im Hinblick auf Story – hier sage ich bewusst nicht Drehbuch!: Bei der Struktur kann KI ein toller Tandempartner für Autor:innen sein. Und auch bei der Organisation. Man kann ChatGPT einfache Instruktionen geben wie: Generiere mir ein Python-Programm, das meine Dateien automatisch sortiert.
Ein weiteres Beispiel: Beim Münchner DOK.fest hat ein Kollege ein Tool vorgestellt, das den Schnitt stark vereinfacht. Die KI schaut sich dabei das gesamte Material an und baut daraus einen sogenannten Latent Space. Das ist eine virtuelle Struktur, die die Dateien nicht nach Tags oder Titeln ordnet, sondern nach Inhalt. Man sagt der KI beispielweise: Suche Filmmaterial, auf dem Menschen etwas Blaues anhaben. Die KI findet das und kommt mit einem brauchbaren Ergebnis zurück.
Vollständig von KI generierte Kinofilme könnten ein neues Genre begründen
Bei Storybook arbeitet ihr daran, Produktionen vollständig mit KI umzusetzen. Werden wir bald KI-Kinofilme und -Streaming-Serien erleben?
Albert: Ich glaube, das wird sich ähnlich entwickeln wie der VFX-Bereich vor Jahren. Erstmal wird man einzelne KI-Elemente sehen. In einzelnen Szenen, auch in Hintergründen bei der Virtual Production. Aber irgendwann kommt das Äquivalent von Pixar – hoffentlich ist das Storybook – und sagt: Guckt mal, hier ist ein vollständig KI-generierter Film. Damit wäre ein völlig neues Genre begründet.
Wie weit ist bei Kreativen und beim Publikum die Akzeptanz für KI-generierte Filmstoffe?
Albert: Ich spüre die Akzeptanz bei den Kreativen steigen, wenn sie selbst mit KI-Tools arbeiten. Sobald man merkt, wie viel einfacher man seine eigenen Stories erzählen kann, findet man KI super. Ich würde daher jeden Kreativen ermutigen, es auszuprobieren. Beim Publikum beobachte ich vor allem auf TikTok, dass den Leuten oft egal ist, ob Inhalte KI-generiert sind. Solange sie sie unterhalten, finden sie sie mega cool.
Ihr betont, wie wichtig gutes Storytelling für euch ist. Wie denkt ihr KI und Storytelling zusammen?
Albert: Unsere Storybook-KIs helfen uns dabei, grenzenloser zu denken. Jede Filmproduktionsfirma hat eine Schublade voller Konzepte, die vor ein paar Jahren noch unmöglich umzusetzen gewesen wären. Jetzt nehmen wir uns genau diese Projekte vor.
Die Kinobranche steckt in einer Krise und ist dabei, sich neu zu finden. Bietet KI die passenden Lösungen?
Albert: Auf jeden Fall. Wenn man bereit dazu ist, sich wirklich in das Thema zu vertiefen und nicht nur an der Oberfläche der kommerziell verfügbaren Tools bleibt. Wir sind weitestgehend unabhängig von US-Diensten – die meisten KIs laufen offline auf eigenen Rechnern bei uns im Münchner Studio und wurden von unserem Team für filmische Zwecke angepasst. Eine Krise ist es vor allem in finanzieller Hinsicht. Wir haben gesehen, wie die Streaming-Dienste aus Deutschland effektiv abgezogen sind. Es wurden unglaublich viele Projekte abgesagt. Da freuen wir uns als Kreative, wenn wir unabhängig von diesen Studios Content umsetzen können.
Welche Bedeutung hat der Produktionsstandort München für eure Arbeit bei Storybook?
Albert: In Amerika müssen sich die Welten von Silicon Valley und Hollywood noch zusammenfinden. In München sind wir im besten Sinne ein Dorf, das sich kennt und in dem sich alle permanent austauschen. Das ist auch ein Grund, warum wir oft die Gelegenheit haben, mit Filmemacher:innen aus Hollywood zu sprechen. Es gibt Regisseur:innen, die dort niemanden finden, der sich mit KI so gut auskennt. Oft hat man dort die Wahl zwischen Kreativen, die es technisch noch nicht so draufhaben, und Tech-Bros, die nicht verstehen, was Kreative brauchen. Das Netzwerk, das wir hier in München aufgebaut haben, ist so ein riesiger Mehrwert.
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