Annika Gerhard und Jason Modemann: So erreichen Medien die Gen Z

Von Martin Haase

Annika Gerhard und Jason Modemann im Mawave-Office in der Parkstadt Schwabing. Foto: Sebastian Arlt

Sie wissen, was die Gen Z auf Social Media sehen will: Mawave-Gründer Jason Modemann und Creatorin Annika Gerhard, beide 25 Jahre alt, machen erfolgreich Content für eine Zielgruppe, zu der sie selbst Gehören. Ein Gespräch über die Erreichbarkeit einer Generation, die für die Medienbranche immer relevanter wird.

Jason Modemann war erst 20 Jahre alt, als er zusammen mit Patrick Brüch in München die Mawave Marketing GmbH gründete. Heute sei Mawave die führende Social-Performance-Marketing-Agentur in Zentraleuropa, sagt der CEO. Der Altersschnitt innerhalb der Agentur liegt bei etwa 26 Jahren. Hier gibt es bei der Beratung von Marken und Unternehmen, die die Gen Z erreichen wollen, also keine Generation Gap: Denn die Gen Z weiß, wie sie ihre Altersgruppe am besten anspricht.

Auch Annika Gerhard verdient ihren Lebensunterhalt mit Social Media. Sie ist Fulltime-Creatorin, mit ihren Kanälen „annikazion“ erreicht die gebürtige Dachauerin eine Million Follower:innen auf TikTok, eine halbe Million auf YouTube und eine Viertelmillion auf Instagram. Ihr erstes Video veröffentlichte sie mit 17 Jahren auf YouTube, es folgten ironisch-witzige Kommentare zu Reality-TV-Shows – damit fand sie eine Nische. Der finanziell wichtigste Kanal sei für sie Instagram, erklärt die Creatorin: Weil sie dort authentische Eindrücke aus ihrem Leben teilt, könne sie am besten Werbung machen, die zu ihr passe.

Gen Z verlangt Flexibilität auf Social Media

Jason, Annika, viele Medienunternehmen haben Schwierigkeiten, die Bedürfnisse und Interessen der Gen Z zu greifen. Was ist auf Social Media besonders wichtig, um die Gen Z zu erreichen?

Jason Modemann: Du brauchst Agilität und Schnelligkeit, um Themen und Trends mitnehmen zu können. Unternehmen haben aber in den letzten Jahrzehnten eher gelernt, auf alles Geld zu schmeißen. Neue Software kaufen, teure Agentur engagieren, Riesen-Workflows aufsetzen – das allein funktioniert nicht mehr. Wer die Gen Z über Social Media erreichen will, muss flexibel sein.

Annika Gerhard: Trends sind auch schnell wieder vorbei. Auf TikTok kam es zum Beispiel in letzter Zeit gut an, dass Brands mit ihren Kanälen unter viralen Beiträgen lustige Kommentare posten. Das ist aber mittlerweile schon überspielt. Du siehst immer wieder diesen blauen Haken bei den Kommentaren und denkst, dass mal wieder ein Social-Media-Team versucht, etwas Lustiges zu machen.

Jason, Mawave gibt es seit fünf Jahren. Gab es in dieser Zeit eine einschneidende Entwicklung in der Branche, die eure Arbeit nachhaltig verändert hat?

Jason: Es gab einige Veränderungen – pro Halbjahr mindestens eine. Die DSGVO, die das komplette Thema Daten verändert hat. Die Corona-Pandemie stellte die Konsumgewohnheiten auf den Kopf. Und TikTok hat das komplette Nutzerverhalten verändert. Das sind nur einige große Themen. Auf Social Media gibt es am laufenden Band einschneidende Ereignisse.

Annika, wenn sich auf Social Media ständig alles verändert, wie gehst du damit um?

Annika: Ich muss mich permanent weiterentwickeln, reflektieren, was ich kommuniziere und wie ich selbst bin. Wenn ich Reality-TV-Videos mache, geht es auch um Beziehungs- und Kommunikationsprobleme. Da werde ich ernster mit den Themen und bekomme aus der Community wertvolle Kommentare. Das alles bringt mich persönlich weiter. Und die Community durchlebt diesen Prozess mit mir zusammen und verändert sich dabei.

»Ich muss mich permanent weiterentwickeln, reflektieren, was ich kommuniziere und wie ich selbst bin.«

Annika Gerhard, Creatorin. Foto: Sebastian Arlt

Annikazion: Authentizität ist wertvoll, trotzdem braucht es eine Strategie

Es geht also um Authentizität, Schnelligkeit und Flexibilität – gibt es etwas, das bei der Gen Z gar nicht gut ankommt?

Jason: Was die Gen Z nicht feiert, sind aalglatte, hochgestochene Kampagnen. Aber trotzdem baut das eine Marke. Selbst wenn es offensichtlich kein Native Content ist und eindeutig Werbung, vermittelt das ein hochwertiges Image. Da bin ich selbst etwas zwiegespalten. Dazu ist es auch nicht so, dass jetzt jede:r unbedingt nur die Gen Z erreichen muss, da muss niemand Panik schieben. Gerade im Hinblick auf die Kaufkraft dieser Generation wäre das nicht ratsam.

Annika: Aus meiner Perspektive hängt es wirklich stark an der Authentizität. Wenn ich merke, dass bei einer Kampagne zu viele Köpfe und Inputs drinstecken, bleibt für mich zu wenig Spielraum und ich fühle mich unwohl. Das sieht am Ende zu gewollt aus, das sieht man dem Beitrag an – auch die Gen Z erkennt das.

Wie schafft man es, authentisch zu sein?

Jason: Wenn ein etabliertes Unternehmen zum Beispiel auf Fair Trade umstellen möchte und zu 100 Prozent dahintersteht, empfehle ich, die Community auf Social Media auf diesem Weg mitzunehmen. Das bedeutet klarzustellen, dass noch nicht alles perfekt ist, aber zu zeigen, welche Schritte das Unternehmen aktuell geht. Niemand erwartet von Companys, dass das von heute auf morgen umgesetzt wird. Es ist besser, realistische Ziele zu setzen und ehrlich zu kommunizieren, als eine nachhaltige Kollektion herauszubringen, die aber nur zwei Prozent des Umsatzes ausmacht.

Angenommen, ich will mit einem Unternehmen auf TikTok durchstarten. Was sollte ich als Erstes klären?

Jason: Vor wenigen Jahren, als wir angefangen haben, konntest du sehr einfach ein Produkt nur über Social-Media-Marketing hochskallieren. Das geht heute nicht mehr. Es gibt wenige Sachen, die jetzt noch innovativ genug sind, um sich einfach so zu verkaufen, ohne dass du auch klassisches Marketing machen musst. Du brauchst eine übergreifende Strategie. Deswegen solltest du dir die Frage stellen: Willst du dich wirklich abhängig machen von nur einem Kanal wie TikTok? Oder direkt versuchen, in die Breite zu gehen? Das ist natürlich oft eine Ressourcenfrage. Wir hatten es da anfangs einfacher. Die Kommerzialisierung von Social Media hat in unserem Gründungsjahr 2018 erst so richtig Fahrt aufgenommen.

Annika und Jason plädieren für mehr Bildungsarbeit im Umgang mit digitalen Medien. Foto: Sebastian Arlt

Und Annika, welche Frage sollte ich mir als Creator:in ganz am Anfang stellen?

Annika: Ob du Geld verdienen möchtest oder Leute unterhalten willst. Wenn du Geld willst – lass es bleiben. Wenn du Bock hast, etwas zu erzählen, und viele Ideen hast, kann das funktionieren. Du brauchst aber viel Durchhaltevermögen. Als ich angefangen habe, bin ich täglich nach meinem Praktikum in der Filmproduktion um sechs Uhr abends nach Hause gekommen und habe bis in die Nacht meine Videos geschnitten. Das war viel Aufwand für zwei Videos pro Woche. Ich bin ins Risiko gegangen und habe meine Ausbildung abgesagt – nach insgesamt eineinhalb Jahren Vollzeitbespielung meines Kanals habe ich mein erstes Geld verdient.

Das krasse Gegenteil von TikTok passiert auf Twitch. Da gibt es stundenlange Livestreams, die Creator:innen reagieren zum Beispiel auch live auf TikTok-Clips. Warum diese enorme Diskrepanz in der Videolänge?

Jason: Für mich sind es einfach nur andere Situationen, in denen die beiden Kanäle genutzt werden. Bei Twitch müssen die Zuschauenden nicht aktiv durch einen Feed scrollen, sondern können passiv streamen. Vielleicht kann man zugespitzt sagen: TikTok ist die neue Zeitung, Twitch das neue TV.

Mawave: Gen Z ist nicht per se die „Generation Krise“

Ist die Gen Z mit Klimakrise, Corona-Pandemie und Krieg in der Ukraine die „Generation Krise“? Kann man sie mit Purpose-Themen noch erreichen?

Jason: Ja, das sind nach wie vor wichtige Themen. Aber ich finde, dass wir die Generationen bei Krisenerfahrungen nicht so stark voneinander abgrenzen müssen. Meine Eltern haben auch Katastrophen erlebt. Allerdings hat früher vielleicht ein:e Nachbar:in etwas über den Gartenzaun erzählt. Social Media ist jetzt ein krasser Katalysator, wir bekommen heute alles viel schneller und intensiver mit. Das ist der Unterschied. Deswegen ist es wichtig, dass wir lernen, mit dieser neuen Form der Kommunikation umzugehen.

Annika: Diese Bildungsarbeit ist wichtig, ja. Das Krasse ist, wenn du dir zum Beispiel einen Beitrag auf TikTok über Depressionen anschaust, dann ist der ganze Algorithmus schnell ausschließlich auf depressive Stimmung ausgelegt und das zieht dich noch mehr rein. Dann bist du in der Blase und kommst nicht mehr raus. Das ist supergefährlich.

»TikTok ist die neue Zeitung, Twitch das neue TV.«

Jason Modemann, CEO Mawave. Foto: Sebastian Arlt

Jason, du sagst, man müsse die Generationen nicht so strikt trennen – ist der Begriff Gen Z überhaupt sinnvoll als Beschreibung einer Zielgruppe?

Jason: Es gibt mittlerweile eine Handvoll Statistiken und Studien dazu. Darin heißt es, dass einfach alle 15 Jahre ein neuer Begriff für eine Generation gesucht wird, ohne dass sie sich wirklich stark unterscheidet. Auch meine Eltern haben sich über Authentizität und Identität Gedanken gemacht. Nur ist es heute so, dass diese Themen durch Social Media anders geprägt werden. Aber die Themen sind die gleichen.

Meiner Ansicht nach gibt es zwei Generationen, die sich wirklich krass abheben. Einerseits die Babyboomer, die einen komplett überlaufenen Arbeitsmarkt betreten haben. Die hatten Angst um ihre Existenz und waren sich nicht sicher, welchen Job sie bekommen. Und die Gen Z, weil sie mit ganz neuen Technologien aufgewachsen ist. Im Marketing ist die Unterscheidung sinnvoll, weil wir eine 40-jährige Person ganz anders ansprechen als eine 18-jährige. Ganz besonders auf Social Media. Da orientieren wir uns aber weniger an den Generationen, sondern eher an klassischen Merkmalen wie Alter und Geschlecht.

Annika, deine Community wird mit dir älter. Wie wird sich das auf deine Social-Media-Aktivitäten auswirken?

Annika: Ich versuche, mir darüber nicht so viele Gedanken zu machen. Ich mache das jetzt schon sieben Jahre lang und es funktioniert immer noch. Vor sieben Jahren haben mich Leute schon gefragt, was in fünf Jahren sein wird. Ich werde älter mit der Community, die Leute entwickeln sich und wachsen mit mir. Da habe ich gar keine Sorgen.

Jason, wo siehst du Mawave in fünf bis zehn Jahren?

Jason: Wir bleiben auf jeden Fall Experten für Social Media (Performance) Marketing. Wir sind die einzige Agentur in der Größe in Deutschland, die sich auf so was Spezielles konzentriert. Wir werden nicht den Fehler machen und zu lange warten, wenn neue Kanäle kommen – auch wenn das dazu führt, dass man mal falsche Investments tätigt. Wir haben in der Hochphase zwei Wochen Clubhouse intensiv gemacht, versucht, tägliche Podcasts dort zu hosten, und nach einem Monat hat niemand mehr darüber gesprochen. Aber das ist unser Mindset. Wir dürfen Fehler begehen, aber unser Motto ist: „fail fast“ – also schnell hinfallen und aus dem Fehler lernen.

Mehr von XPLR: MEDIA in deinem E-Mail-Postfach

Der Newsletter von XPLR: MEDIA in Bavaria zeigt dir, wie innovativ der Medienstandort Bayern ist. Join the innovators!

go to top

Bleibe mit dem XPLR: Newsletter immer auf dem Laufenden!

Newsletter abonnieren