Heiko Heinemann vom BT Verlag: „KI hat unsere Sinne geschärft”

Von Florentina Czerny
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Der Münchner BT Verlag hat sich auf Printmagazine zu Nischenthemen spezialisiert. Zu seinen erfolgreichsten Titeln gehören unter anderem das Kaffeemagazin „Crema” oder die haus+wellness“, in der es um Swimmingpools geht. Wie schafft es der Verlag, erfolgreiche Zeitschriften im Special-Interest-Bereich auf den Markt zu bringen, während andere Medienhäuser ihre Nischenmagazine einstellen müssen? Geschäftsführer Heiko Heinemann gibt im Interview Einblicke in Strategie und Zielgruppen-Targeting.

In Zeiten von KI, Social Media und digitalen Nachrichten: Wie lebendig ist der Magazinmarkt aktuell?

Heiko Heinemann: Wir sitzen hier und wir können unsere Miete bezahlen. Vor zehn Jahren wäre ich noch pessimistischer gewesen. Der schlimmste Gedanke mit den Anfängen der Digitalisierung war, dass Magazine obsolet werden könnten. Die größte Krise haben wir jetzt hinter uns, die Printmarken, die es jetzt noch gibt, sind sehr gefestigt. Heute ist der Pessimismus weg, wir stehen so gut da wie noch nie. Wir können stolz behaupten, dass wir Zeitschriften machen, weil sie funktionieren.

Das Credo des BT Verlag lautet nach wie vor „Print first“

 

Warum funktioniert dieses Konzept für Sie so gut, während andere Nischenmagazine vom Markt verschwinden?

Heinemann: Eine unserer Stärken ist, dass es uns am Kiosk nie übermäßig gut gegangen ist. (lacht) Wir hatten nie Magazine, die am Kiosk absolute Selbstläufer waren. Das hilft, wenn man Gegenwind bekommt. Wir sind geübt darin, uns zu überlegen, wie wir mit unseren speziellen Themen an Leser:innen herankommen. Zum anderen wussten wir immer genau, wer unser Gegner auf dem Markt ist, nämlich starke Online-Marken. Auch wenn jeder unserer Titel eine eigene Website und Social-Media-Auftritte hat, haben wir uns immer auf unser Credo Print first“ berufen. Wir hatten nie den Druck, dass unsere starken Printmarken auch im Web die Nummer 1 werden müssen. Das war ganz klar ein Risiko – in unserem Fall hat es sich aber als die richtige Strategie erwiesen.

Hat sich die Finanzierung Ihrer Produkte verändert? Wie setzt sie sich zusammen?

Heiko Heinemann: Wir sind nach wie vor hauptsächlich durch Printanzeigen finanziert. Die Einnahmen sind in den vergangenen Jahren bei uns nicht weniger geworden. Mit unseren Onlineauftritten hingegen verdienen wir direkt fast nichts. Das ist mit Nischenthemen ohnehin sehr schwer – und mit der Entwicklung von KI-Modellen noch viel schwieriger geworden. Um Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, müssen User:innen jetzt ja nicht einmal mehr auf eine Website klicken – Google bzw. die KI beantwortet sie gleich selbst.

 

»Wir haben immer versucht, unserer Zielgruppe einen Schritt entgegenzukommen. Dort, wo sich unsere Zielgruppen aufhalten, möchten wir sein.«

Heiko Heinemann, Geschäftsführer

Foto: Privat

Wie hoch ist das Risiko, dass die kleineren Zielgruppen, die Sie ansprechen, wegbrechen?

Heinemann: Wir haben zwei größere Magazin-Strömungen: Das eine sind Kauf-Ratgeber für wirklich große Anschaffungen. In unserem Titel Haus & Wellness“ geht es zum Beispiel um Swimmingpools. Zum anderen veröffentlichen wir Liebhaber-Magazine, wie etwa unser Kaffeemagazin Crema“. In diesen beiden Segmenten sind unsere Zielgruppen nicht weggebrochen. Im Gegenteil: Gerade, wenn es um große Once in a Lifetime“-Anschaffungen geht, ist Print noch immer ein seriöser Anker, der Glaubwürdigkeit vermittelt.

Neben den Printmagazinen haben vor allem die E-Paper immens an Wichtigkeit gewonnen

 

Was tun Sie dafür, Ihre Zielgruppen zu erreichen und zu halten? Welche Rolle spielen dabei besondere Auslageorte?

Heinemann: Wir haben immer versucht, unserer Zielgruppe einen Schritt entgegenzukommen. Dort, wo sich unsere Zielgruppen aufhalten, möchten wir sein. Je nach Titel zum Beispiel in Pool-Ausstellungen, Bad-Ausstellungen, Wellnesshotels, Flughafen-Lounges. Dadurch haben wir zwar eine hohe Auflage, die wir umsonst weitergeben, für uns rechnet sich das aber, weil wir dadurch unsere Reichweite und damit auch unsere Anzeigeneinnahmen steigern.

Welche Kanäle kommen neben den Printmagazinen noch zum Einsatz?

Heinemann: In der Zielgruppenfindung spielt online für uns eine große Rolle. Das merken wir an unseren Einzelheft-Bestellungen: Viele Leser:innen entschließen sich, die Info-Schwelle von Web zu Print zu überschreiten, und möchten ganz bewusst mehr und gedruckte Inhalt bekommen. Wie aktiv wir die einzelnen Social-Media-Kanäle betreiben, kommt ganz auf das jeweilige Magazin an. Bei manchen Titeln spielt Social Media überhaupt keine Rolle, bei anderen eine große, zum Beispiel bei der Crema“. Was für uns enorm wichtig geworden ist, sind E-Paper. Mit der Diabetes Living“ sind wir zum Beispiel in Online-Bibliotheken von Kliniken vertreten und erreichen viele Menschen, die genau unserer Zielgruppe entsprechen.

Der BT Verlag publiziert Printmagazine im Special-Interest-Bereich und bedient damit Nischenmärkte. Das Konzept geht für den Münchner Verlag auf. / Cover: BT Verlag

Der BT Verlag publiziert Printmagazine im Special-Interest-Bereich und bedient damit Nischenmärkte. Das Konzept geht für den Münchner Verlag auf. / Cover: BT Verlag

Der BT Verlag publiziert Printmagazine im Special-Interest-Bereich und bedient damit Nischenmärkte. Das Konzept geht für den Münchner Verlag auf. / Cover: BT Verlag

Der BT Verlag publiziert Printmagazine im Special-Interest-Bereich und bedient damit Nischenmärkte. Das Konzept geht für den Münchner Verlag auf. / Cover: BT Verlag

Der BT Verlag publiziert Printmagazine im Special-Interest-Bereich und bedient damit Nischenmärkte. Das Konzept geht für den Münchner Verlag auf. / Cover: BT Verlag

Mit Ihren Titeln sprechen Sie ganz unterschiedliche Leser:innengruppen an. Wie ist der Verlag redaktionell aufgestellt, um diesen Zielgruppen gerecht zu werden?

Heinemann: Je nach Titel sehr unterschiedlich. Für die großen Magazine haben wir eine Redaktion mit etwa 15 Festangestellten. Kleinere Magazine, die nur zwei mal im Jahr erscheinen, werden von freien Mitarbeiter:innen übernommen. Außerdem haben wir viele freie Autor:innen, die sich in ihrem jeweiligen Gebiet extrem gut auskennen. Einer unserer Top-Autoren in der Crema“ ist zum Beispiel ein absoluter Kaffee-Nerd, eine andere Autorin reist um die Welt und besucht Cafés, die sie bei uns vorstellt.

Werfen wir einen genaueren Blick in die Crema“. Die Zeitschrift ist das auflagenstärkste Kaffeemagazin in Europa. Mit welcher Strategie ist das Magazin so erfolgreich geworden?

Heinemann: Vor etwa 15 Jahren war ich in einem großen Elektrogeschäft unterwegs und habe eine Beobachtung gemacht. Im Laden war fast nichts los, außer in einem Gang: Bei den Kaffee-Vollautomaten war die Hölle los. Ich dachte mir, wenn sich jemand eine Kaffeemaschine für 1000 Euro kauft, will er auch fundierte Infos darüber haben. Auf dieser Basis haben wir die Crema“ gegründet in der festen Annahme, die Leute reißen uns die Hefte aus den Händen. Das war leider ein Trugschluss. (lacht)

Es hat etwa fünf Jahre gedauert, bis wir verstanden haben, welche Inhalte wirklich funktionieren: Mit den schönen Siebträger-Maschinen kam der Craft-Gedanke in den Kaffeebereich. Als Magazin haben wir uns mit dem Trend inhaltlich weiterentwickelt, wurden ehrlicher und relevanter. Wenn man so will, sind wir immer nerdiger geworden – zusammen mit unseren Leser:innen. Dass Kaffee irgendwann richtig cool geworden ist, hat uns in die Karten gespielt.

Seit kurzem hat der BT Verlag ein neues Geschäftsfeld für sich entdeckt: Er bringt nun auch hochwertige Coffeetable-Books auf den Markt. / Foto: BT Verlag

Seit kurzem hat der BT Verlag ein neues Geschäftsfeld für sich entdeckt: Er bringt nun auch hochwertige Coffeetable-Books auf den Markt. / Foto: BT Verlag

Seit kurzem hat der BT Verlag ein neues Geschäftsfeld für sich entdeckt: Er bringt nun auch hochwertige Coffeetable-Books auf den Markt. / Foto: BT Verlag

Was macht die Crema“ heute aus?

Heinemann: Heute stellen wir Kaffeesorten aus aller Welt vor, testen verschiedene Maschinen und porträtieren spannende Menschen, die mit Kaffee zu tun haben. Welche Röstungen sind besonders gut, woher kommt mein Kaffee, welche Maschine fühlt sich wie an? Das sind Fragen, die unsere Leser:innen interessieren. Wenn die neue Crema“ erscheint, haben wir besonders viel Traffic auf unseren Social-Media-Kanälen – unsere Leser:innen freuen sich auf jede Ausgabe und sie mögen das Magazin vor allem deshalb, weil es Print ist. Eine haptische Zeitschrift bedeutet für sie Entschleunigung und ist fast wie ein Statussymbol. Das heißt für uns, dass wir unser Magazin auch dementsprechend machen müssen: wie einen Freund, der einen alle zwei Monate besucht.

KI ist ein wichtiges Recherchetool, hat ihre Grenzen aber im Persönlichen

 

Welche Rolle spielt KI aktuell schon im Verlag?

Heinemann: KI hat unsere Sinne geschärft. Zum einen dafür, was schon möglich ist. Wie vermutlich alle in der Branche sind wir mit der ersten Version von ChatGPT mit offenem Mund vor dem Bildschirm gesessen und konnten kaum glauben, was diese neue Technologie alles kann. Wenn man die KI für ein Ratgeberstück nach 18 guten Tipps fragt, wie man mit Diabetes gut durch den Sommer kommt, gibt sie einem 20 gute Tipps. Für die Recherche ist KI für uns mittlerweile zu einem wertvollen Tool geworden. Zum anderen hat sie uns aber auch gezeigt, wo ihre Grenzen sind. Und die liegen im Persönlichen. Interviews führen, Kontakte knüpfen, spannende Menschen und ihre Geschichten ausfindig machen oder Kaffees bzw. Kaffeemaschinen testen – das können nur Menschen. KI kann keine Relevanz erzeugen, das klappt nur über den persönlichen Kontakt.

Mit welcher Strategie wollen Sie den Verlag in die Zukunft führen? Bleiben Sie der Printbranche treu?

Heiko Heinemann: Wir merken, dass bestehende Zeitschriften-Marken ihren Wert haben. Der Launch von neuen Magazinen hingegen funktioniert unserer Erfahrung nach nicht mehr. Wir haben stattdessen vor eineinhalb Jahren angefangen, Bücher zu machen. In unserer neuen Buch-Verlagssparte publizieren wir nun hochwertige Coffeetable-Books. Damit hatten wir einen erfolgreichen Start, denn auch hier greift der Liebhaber-Gedanke. Insofern steht folgender Satz für unseren Verlag wohl am besten: Unsere Antwort auf die Printkrise ist noch mehr Print.

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