Justt: Eine neue Content-Plattform für die Creator Economy

Von Lisa Plank

Für audiovisuellen Content gibt es bereits Plattformen basierend auf intelligenten Algorithmen. Justt überträgt dieses Konzept auf geschriebene Inhalte. Durch Blockchain-Technologien sollen Verlage und Journalist:innen ihren Content besser monetarisieren können und so stärker von der Creator Economy profitieren.

Die sozialen Netzwerke haben sich in den vergangenen Jahren verändert, die Creator Economy boomt. Auf Plattformen wie Instagram oder TikTok findet man heute mehr professionell erstellten Content als Urlaubsfotos. Diese Entwicklung birgt jedoch auch Probleme. „Social Media ist eine riesige Ablenkungsmaschine, es gibt Datenschutzprobleme und attention-based Algorithmen, die versuchen, dich so lange wie möglich auf der Plattform zu halten”, sagt Anatol Munz, einer der Gründer des Münchner Start-ups Justt. „Zudem weißt Du oft nicht, wo die Inhalte herkommen und ob Du ihnen trauen kannst.“

Nicht ohne Grund sind die Plattformen trotz aller Kritik beliebt. „Du hast ein hoch personalisiertes Nutzererlebnis. Es ist irre bequem, es ist schnell, es ist sehr inspirierend und auch interessant”, erklärt Munz. Influencer:innen beweisen, wie viel Geld man auf sozialen Netzwerken verdienen kann – nur die Hersteller:innen von Qualitätsinhalten wie Journalist:innen und Verlage hatten es dort bisher schwer. „Wir sehen einerseits Youtuber, die Millionen verdienen, während der Journalismus – der faktenbasiert recherchiert ist, Desinformation enttarnt und dadurch immer wichtiger wird – immer schlechter bezahlt wird”, erklärt er. Dieses Problem möchte Justt mit einer neuen Idee lösen: Die Plattform nutzt die Logik und Technologien von Social Media und kombiniert sie mit einem Safe Space für Qualitätsinhalte, um  journalistische Inhalte zu publizieren, zu verbreiten und zu monetarisieren.

»Jeder, der ein Smartphone besitzt und sich für gute Qualität und interessante Inhalte begeistert, soll bei uns fündig werden.«

Anatol Munz, Mitgründer von Justt

Foto: Justt

Justt setzt auf intelligente Algorithmen und neuartige Features

Justt soll das YouTube der geschriebenen Qualitätsinhalte werden, wobei die veröffentlichten Artikel Medien aller Art enthalten können. Kein soziales Netzwerk im engeren Sinne, vielmehr eine Plattform für Creators und Verlage – und ihre Leser:innen. Intelligente Algorithmen und neuartige Features sollen die Nutzung für beide Seiten vereinfachen.

Mit dieser Idee im Kopf beobachteten Anatol Munz und sein Mitgründer Yann Sénécheau den Markt. „Wir hatten beide eine ähnliche Idee – ich als Diplom-Journalist aus der inhaltlichen Perspektive, Yann als Diplom-Informatiker aus der technischen Perspektive – also haben wir zusammen gegründet“, sagt Anatol Munz.

Zwischen der Idee und dem ersten funktionierenden Prototypen lagen jedoch auch Enttäuschungen. Sie arbeiteten mit verschiedenen Designer:innen und Entwickler:innen zusammen, die Ergebnisse ließen jedoch zu wünschen übrig. „Wir haben ordentlich Geld versenkt. Alles, was wir bekommen haben, landete am Ende wieder im Müll”, sagt Munz. Das änderte sich mit Deniz Tortoshi, einem Designer im Kosovo.

„Wir haben mit ihm telefoniert und beschrieben, was wir im Kopf haben. Er hat es sofort kapiert. Zumindest war das unser Gefühl”, sagt Anatol Munz. Nach kurzer Zeit schlich sich jedoch Sorge ein: Der Designer meldete sich über mehrere Wochen nicht mehr. „Dann schickte er uns plötzlich einen Link – und da waren hunderte Megabyte Daten. Er hat sofort angefangen, diese Plattform zu designen, obwohl wir das noch gar nicht in Auftrag gegeben haben. Wir haben das Ding gesehen und gesagt: Das ist es”, sagt er. Die Konsequenz: Tortoshi wird Mitgründer von Justt.

Mittlerweile zählt das Team zehn Mitarbeitende und einen dreiköpfigen Aufsichtsrat. Felix Braune und Deniz Tortoshi sind Co-Founder.

Eine Plattform für ausführliche Recherchen und Special-Interest

Trotzdem steht das Team von Justt noch am Anfang. Etwa 1600 Nutzer:innen testen die iOS-App, erste Verlagshäuser und Blogs veröffentlichen ihre Inhalte auf Justt – unter anderem Spektrum der Wissenschaft und piqd. Der neueste Kooperationspartner ist das feministische Magazin Missy.

Das Ziel ist es nicht, als Anlaufstelle für aktuelle Nachrichten wahrgenommen zu werden. Stattdessen sollen ausführliche Recherchen und Special-Interest-Themen auf Justt ihren Platz finden. „Unsere Zielgruppe sind Young Professionals oder auch Digital and Urban Explorer”, sagt Anne Hufnagel, bei Justt zuständig für Business Development und Partner Management.

Um diese Zielgruppe bedienen zu können, startete Justt mit fünf Content-Verticals: young urban, avantgarde business, green and smart living, disruptive technologies und impact science. „Von diesen Verticals schauen wir weiter, wie wir unsere Plattform füllen können, um unsere Zielgruppe anzusprechen”, sagt Hufnagel. Die Kategorien sind jedoch nur der Anfang. Langfristig sollen so viele verschiedene Themen wie möglich auf Justt zu finden sein. „Jeder, der ein Smartphone besitzt und sich für gute Qualität und interessante Inhalte begeistert, soll bei uns fündig werden”, sagt Munz.

Justt arbeitet an Monetarisierungsmodellen auf Blockchain-Basis

„Wir wollen gut aufbereitete Inhalte und Journalismus aus allen Bereichen der Welt”, sagt Munz. Was sie nicht wollen: Boulevard, Aufrufe zur Gewalt, Rassismus oder Diskriminierung von Minderheiten. Um das zu gewährleisten, selektieren sie neue Creators kritisch. „Wir arbeiten anders als Facebook. Die machen die Tür ganz auf, müssen nachher aufräumen und werden nie fertig – obwohl sie  zehntausende Cleaner haben.”

Die Inhalte, die die Plattform schon jetzt füllen, werden nicht einfach aggregiert, sondern entstehen in Partnerschaft mit den jeweiligen Creators oder Verlagen. Ein weiterer Unterschied zu anderen sozialen Netzwerken: Creators sollen über Justt ein Einkommen generieren können. Derzeit arbeiten die Gründer von Justt an verschiedenen Monetarisierungsmodellen, zu viel möchten sie noch nicht verraten. „Wir arbeiten mit Blockchain und wir glauben, dass wir da ein paar ganz gute Ideen haben”, sagt Anatol Munz. Die App soll kostenfrei bleiben, die Creators sollen jedoch die Wahl haben: Sie können ihre Artikel kostenlos veröffentlichen, hinter eine Paywall setzen oder durch Werbung monetarisieren. Das generierte Einkommen variiere basierend auf dem gewählten Monetarisierungsmodell und den erreichten Klickzahlen.

Blockchain senkt Kosten und ermöglicht faire Zusammenarbeit

Justt soll jedoch nicht nur die Veröffentlichung und Monetarisierung von Content vereinfachen, sondern auch Skalierung und Kooperation. „Wenn du Content zu einem Thema produzierst, und in einem anderen Land produziert jemand ähnlichen Content, würde Justt dir das mitteilen”, erklärt Munz. „Dann kann man darüber nachdenken, ob man sich zusammenschließen möchte, ob man Inhalte tauscht, um sie gegenseitig zu publizieren oder ob man gemeinsam an Publikationen arbeiten möchte.” Justt nimmt in diesem Fall die Rolle eines digitalen und globalen Verlagshauses ein.

„Plötzlich hat man zu geringsten Vertriebskosten Zugang zu einem globalen Markt”, sagt Anatol Munz. Neben dem finanziellen Potenzial schätzt er den damit möglichen Perspektivenwechsel. „Mich würde es zum Beispiel sehr interessieren, was ukrainische und russische Journalisten über den Krieg schreiben, aber darauf habe ich praktisch keinen Zugang, weil ich die Sprache nicht spreche”, sagt Munz. Mit Justt könnte sich das ändern. Auf der Plattform sollen Inhalte mithilfe künstlicher Intelligenz übersetzt werden – so können Nutzer:innen auch ausländischen Journalist:innen und Magazinen folgen und deren Beiträge lesen.

Das Matching zwischen Nutzer:innen und Inhalten, damit Leser:innen die Inhalte finden, die sie interessieren, übernehmen intelligente, auf Relevanz trainierte, Algorithmen. „Durch Blockchains können wir zudem die Art verändern, wie wir zusammenarbeiten und wie wir Inhalte monetarisieren”, sagt Anatol Munz. Die Blockchain-Technologie soll nicht nur Transaktionskosten senken, sondern durch Smart Contracts eine einfache und faire Zusammenarbeit ermöglichen. Einnahmen können dadurch dem Vertrag entsprechend aufgeteilt werden, ohne dafür eine dritte Instanz einzubeziehen. „Das wird den einzelnen Creator und Verlage in der Medienlandschaft stärken und völlig neue Businessmodelle ermöglichen.”

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