Foto: Sebabstian Arlt
K5 Factory: Von der Filmproduktion bis ins Metaverse
Vor 30 Jahren war im Herzen Münchens die Geburtsstunde der heute international operierenden K5 Media Group. Viele gefeierte Filmproduktionen später erschließt Geschäftsführer Oliver Simon wieder neue Geschäftsfelder – und setzt mit der K5 Factory jetzt auf die Trendtechnologien Virtual Reality und Augmented Reality.
Wer Schauspielernamen wie Adam Driver, Clive Owen oder Amanda Seyfried hört, wird sie in der Regel nicht mit einem Giesinger Hinterhof in Verbindung bringen. Und doch spielen alle drei Rollen in Filmen, die in der Konradinstraße 5 von Oliver Simons K5 Media Group produziert oder vertrieben wurden – oder beides. Mit dem richtigen Gespür für aktuelle Trends haben er und seine Weggefährten, Oda Schaefer, Dr. Daniel Baur und Sascha Prestel, hier ein Imperium rund um das Bewegtbild aufgebaut. Das jüngste Kapitel ist die 2018 gegründete VR/AR-Sparte der Gruppe, die K5 Factory, die sich soeben auch des großen Themas Virtual Production annimmt. Und die feiert gerade das bisher größte Projekt ihrer noch jungen Unternehmensgeschichte.
Von der Script Company zur Produktionsfirma
Der Anfang der heutigen K5 Media Group liegt in den Neunzigerjahren, als sich mit Virtual Reality noch lange kein Geld verdienen ließ. Der frischgebackene Drehbuchautor Oliver Simon gründete damals mit Regisseur Matthias Steurer und Schauspieler Götz Otto (bekannt aus dem James-Bond-Film „Die Welt ist nicht genug“) die Drehbuch-Schmiede FreeX (sprich Freaks). „Uns war schon immer wichtig, den aktuellen Trends voraus zu sein. Vor dreißig Jahren hieß das, Drehbücher so zu schreiben, dass von Anfang an alle wichtigen Akteur:innen daran beteiligt sind. Unsere Idee war: Wenn sich Autor, Regisseur und Schauspieler zusammentun, müssen zwangsläufig gute Filme herauskommen“, sagt Simon. Für Simon blieb es nicht lange nur beim Schreiben. „2001 kamen die Bavaria Filmstudios auf mich zu und fragten, ob ich nicht auch Produzent werden will.“
Die neu gegründete Produktionsfirma wurde K5 Film getauft und konnte über die nächsten Jahre erfolgreiche Kollaborationen mit Regiegrößen wie Jim Jarmusch, Andrew Niccol und Mira Nair realisieren. Filme wie „Paterson“ mit Adam Driver in der Hauptrolle brachten das Team der K5 Film bis auf den roten Teppich nach Cannes, die Co-Produktion „Land of Mine“ bescherte neben zahlreichen internationalen Preisen sogar eine von drei Oscar-Nominierungen. Heute gehört die Produktionsfirma zur Dachorganisation K5 Media Group, ebenso wie die 2007 mit Dr. Daniel Baur gegründete Sparte K5 International. Diese hat sich auf den weltweiten Vertrieb von Spielfilmen spezialisiert, wie zum Beispiel aktuell Kevin Costners „Horizon“. Auch all seine außerhalb des Studiosystems produzierten Filme, wie zum Beispiel „Der mit dem Wolf tanzt“, „Open Range“ und weitere, sind dort vertreten.
Geschichten dort erzählen, wo das Publikum ist
„Der Nukleus von allem, was wir tun, ist das Erzählen von Geschichten“, sagt Oliver Simon heute über sein Unternehmen. „Dafür wird es immer Bedarf geben, auch wenn sich das Medium weiterentwickelt.“ Mit dem Medium entwickelt sich auch die K5 Media Group immer weiter. Bei einer Zusammenarbeit mit Regisseur Andrew Niccol beim Film „Anon“ kam Simon 2018 zum ersten Mal mit der Spielebranche in Kontakt und realisierte: K5 muss dorthin, wo die Zuschauer:innen von morgen sind – zum Gaming. „Der Film hat einfach danach geschrien, ein Spiel zu produzieren, das in derselben Welt angesiedelt ist und uns erlaubt, die Geschichten und die Charaktere aktiv weiterzuspinnen“, sagt Simon.
Damit stand die Firma jedoch vor einem Problem: „Wir hatten jede Menge Erfahrung mit der Produktion von Filmen, wussten aber nichts über Coding oder das Produzieren von Videospielen.“ Simon holte sich das nötige Know-how durch eine Kooperation mit ARRI. Der renommierte Kamerahersteller hatte damals ein internes Zukunfts-Lab, das sich mit AR und VR beschäftigte. „Mit ARRI sind wir schon lange eng verbunden, teilweise habe ich ganze Nächte in ihren Postproduktionsräumen verbracht“, erzählt Simon. Als ARRI später entschied, wieder allein auf das Hardware-, Licht- und Kamerageschäft zu setzen, wollte Simon das Projekt nicht aufgeben – und übersiedelte das gesamte Team in die Konradinstraße. Die K5 Factory war geboren.
Wer seine Spiele liebt, macht Auftragsarbeit
Für die Videospielebranche an sich bedeutete die Pandemie zwar einen enormen Wachstumsschub, VR-Gaming steckte allerdings noch in den Kinderschuhen, was Umsatz und Verbreitung anging. Doch für Simon war gerade das der ausschlaggebende Faktor, voll auf VR und AR zu setzen. „In der Videospielebranche herrscht eine starke Übersättigung. Als kleines, erst 2018 gegründetes Studio hätten wir da keine Chance gehabt. Deswegen stand für uns von Anfang an fest: VR first.“ Nur so konnte man sich Simon zufolge ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten und sicherstellen, auch auf diesem für die Mediengruppe neuen Gebiet Erfolg zu haben.
Trotzdem hätte die Pandemie dem jungen Unternehmen fast das Genick gebrochen. „Wie will man während eines Lockdowns ein VR-Produkt verkaufen, wenn der Kunde nicht persönlich vorbeikommen und sich die Brille aufsetzen kann?“, sagt Co-Geschäftsführer Dr. Thomas Wagner. Der Geschäftspartner kümmert sich seit 2021 um das operative Geschäft der GmbH. Um sich über Wasser zu halten, setzten er und Oliver Simon auf kommerzielle Aufträge von Unternehmen. „Wir haben alles gemacht, von AR-Werbung über virtuelle Konferenzen im Metaverse bis zu VR-Ausstellungen für Museen.“ Zu den Kunden gesellten sich nach und nach große Namen wie BMW, Audi und Burda. Das Konzept hat sie nicht nur durch die Pandemie gerettet, sondern ist inzwischen das stärkste Standbein des Unternehmens. „Tatsächlich sind wir bereits an unserer Kapazitätsgrenze. Aber die Aufträge finanzieren die Spieleproduktionen“, so Wagner.
Auf der Suche nach dem Erfolgsrezept für VR
VR massentauglich zu machen, ist eine harte Nuss, an der sich auch die großen Tech-Firmen seit Jahren die Zähne ausbeißen. Woran hapert es? „Für viele, die noch nie so eine Brille aufhatten, ist das Thema Virtual Reality mit vielen Vorurteilen behaftet“, sagt Simon. Zum Beispiel, dass VR nur etwas für nerdige Gamer sei, die mit der Brille auf dem Kopf im Keller sitzen. Deswegen ist Simon überzeugt: „Erst wenn wir es schaffen, VR vom Ruf des Nerdtums zu befreien, wird die Technologie in der Mitte der Gesellschaft ankommen.“ Selbst der Tech-Gigant Apple, der Anfang des Jahres mit seiner Apple Vision Pro den amerikanischen Markt erobern wollte – und seit Juli 2024 auch den deutschen–, tut sich schwer. Inzwischen wurde bekannt, dass die Entwicklung der Vision Pro 2 zugunsten eines günstigeren Einsteigermodells eingestellt wurde.
Dabei geht die Vision Pro Simons Meinung nach bereits in die richtige Richtung – sie ist schicker, stylischer und erlaubt Träger:innen, auch während des Tragens ihre Umgebung wahrzunehmen. Dennoch – vom Ideal ist auch die Vision Pro laut Simon noch ein Stück entfernt. „Meiner Meinung nach werden die Brillen für den Endkunden erst wirklich attraktiv, wenn sie in Größe und Gewicht an eine Skibrille herankommen. Davor – und so ergeht es auch der Vision Pro – sind sie zu groß, zu schwer, zu anstrengend für den längeren Gebrauch.“ In Simons Augen steckt allerdings Taktik dahinter, dass Apple zuerst ein Profi-Modell herausbrachte, bevor es an einer Einsteigervariante arbeitete. „Damit so eine Brille Erfolg hat, braucht es Inhalte. Sonst beißt sich die Katze in den Schwanz – ohne Inhalte kein Bedarf für die Brille, ohne Brille kein Anreiz für Studios, Inhalte zu entwickeln.“ Hier liegt für ihn der Schlüssel, mit dem Apple den Markt doch noch für die Allgemeinheit erschließen kann. Denn seit dem Erscheinen der Vision Pro arbeiten Programmierer:innen auf der ganzen Welt mit der Brille. „Wenn dann die nächste Version rauskommt, ist das Angebot da.“
Oktoberfeststimmung im Wohnzimmer
Dafür sorgt die K5 Factory auch selbst. An welchem Projekt sein Team für die Apple-Brille arbeitet, kann Simon nicht verraten – dafür befindet sich das Team noch zu früh im Entwicklungsprozess. Worüber er umso lieber spricht, ist das neue K5-Großprojekt: das offizielle Oktoberfestspiel in VR, entwickelt auf der Meta-Plattform für die Quest 3. Das Spiel setzt auf die relativ neue und bisher kaum genutzte Spielart Social VR: eine Multiplayer-Erfahrung in der virtuellen Realität. Wer eine Brille trägt – egal wo auf der Welt –, kann sich im Spiel treffen, unterhalten, gemeinsam zur Spielebude gehen oder einfach nur die Stimmung genießen. „Das Feedback, das wir bekommen, ist großartig. Wir nehmen den Leuten nach vierzig Minuten die Brille wieder ab, da denken die meisten, sie wären erst seit fünf Minuten drin.“
Für das Projekt hat der Freistaat Bayern eine halbe Million Euro an Fördergeldern zugesagt. Wäre es auch ohne gegangen? „Auf keinen Fall“, sagt Simon. „Wir haben das Glück, sowohl auf Landes- als auch auf Bundes- und europäischer Ebene gefördert zu werden. Als VR-Studio nur von Storytelling zu leben – ich glaube nicht, dass so etwas aktuell funktionieren kann.“ Das Studio ist auch im ständigen Austausch mit der Stadt München, Zeltwirten wie Inselkammer und Schottenhamel –dessen Zelt kann man im Spiel betreten – und natürlich dem Wiesn-Chef selbst, Clemens Baumgärtner. Wie der das Spiel bisher findet? „Bei der ersten Demo weigerte er sich so lange, die Brille wieder abzusetzen, dass er beinahe seinen Anschlusstermin verpasst hätte.“ Die eigentliche Zielgruppe sind jedoch Menschen, die nicht so leicht persönlich auf der Theresienwiese vorbeikommen können. „Der Markt liegt vor allem in den USA und in Asien.“ Das, sagen sowohl Simon als auch Wagner, ist die große Chance von VR: Menschen Erlebnisse zu ermöglichen, zu denen sie sonst keinen Zugang hätten: „Wenn es nach uns geht, werden wir in Zukunft noch viel mehr solcher Inhalte schaffen.“
Die Figuren stammen aus dem Social-VR-Game „Oktoberfest – The Official Game“, das offiziell von der Landeshauptstadt München lizenziert wurde. / Foto: Sebabstian Arlt
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