Lara Thiede über Journalismus für Gen Z: „Inhalte müssen snackable sein”

Von Franziska Mozart

Lara Thiede weiß, welche Inhalte und Formate die Gen Z ansprechen. / Foto: Lennart Zech

Bento wurde eingestellt, Zett in Zeit Online integriert, Neon gibt es schon lange nicht mehr. Doch jetzt, die junge Marke der Süddeutschen Zeitung, bietet seiner Zielgruppe weiterhin hochwertigen Journalismus. Seit Anfang 2021 ist Lara Thiede dort Redaktionsleiterin. Im Interview verrät sie, wie man die Gen Z erreicht, was jetzt besser kann als andere Medien und wie es um die Zahlungsbereitschaft junger Menschen für Online-Inhalte steht.

Lara, du hast im Februar die Redaktionsleitung bei jetzt übernommen. Was ist bisher deine Handschrift dort?

Lara Thiede: Meine größte Frage ist im Moment: Was soll jetzt in Zukunft sein, wo will ich das Magazin hinbringen? Dazu versuche ich herauszufinden, was den Leser:innen am Produkt wichtig ist. Wir machen viele Umfragen und sezieren das Nutzungsverhalten. Ich führe auch persönlich Gespräche mit Leser:innen, um zu erfahren, wie wir wahrgenommen werden. Daraus kann ich ableiten, was wir beibehalten und was wir verändern müssen, damit es den Leser:innen noch besser gefällt bei uns.

Wie fällt das erste Fazit aus?

Lara: Die Leser:innen mögen vor allem die magazinigen Inhalte. Das bestätigt uns in dem, was wir vorhaben. Wir wollen Texte von hoher Qualität. Dazu ermöglichen wir beispielsweise längere Recherchen oder überlegen, welcher Inhalt ein besonderes Format braucht. Grundsätzlich arbeiten wir inzwischen weniger nach dem Motto schnell-schnell, sondern lieber etwas gründlicher. Jeder Artikel wird im Anschluss auch für Social Media aufbereitet.

Das klingt arbeitsintensiv – wie hast du dafür die Redaktion aufgestellt?

Lara: Wir haben die Organisation in den vergangen Monaten stark umgebaut. Wir verwenden viel Kapazität auf Analyse oder Formatentwicklung – und haben im Gegenzug zwei Schichten gestrichen, die wir früher gebraucht haben, weil unsere Arbeit noch tagesaktuell war. Beispielsweise gab es immer einen Dienst, der morgens mit der tagesaktuellen Recherche begonnen hat. Das lassen wir nun bewusst weg.

Medien für Gen Z: Im Austausch mit Leser:innen bleiben

Habt ihr euch ganz vom Schichtmodell verabschiedet?

Lara: Nicht ganz, wir arbeiten mit zwei verantwortlichen Diensten: Einer plant die Themen und redigiert die Texte, ist zuständig für die Qualitätssicherung im Alltagsgeschäft und spricht die Themen intern in der Süddeutschen Zeitung (SZ) ab. Der zweite Dienst macht Social Media, bereitet die Inhalte für die Social-Media-Kanäle auf und plant sie ein.

Muss man jung sein, um für eine junge Zielgruppe zu schreiben?

Lara: Ja, ich denke schon, dass man jung sein muss, um die Leserschaft zu verstehen. Indem es eine natürliche Fluktuation zur SZ gibt und dann wieder Kolleg:innen nachkommen, bleibt unser Team jung. Wir sind alle so um die dreißig und damit ähnlich alt wie unsere Zielgruppe.

Was macht jetzt anders als konventionelle Medien?

Lara: Ein großer Punkt ist Social Media. Wir legen sehr viel Wert darauf, im Austausch mit unseren Leser:innen zu bleiben, damit wir wissen, wie wir sie ansprechen müssen. Und wir haben Spaß mit unseren Leser:innen. Wir haben lustige Formate und bieten die Möglichkeit zum Austausch, etwa über Insta-Live-Lesungen. Grundsätzlich sind wir sehr wandelbar und probieren viel aus. Als Clubhouse kam, haben wir das sofort ausprobiert. Aber wenn wir sehen, dass sich etwas doch nicht langfristig durchsetzt, dann lassen wir es auch wieder.

„Wir achten auf Diversität – jungen Menschen ist oft wichtig, dass alle mitgedacht werden und vertreten sind.“

Was sind die wichtigsten Kanäle für jetzt im Moment?

Lara: Vor allem Instagram und unsere Seite, jetzt.de. Auf TikTok sind wir auch und haben Spaß damit, aber das ist für unsere Zielgruppe im Moment nicht so relevant. Außerdem ist bei TikTok die Seitenzuführung noch zu schwierig, das machen wir eher zur Markenbildung. Wir werden aber wachsam bleiben und das weiter im Blick haben.

Welche Besonderheiten gibt es bei Inhalten für eine junge Zielgruppe?

Lara: Die Besonderheit ist der Zugang zu Themen aus der Perspektive junger Menschen. Das heißt, dass wir vor allem mit jungen Menschen sprechen und das nur aufweichen, wenn wir Expert:innen brauchen, die es nicht „in jung“ gibt. Wir achten dabei auch auf Diversität – jungen Menschen ist oft wichtig, dass alle mitgedacht werden und vertreten sind.

Unsere Leser:innen interessieren sich für verschiedene Themen. Alles, was man im Gespräch mit Freund:innen auch bespricht, sind unsere Themen, sehr nah an der Lebenswelt. Deshalb sind wir Allrounder und kümmern uns um alles von Politik, Sex, Liebe bis hin zu Gesundheit.

Ansonsten ist es eine Frage der Aufbereitung. Damit ein Thema junge Menschen interessiert, hilft beispielsweise Lockerheit und Humor. Ich glaube, dass wir das besser können als viele andere Medien. Die Whatsapp-Kolumne funktioniert auf diese Weise. Wichtig ist, dass die Inhalte snackable sind – also schnell und mit Genuss zu konsumieren.

Listicles und Co.: Formate für junge Leser:innen

Die Hochphase der Millennial-Medien scheint vorbei zu sein: Bento und Neon gibt es nicht mehr, Zett ist unter das Dach von Zeit Online gewandert. Was bedeuten diese Entwicklungen für jetzt?

Lara: jetzt wird weiter existieren. Für uns ist das eine Chance, da die Zielgruppe insgesamt weniger angesprochen wird. Wir haben das auch zum Anlass genommen, nochmal über unsere eigene Ausrichtung nachzudenken – daher beschäftige ich mich aktuell mit der Frage, wo jetzt in Zukunft stehen wird. Wir können uns wieder stärker auf uns konzentrieren und sind weniger abgelenkt von den Strategien der anderen – Bento etwa ist lange sehr auf Geschwindigkeit und kleinere Geschichten gegangen. Wir können uns jetzt darauf besinnen, was wir gut können. Und das ist Magazin.

jetzt hat den strategischen Hintergrund, Leser:innen zur SZ heranzuführen. Welche Veränderungen finden da gerade statt?

Lara: Wir versuchen, näher an die SZ zu kommen und haben seit eineinhalb Jahren eine SZ-Banderole auf der Seite, in der wir auf SZ-Texte verweisen. Auch auf den Social-Kanälen teilen wir häufiger SZ-Inhalte. Im Gegenzug sind unsere Artikel auf SZ.de und den SZ-Social-Kanälen zu sehen. Das ist ein gegenseitiges Zuspielen.

„Die Zielgruppe, die wir ansprechen, ist es gewohnt, im Internet einzukaufen. Aber eben nur, wenn ihnen das Produkt es auch wert ist.“

Ein großer Unterschied in den Strategien ist, dass SZ.de eine Paywall hat, jetzt nicht – hat das etwas mit der Zielgruppe zu tun?

Lara: Ich würde es nicht generell ausschließen, unsere Inhalte irgendwann zu verkaufen.

Kann man junge Menschen schwieriger dazu bewegen, für Inhalte zu bezahlen?

Lara: Das glaube ich nicht, vor allem die Zielgruppe, die wir ansprechen, ist es gewohnt, im Internet einzukaufen. Aber eben nur, wenn ihnen das Produkt es auch wert ist.

Millennial- und GenZ-Medien haben einige Innovationen in die Medienwelt gebracht: Listicles, Quizze, Formate, die zu Beginn belächelt wurden, sich aber dann schnell etabliert haben. Wie steht es aktuell um die Innovationskraft?

Lara: Das Wichtigste ist die Wandelbarkeit: Immer wachsam bleiben, welche Kanäle genutzt werden, welche Formate gut ankommen. Hilfreich ist sicher, dass wir nichts verteufeln. Listicles kommen beispielsweise in Redaktionskreisen oft nicht so gut an, funktionieren bei den Leser:innen aber sehr gut. Meine Haltung dazu ist: Ist bin die Dienstleisterin für die Leser:innen. Natürlich will ich meine Qualitätsstandards halten, aber das geht auch in Form einer Liste – solange sie gut gemacht ist.

Das Netzwerk der Zentralredaktionen von Ippen Digital versorgt mehr als fünfzig Online-Portale rund um die Uhr mit News, darunter Merkur.de und die Frankfurter Rundschau. Chefredakteur Markus Knall über die Zukunft des Digital-Journalismus.

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