Marika Schmitt von upjers: „Wir sind noch lange nicht am Ende”

Von Nora Beyer

Foto: Marika Schmitt

Als Geschäftsführerin des Bamberger Spielestudios upjers ist Marika Schmitt nicht nur in Deutschland, sondern auch international eher die Ausnahme als die Regel. Frauen in Führungspositionen sind nach wie vor selten. Wir haben sie gefragt, wie sich das ändern lässt, was Bamberg als Spielestandort besonders macht und was es mit der berühmten Brauereidichte eigentlich auf sich hat.

Marika, nach fast zwanzig Jahren upjers: Hast du jetzt endlich mal die Nase voll von Games?

Marika Schmitt: [lacht] Auf keinen Fall! Natürlich kann es passieren, dass die Neugierde etwas nachlässt, wenn ich während der Entwicklung zum x-ten Mal ein Tutorial teste und die Inhalte in- und auswendig kenne. Aber die Nase voll habe ich noch lange nicht. Die Abwechslung in unserer Branche ist einfach so groß und ich kann ständig neue Spiele spielen, weil wir viele neue Spiele herausbringen und ich zusätzlich beobachte, was es sonst noch auf dem Markt gibt und viel ausprobiere. Das macht mir nach wie vor unglaublich viel Spaß.

… Und das schon seit über siebzehn Jahren. Erzähl doch mal, wie das in den Anfängen war. Wie war die Gründungszeit?

Marika: Mein Mann hat damals als Hobby Spiele entwickelt. Ich habe mich auch dafür interessiert und habe schnell gemerkt, dass es viele Menschen gibt, die diese Games spielen wollen, und dann war ich schon mittendrin. Ich habe mich um die Community gekümmert, Bugs aufgestöbert, die Pressearbeit am Laufen gehalten, Grafiken erstellt. Eins kam zum anderen und plötzlich war das Ganze so groß geworden, dass wir uns entscheiden mussten, ob wir all in gehen oder nicht. Uns war klar: Wenn wir das Thema Games ernsthaft betreiben wollen, müssen wir es anders aufziehen und das Hobby zum Beruf machen. Das war natürlich ein Wagnis. Aber wir sind es bewusst eingegangen und zum Glück hat es funktioniert.

Das erste Mal haben wir bereits 2019 mit dem Gründer-Team gesprochen.

Das Bamberger Games-Unternehmen upjers wurde vom Entwickler-Duo Marika und Klaus Schmitt 2006 gegründet. Was als Gaming-Projekt im heimischen Wohnzimmer begann, ist heute längst eines der Vorzeigeprojekte der bayerischen Spielebranche. Das Studio zählt mittlerweile mit über 100 Mitarbeitenden zu den wichtigsten Arbeitgebern der bayerischen Spieleindustrie und zu den größten bundesweit. Mit Browser- und Mobilegames wie My Free Farm oder Zoo 2: Animal Park sind die Bamberger bekannt geworden. Ihre Spiele ziehen weltweit 100 Millionen Menschen in den Gaming-Bann und verzeichnen Umsätze in Millionenhöhe.

upjers: Vom belächelten Anfänger zur ernsthaften Konkurrenz

 

Wie war denn damals die Spielelandschaft und was hat sich seitdem verändert?

Marika: Wir haben damals wirklich in unserem Wohnzimmer angefangen und waren überhaupt nicht involviert in die Spieleindustrie. Gerade in unserem Bereich gab es auch noch relativ wenige Unternehmen. HandyGames war bereits am Markt aktiv und Travian Games war gerade im Aufbau, um einige wenige zu nennen. Als Browsergames-Entwickler wurden wir anfangs ziemlich belächelt. Die galten für viele nicht als richtige Spiele. Ernstgenommen zu werden, das mussten wir uns erst erkämpfen. Unsere Spiele kamen aber schnell an. Browserspiele und Mobile Games sind zu einem wichtigen Bestandteil der deutschen und internationalen Gamesbranche geworden. Überhaupt hat sich die Spielelandschaft über die Jahre deutlich weiterentwickelt. Spiele sind gerade auch in Bayern zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. In der Spielekultur hat sich ebenfalls einiges getan. Es gibt zahlreiche Game Jams und viele Community-Events und Spiele werden seit längerem schon vom FFF gefördert.

… Das ist der FilmFernsehFonds Bayern. Der fördert seit 2009 digitale Spiele und zählt damit bundesweit zu einer der ersten Institutionen, der Games in sein Förderprogramm aufgenommen hat. Heißt: Das gesamtgesellschaftliche Bild von Games hat sich über die Jahre also geändert?

Marika: Definitiv haben Games heute einen ganz anderen Stellenwert. Wo früher oft abfällig vom „Daddeln“ oder „Zocken“ die Rede war und die typischen Nerd-Klischees beschworen wurden, haben wir heute als Unterhaltungs- und Kulturmedium den gleichen Stellenwert wie etwa der Film. Das haben wir uns auch in der Branche hart erarbeitet.

Als Casual Games-Entwickler:innen musstet ihr euch den Platz am Tisch erst erkämpfen. Wie hat sich das über die Jahre geändert und wo siehst du die Bedeutung von Casual Games heute?

Marika: Wenn man sich anschaut, wer spielt, dann sind das ja längst nicht mehr, wie in den Anfängen der Industrie vielleicht, die Jüngeren. Heute hat jeder eine Mama oder einen Papa zuhause, die gerne mal spielen. Und gerade für diese Zielgruppen sind Casual Games interessant. Am Anfang war der Erfolgsfaktor unserer Spiele vor allem, dass man miteinander spielen, sich mit anderen austauschen und auch vergleichen konnte. Aber die Entwicklung ist damit nicht stehen geblieben, sondern ging ständig weiter. Wir arbeiten etwa konstant daran, noch bedarfsorientiertere Angebote zu schaffen und den Leuten einfach noch mehr Spaß am Spielen zu ermöglichen – unabhängig vom Alter und Gaming-Hintergrund. Und wir sind noch lange nicht am Ende.

… Und in Zukunft? Wie wird sich der Markt entwickeln?

Marika: Eine ganz neue Herausforderung wird sicherlich der Einsatz von KI sein. Teilweise wird Künstliche Intelligenz im Gaming-Bereich bereits eingesetzt, aber das wird nochmal ganz neu gedacht werden müssen. Insgesamt gibt es gerade im Spielekontext immer wieder technologische Entwicklungen und Innovationen, an denen man dranbleiben muss. Langweilig wird es nie und auch ich bin gespannt, wo die Reise noch hingeht.

Marika Schmitt: Um Spielende fesseln zu können, braucht es Qualität

 

Eure Tierpark-App „Zoo 2: Animal Park“ verzeichnete seit Veröffentlichung mehr als 10 Millionen Spieler, „My Free Farm“ ist ein Dauerbrenner. Was meinst du, was fasziniert die Menschen an euren Spielen?

Marika: Spiele faszinieren den Menschen generell immer. Man kann seine ganz eigene Welt aufbauen, Dinge austesten und ja, manchmal auch einfach in andere Welten entfliehen. In unseren Spielen geht es vor allem darum, sich selber eine kleine eigene Welt zu erschaffen und zu verwalten. Es entstehen auch viele Freundschaften in unseren Games. Insgesamt herrscht eine positive Atmosphäre – man kann einfach entspannen, eine schöne Zeit und Spaß haben. Das bekommen wir immer wieder als Feedback von den Spielenden: Sie freuen sich total, wenn sie sich zum Beispiel um ihre Tiere kümmern können und dann mit liebevollen Animationen belohnt werden.

Das Konzept Free2Play steht ja immer wieder in der Kritik. Viele dieser Spiele sind in ihrer Basisversion gratis, werden aber über Ingame-Käufe schnell mal zum Geldgrab. Auf eurer Webseite schreibt ihr: »Free-to-Play ist unserer Ansicht nach das fairste Modell überhaupt.« Kannst du das näher erklären?

Marika: Früher gab es nur ein Modell: Man musste 50 Euro oder mehr für ein Spiel ausgeben und kaufte damit die Katze im Sack. Natürlich wusste man schon vor dem Kauf, wie das Spiel ungefähr aussieht und worum es geht. Aber man musste trotzdem erstmal den Vollpreis zahlen – auf die Gefahr hin, dass es einem am Ende nicht gefällt. Das Geld war dann dennoch weg. Mit demFree2Play-Konzept kann man überall kostenlos reinschnuppern und ausprobieren. Gefällt mir das? Habe ich Lust darauf? Und wenn es nicht den persönlichen Geschmack trifft, geht man einfach zum nächsten Spiel. Für uns macht es das natürlich aber auch schwieriger, weil wir die Spielenden initial überzeugen müssen, dass sie auch wirklich dabeibleiben wollen. Heißt, wir müssen von Beginn an Qualität liefern. Nur wenn die Spielenden das Gefühl haben, das Spiel ist es ihnen wert, geben sie auch Geld aus. Das finde ich fair. Wem unsere Spiele wertvoll genug sind, der kann die Arbeit und das Herzblut, die wir in sie gesteckt haben, damit honorieren. Und wen wir nicht überzeugen konnten, der hat auch nichts verloren.

Die Branche hat ja immer wieder mit strukturellem Sexismus zu kämpfen. Als Frau in einer Führungsposition bist du international gesehen in der Games-Branche eher die Ausnahme. Wie siehst du das Problem? Wie kann die Situation für Frauen in der Branche geändert werden?

Marika: Ich glaube, wir müssen die Frauen noch viel mehr stärken. Selbstbewusster aufzutreten, aber auch ganz laut und deutlich die Missstände in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir alle sind gefordert, diese Themen immer wieder aufzugreifen und Veränderungen anzustoßen. Sicherlich gibt es noch viel zu tun. Positiv ist, dass viele erste Schritte bereits getan wurden. Auch viele Männer machen sich mittlerweile für diese Themen stark. Also: Das Thema ist präsent. Und das ist gut so. Jetzt heißt es, nicht nachlassen, dranbleiben, Vorbild sein und wir alle zusammen müssen weiter daran arbeiten, dass es besser wird.

upjers: In Bamberg gibt es Nachwuchs-Talente und eine wachsende Community

 

Ihr seid in euren Anfängen von Memmelsdorf bei Bamberg nach Bamberg gezogen. Und habt Bamberg seitdem nicht verlassen. Warum?

Marika: Bamberg ist eben einfach ein wunder-wunderschöner Ort [lacht]. Außerdem sind wir hier verwurzelt. Klaus und ich haben zwei Kinder, die hier zur Schule gegangen sind. Unsere Mitarbeitenden kamen am Anfang alle aus der Region und viele haben hier Familie. Die wollten wir nicht einfach aus ihrem Leben reißen und viele wären wahrscheinlich auch nicht mitgegangen, wenn wir uns für einen anderen, größeren Standort wie Hamburg oder München entschieden hätten. Wir sind hier geblieben und haben es auch nicht bereut. Bamberg ist in vielerlei Hinsicht ein guter Standort und wir wollen weiterhin hier bleiben.

Standortvorteile in Bamberg – Kannst du ein paar Beispiele nennen?

Marika: Da fallen mir einige ein. Das fängt bei der Miete an. In Franken kann man vergleichsweise günstig wohnen und leben. Es ist aus meiner Sicht auch sehr lebenswert: Man ist schnell im Grünen, in der schönsten Natur, aber auch bei Bedarf fix mit dem Zug in München oder Berlin. Bamberg als Stadt hat für mich genau die richtige Größe – man kommt mit dem Fahrrad rasch überall hin. Das ist etwas, was mir in Großstädten nicht gefallen würde – da brauche ich unter Umständen eine Dreiviertelstunde, um mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Büro zu kommen, je nachdem, wo ich wohne. Das ist in Bamberg deutlich einfacher. An der Universität Bamberg gibt es auch einen großen Informatik- und Technologie-Bereich, da kommen viele Nachwuchs-Talente nach, was für uns auch von Vorteil ist. Insgesamt lässt es sich in Bamberg einfach gut leben und arbeiten.

Als games-affine Besucher:in in Bamberg: Wo gibt es was zu erleben? Was muss man gesehen haben?

Marika: Neben all den Brauereien? Davon gibt es bei uns sehr, sehr viele. Tatsächlich hat der Landkreis Bamberg wohl die größte Brauereidichte der Welt. Aber Spaß beiseite: Kommt uns doch einfach mal besuchen! Am besten vorher eine kurze Email schreiben [lacht]. Wir freuen uns auf euren Besuch! Ansonsten gibt es eine wachsende Games-Szene in Bamberg mit StartUp-Treffen, Game Jams und einer aktiven Community, in der sicher jeder interessante Austauschplattformen findet.

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