Nachhaltigkeit in Games: So grün ist die bayerische Branche

Von Nora Beyer

In der bayerischen Spielindustrie werden grüne Themen immer beliebter. / Bild: stillalive Studios

Grüne Themen in Spielen werden immer beliebter. Die bayerische Spieleindustrie geht mit guten Beispielen voran. Ein Blick in die Branche zwischen Multiplayer und Mülltrennung.

Er hat einfach mal nachgerechnet. Die Umstellung auf ein nachhaltigeres Büro begann für Benjamin Lochmann, CEO des Nürnberger Spielestudios Pixel Maniacs, denkbar simpel. „Der erste Schritt war, überhaupt mal zu gucken, wo wir Ressourcen in der Spieleentwicklung verbrauchen“, erzählt Lochmann. „Da haben wir uns den Strom- und Wasserverbrauch angeschaut. Haben unsere Mülltrennung hinterfragt und auch, mit welchen Verkehrsmitteln wir reisen.“ Das Pixel Maniacs Team-Selfie aus dem ICE auf dem Weg zur alljährlichen gamescom, der weltgrößten Spielemesse, ist quasi schon Kult. „Bei dieser Überprüfung sind wir auf eine ganze Reihe von Dingen gestoßen, die für uns unsinnig waren.“ Und relativ einfach optimiert werden konnten.

Der alte Gemeinschaftskühlschrank – ein Stromfresser – wurde auf Kleinanzeigen verkauft. Die LED-Panels im Büro, die „dreißig Prozent unseres gesamten Stromverbrauchs ausmachen“, bleiben jetzt öfter aus. Und über Solaranlagen auf dem Dach habe man sich auch schon informiert. „Viele solcher vermeintlichen Kleinigkeiten helfen schon und sparen bares Geld“, so Lochmanns Fazit.

Games-Industrie: Top-Thema Nachhaltigkeit

Mit dieser Erkenntnis ist er nicht alleine. Nachhaltigkeit ist Thema in der bayerischen Kulturbranche. Seit kurzem schaltet das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in München die energiefressenden Lüftungsanlagen über Nacht aus. Das Augsburger Open-Air-Festival Modular nutzt spezielle Software, um den eigenen CO2-Ausstoß zu berechnen. Und die Penzing Studios haben sich eine CO2-neutrale Filmproduktion zum Ziel gemacht. Diese grüne Welle hat längst auch die Spieleindustrie erreicht. Mit enormem Einflusspotential. Denn: Weltweit spielen rund drei Milliarden Menschen Videospiele. Auch in Deutschland ist der Anteil der Spielenden hoch: 54 Prozent spielen regelmäßig. Der Branchenverband game stellt die Wichtigkeit des Themas heraus: „Umwelt- und Klimaschutz ist uns als Games-Branche ein besonders wichtiges Anliegen“, erklärt Geschäftsführer Felix Falk. „Die Games-Unternehmen engagieren sich dabei auf vielen verschiedenen Wegen für die Umwelt. Und Games eignen sich außerdem durch ihre Interaktivität besonders gut, um für mehr Klimaschutz zu sensibilisieren.“

Green Gaming: Bayerische Games werden grün

Innerhalb Deutschlands ist Bayern beim Thema vorne mit dabei. Insgesamt 342 Firmen, Organisationen und Einrichtungen machen das Bundesland zu einem der Top 3-Standorte für Gaming in Deutschland. Und einem, der zunehmend grüner wird. „Grüne Themen nehmen innerhalb der Videospielbranche mehr Raum ein als früher. Diese Tendenz sehen wir auch in Bayern“, meint Rupert Ochsner vom Münchner Spielestudio Bonus Level Entertainment. Die sind für ihr Spiel „HeartWarming“ gerade auf der Suche nach einem Publisher. Darin geht es um eine Welt, „die mit steigenden Temperaturen zu kämpfen hat und den daraus resultierenden Konsequenzen für Flora und Fauna.“ Dafür haben sie den metaphorischen Weg gewählt – über eine Fabel. Ein junger, frecher Luchs und ein alter, grantiger Pinguin müssen ihren Generationenkonflikt überwinden und ihre unterschiedlichen Fähigkeiten einsetzen, um die Welt zu retten. Fabelhaft findet Ochsner auch die Arbeitsstruktur des Indie-Studios: „Wir sind stolz darauf, komplett remote zu arbeiten. So übernehmen wir direkt Verantwortung, weil das viele Ressourcen spart.“

Umweltthemen in Games: Klimakatastrophen digital erfahren

Auch Alexander Schmidt vom Nürnberger Studio Well Done Games beobachtet die Tendenz zu grünen Inhalten: „Es gibt auf jeden Fall einen Shift hin zu mehr Spielen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen.“ Titel wie „Terra Nil“, ein Renaturisierungs-Aufbauspiel, das zum Überraschungs-Hit wurde, machen international Schlagzeilen. Wie mittlerweile einige Spieleschmieden, macht Well Done Games gesellschaftlichen Impact sogar zum Firmenkern. Die haben gleich eine ganze Reihe von Spielen mit grünen Inhalten im Portfolio. „Als wir uns gegründet hatten, wollten wir, dass unsere Firma irgendwas mit einem gesellschaftlichen Mehrwert macht“, erzählt Schmidt. „Wir nehmen schwierige Themen aus der realen Welt und versuchen, sie interaktiv erfahrbar zu machen. Und weil der Klimawandel da ganz wichtig ist, setzen wir uns in unseren Spielen viel damit auseinander.“ Zum Beispiel in „Beyond The Flood“. Im Prototyp des Spiels, der vom FFF Bayern gefördert wurde, geht es darum, „dass man als Spieler versucht, Menschen während einer Flutkatastrophe zu helfen. Beeinflusst hat uns da die Flutkatastrophe im Ahrtal.“ Oder in „Grass“. Einem Cozy Game, bei dem man einen Rasenmäher spielt, der meditativ-achtsam seine Runden durch einsame Naturlandschaften dreht. Oder im aktuellen Projekt „IndusTree“. Einer Simulation, in der man per Mikromanagement Bäumen beim Wachsen hilft.

Das Spiel „HeartWarming“ nähert sich via Fabel dem Klimawandel und untergeordneten Themen wie damit einhergehenden Generationenkonflikten. © Bonus Level Entertainment

„Beyond the Flood“: Konsequenzen und Herausforderungen von Flutkatastrophen stehen im Mittelpunkt. © Well Done Games

Klimaanpassung und die Folgen: Das ist Thema im Spiel „Klim:S²¹“ der Würzburger Spieleschmiede Gentle Troll. © „Klim:S²¹“ eigener Screenshot

Im „Cozy Game Garden Life“, hegen und pflegen die Spielenden verlassenes Land zu einem blühenden Garten. © stillalive Studios

 

Umwelt- und Klimaschutz: Spiele können Lösungswege aufzeigen

Das Spiel zur Klimaanpassung haben Michel Wacker und sein Team von Gentle Troll in Würzburg entwickelt. Das heißt tatsächlich so: „Klim:S²¹ - Das Spiel zur Klimaanpassung“ und soll den Klimawandel in den verschiedenen Naturräumen der Bundesrepublik digital erlebbar machen. „Wir haben ‚Klim:S²¹ zusammen mit der PH Heidelberg entwickelt und wollen damit vermitteln, wie wir unseren Alltag in unterschiedlichen Naturräumen in Deutschland auf den Klimawandel adaptieren können – oder auch müssen“, so Wacker. Dabei muss man im Spiel Entscheidungen zu bestimmten Schutzmaßnahmen treffen und erfährt dann auch, wie diese wirken. Während der Entwicklung sei ihm die Relevanz einiger Aspekte der Klimadebatte bewusst geworden, die oft zu kurz kämen: „Üblicherweise reden wir ja nur über Klimaschutz als Verzögerung des Klimawandels. Nicht darüber, dass er längst da ist und wie wir uns anpassen können, um besser damit umzugehen.“ Klimaadaption biete viele Ansätze, die Hoffnung machten. Anstatt nur Ängste zu schüren. Diesen Aspekt wollte Gentle Troll in „Klim:S²¹“ spielbar machen.

Die Würzburger machen aber nicht nur nachhaltige Spiele, sondern achten ebenso wie die anderen befragten Studios auf ein entsprechendes Arbeitsumfeld. „Wir beziehen seit Tag eins Ökostrom über einen Fördertarif, von dem ein Teil des Geldes in den Aufbau von Solarfeldern in Deutschland investiert wird”, so Wacker. Gleichzeitig achte man darauf, dass möglichst viele Rechner nachts ausgeschalten seien, Hardwareanschaffungen möglichst weitsichtig getätigt oder am besten gleich ganz aus Retourenkäufen erworben würden.

Auch große Player setzen auf grüne Themen

Auch große bayerische Spielekonzerne setzen auf grüne Veränderung. Klaus Schmitt, CEO von upjers, meint: „Nachhaltiger Umweltschutz ist schon seit Jahren ein zentrales Thema für uns. Wir unterstützen etwa durch Spenden lokale Projekte wie Blühflächen oder den gamescom Forest, einen klimastabilen Mischwald in der Nähe von Bayreuth.“ Weitere Maßnahmen wie eine papier-arme Verwaltung oder die Teilnahme an Stadtradeln-Aktionen sensibilisierten nicht nur die eigene Belegschaft, sondern auch die Öffentlichkeit für grüne Themen. Außerdem: Upjers nutzt bereits seit über 10 Jahren CO2-neutralen Strom für sämtliche Rechenzentren und verwendet effiziente und energiesparende Kühlungen.

Ähnlich aktiv ist Remote Control Productions. Das in München ansässige Unternehmen für Unterhaltungssoftware besteht aus einem Netzwerk von 15 Spielefirmen. Laut Sprecherin Valerie Künst nimmt das Mutterschiff der internationalen Entwicklerfamilie seine Verantwortung als Impulsgeber und Partner der zugeordneten Spielestudios besonders ernst: „Wir bieten für unsere Studios regelmäßig Workshops zum Thema Green Office an“, erzählt sie. „Da schaffen wir die Vernetzung und den Austausch untereinander, um Nachhaltigkeitsthemen gemeinsam anzugehen.“ Auch intern tut sich einiges: „Wir haben bei uns selbst eine Projektgruppe, die heißt Green Office Strike Force. Die trifft sich regelmäßig und kümmert sich darum, was man im Büro selbst verändern kann, um es nachhaltiger zu gestalten“, so Künst. „Wir sind zum Beispiel auf nachhaltigere Glühbirnen umgestiegen, haben Mülltrennung und Wasserverbrauch in den Blick genommen und auch Guidelines entworfen.“ Und: Auch im Portfolio der Entwicklerfamilie werden grüne Themen immer präsenter. Im Spiel „Garden Life“ der stillalive studios kann man ein Stück verlassenes Land hegen und pflegen und lernt dabei allerhand über Flora und Fauna. Oder in „Arbo – Idle Garden“ von it Matters Games. Da begleiten Spielende einen Baum in seinem Wachstum – vom winzigen Samen bis zur mächtigen Eiche.

Ein guter Anfang für Veränderung

Spiele können für grüne Themen sensibilisieren. Das ist Konsens bei allen Befragten. Einig ist man sich aber auch: Es gibt noch Luft nach oben. Dabei wäre es vor allem wichtig, durch breite Fördermöglichkeiten dem Kreativen Raum zu geben. „Wenn man Spieleförderung generell stärkt, wird das meiner Meinung nach automatisch dazu führen, dass mehr Spiele mit grünen Themen entwickelt werden“, meint Benjamin Lochmann von Pixel Maniacs. Eben weil das Interesse an dem Thema innerhalb der Branche ohnehin groß sei. Das gilt auch für die Spielenden. Eine Umfrage der UN-Initiative „Playing for the Planet“ beweist: Ein Großteil der Spielenden ist überzeugt davon, dass Videospiele helfen können, für Umweltthemen zu sensibilisieren. Zwei Drittel der Befragten geben an, dass sie auch bereit wären, sich etwa über Spenden selbst aktiv zu engagieren, wenn Spiele es schaffen, Umweltthemen so zu integrieren, dass es dem in-game-Erlebnis zugutekomme oder eine gute Sache unterstützt würde. Klimawandel und allgemein Umwelt-Themen sind also kein Abtörner für die Gaming-Community. Das ist ein guter Anfang für Veränderung. In Bayern, in Deutschland und weltweit

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