Noonoouri: Virtuelle Influencerin und Botschafterin im Metaverse

Von Martin Haase

Mit 407.000 Followern ist Noonoouri Deutschlands erfolgreichste virtuelle Influencerin. Bilder: Jörg Zuber Studio GmbH

Kulleraugen, Stupsnase und aufsehenerregende Kleidung: Das ist Noonoouri, digitales Model und Deutschlands erfolgreichste virtuelle Influencerin. Der Münchner Designer Jörg Zuber schuf die Figur vor vier Jahren. Das nächste Ziel der Beiden: das Metaverse.

Jörg Zuber arbeitet dort, wo andere den Feierabend ausklingen lassen. Das Designstudio des 42-Jährigen liegt direkt am Münchner Gärtnerplatz, einem Szene-Hotspot des Glockenbachviertels. Dort am Kreisverkehr geht es über einen Hinterhof in sein Büro, kein auffälliger Schriftzug seiner joerg zuber studio GmbH leuchtet im Eingangsbereich. Man blickt direkt in die Gesichter seiner Mitarbeitenden, nur zwei der sechs Plätze sind an diesem Morgen besetzt. Für Zuber spielen Arbeitsort und -zeit keine Rolle: Seine Beschäftigten sollen dort arbeiten, wo sie kreativ sein können.

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Kreativität ist in dem Designstudio gefragt. Denn hier entsteht Deutschlands erfolgreichste virtuelle Influencerin. Acht von 18 Mitarbeitenden arbeiten Vollzeit an Zubers Schöpfung Noonoouri, die nicht nur auf Instagram zu sehen ist, sondern auch auf den Covern internationaler Fashion-Magazine. Die digitale Figur steht bei der Modelagentur IMG unter Vertrag, neben internationalen Topstars wie Heidi Klum, Gigi Hadid oder Kate Moss. Auf Instagram präsentiert sie ihren über 403.000 Follower:innen virtuelle Kollektionen von Luxusmarken wie Dior oder Gucci bei Events wie der MET Gala. Nicht nur das: Noonoouri ist auf Bildern neben Stars wie Lewis Hamilton, Beyoncé oder Bella Hadid zu sehen, ihrem Instagram-Account folgen Fashion-Stars wie Naomi Campbell oder Marc Jacobs. Für Noonoouri als Mode-Influencerin eine wertvolle Fan-Basis. So kann konnte Zuber Kooperationspartner:innen zeigen, welche neuen Möglichkeiten sich im Marketing durch virtuelle Influencer:innen auftun.

»Die Technologie entwickelt sich rasant. In ein paar Jahren werden animierte Figuren in Filmen und Spielen nicht mehr von echten Menschen zu unterscheiden sein.«

Jörg Zuber, Schöpfer von Noonoouri

Foto: Sebastian Arlt

Noonoouri: Virtuelle Influencerin als flexibles Marketing-Tool

Zuber sieht eine große Stärke von Noonoouri darin, dass sie zeitgleich an mehreren Orten sein kann. Ein menschliches Model könne unmöglich am gleichen Tag bei einem Filmfestival in New York und bei einem Produktlaunch in Singapur auftreten. Zuber braucht nur eine:n Fotograf:in, der oder die ihm das passende Bild liefert – und der Designer bringt Noonoouri ins Bild. Der Nachteil: Das braucht Zeit. Bis Noonoouri tatsächlich auf einem Schnappschuss erscheint, vergehen Tage. Damit sie dennoch live auf einem Event sein kann, muss die Figur zuvor fertig sein: Für ein Bild auf Instagram brauchen Zuber und sein Team drei bis vier Tage, eine Animation kann zwei Wochen und länger dauern. Bei aufwendigeren Produktionen – zum Beispiel mit offenen, wehenden Haaren und dynamischen Hintergründen wie fallendem Laub – können bis zu acht Wochen vergehen.

Dafür gibt es für Noonoouri keine Grenzen. „The sky is the limit!“, sagt Zuber. „Sie kann auf dem Empire State Building sitzen, eine Unterwasser-Modenschau veranstalten oder auf den Kreisen des Jupiters einen Song performen.“ Das sei nicht nur ein Blickfang, sondern auch spannend für die Generation Z – und Marken, die eine junge Zielgruppe erreichen wollen. Zuber erklärt: „Noonoouri spricht junge Menschen an, die mit Gaming oder Social Media aufgewachsen sind. Diese Generation experimentiert in digitalen Welten, unter anderem mit ihrer Identität: Mal können sie ein Muskelprotz sein, mal ein anderes Geschlecht annehmen.“

Jörg Zuber: „Noonoouri ist eine Kosmopolitin“

Wer Vielfalt abbilden wolle, könne das mit Noonoouri: Sie zeige, wie es gelingt, eine ganz andere Rolle einzunehmen und so ein Verständnis für andere Sichtweisen zu entwickeln. Zudem hat sie keine Nationalität, „sie ist eine Kosmopolitin“, meint Zuber. Ihre Wandelbarkeit sei ein Vorteil gegenüber menschlichen Influencer:innen. Gleichzeitig habe sie einen gefestigten Charakter. Ein wichtiger Faktor: Denn nur durch authentische Partner:innen können Marken auch Werte vermitteln.

Auf Noonoouris Instagram-Kanal geht es deshalb auch um Aktivismus: Sie zeigt sich als Teil der LGBTQ+-Bewegung, setzt sich für Nachhaltigkeit und Tierwohl ein, kritisiert Diskriminierung und Rassismus. Dafür lässt Zuber seine digitale Figur in einem Meer aus Plastikabfällen schwimmen, inszeniert sie gemeinsam mit vom Aussterben bedrohten Tierarten oder kleidet sie in einen Pullover mit „Black Lives Matter“-Aufschrift.

Um eine langfristige Marketing-Strategie ging es Zuber bei Noonoouri nie. Der Designer betont, dass sie nicht einfach ein Alter Ego seiner selbst ist, sie spreche für sich selbst. Ihr Charakter mit der Passion für Fashion und Beauty und dem Problembewusstsein für gesellschaftliche Themen sei mit ihm gewachsen. „Deswegen ist Noonoouri heute authentisch, stark und tritt selbstbewusst auf“, ist sich Zuber sicher.

Natürliche Körperhaltung dank Motion Capture Suite

Heute entsteht Noonoouri nicht mehr auf Zeichenpapier, sondern mit moderner Technik. Ein Motion Capture Suite erfasst eine natürliche Körperhaltung: Wie in Hollywood-Animationsfilmen zieht sich ein:e Mitarbeiter:in den Ganzkörperanzug an, der über zahlreiche Sensoren die menschliche Körperhaltung auf ein Computer­modell überträgt. Ein Face-Tracking-System sorgt für natürliche Gesichtsausdrücke, hier übertragen Sensoren, die auf das Gesicht geklebt werden, die Bewegungen an ein 3-D-Modell. Im Nachhinein ist noch ein Feinschliff nötig, aber: „Die Technologie entwickelt sich rasant. In ein paar Jahren werden animierte Figuren in Filmen und Spielen nicht mehr von echten Menschen zu unterscheiden sein“, ist sich Zuber sicher.

Für Noonoouri ist eine realistische Animation keine Option: „Das Digitale soll das Physische unterstützen, der Mensch steht an erster Stelle“, betont der Designer. Zuber nennt als Beispiel dafür die Kampagne mit Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton. Für Tommy Hilfiger standen der Rennfahrer und Noonoouri gemeinsam im gleichen Look vor der Linse. Die digitale Influencerin generiere noch mehr Aufmerksamkeit für die Aussage, die mit einem Bild vermittelt werden soll – und in dem Fall für die Marke Tommy Hilfiger und die vegane Modekollektion, die Hamilton vorstellt. Denn Noonoouri sorge neben einer echten Person auf einem Bild für Verwunderung. Ein erwünschter Effekt: Die Betrachter:innen bleiben hängen, erkennen die reale Person und wollen wissen, wie es zu dem Bild mit der digitalen Influencerin gekommen ist.

Genauso wie ihre menschlichen Kolleg:innen entwickelt sich Noonoouri weiter. Und hat Ziele: In Zukunft werde sie mit neuen Themenspektren experimentieren. Sie könne zum Beispiel Musik empfehlen oder Games besprechen, meint Zuber. Die große Vision ist daher der Schritt ins Metaverse.

Kooperationsmöglichkeiten im Metaverse

Zuber kann sich vorstellen, für Noonoouri einen eigenen virtuellen Raum zu erstellen, wo Nutzer:innen sie zu bestimmten Zeiten antreffen können. Dort könne sie mit Fans über neue Spiele sprechen, neue Mode zeigen oder Alben präsentieren. Daraus würden sich unzählige Kooperationsmöglichkeiten ergeben. Für den Designer ist der Schritt ins Metaverse nur natürlich, immerhin gehört Noonoouri in den digitalen Raum. Besonders für Modekollektionen ergebe sich ein entscheidender Vorteil: „Die Fashion-Branche ist in Sachen Nachhaltigkeit sehr umstritten. Selbst wenn zum Beispiel Baumwolle ökologisch produziert wird – über die Weiterverarbeitung sagt das nichts aus. Zudem wird das meiste auch noch weggeworfen. Im Metaverse kann Kleidung zunächst gezeigt und digital verkauft werden, danach wird sie on demand produziert. Das spart Ressourcen und reduziert die Umweltbelastung.“

Auch NFTs sind ein Thema, vom Profile Picture Drop bis zu Noonoouri-Avataren ist alles möglich. Zuber will mit seiner Schöpfung die Avantgarde bilden und zeigen, was möglich ist – nicht nur Trends hinterherlaufen. Selbst wenn Noonoouri künftig im Metaverse einen durchschlagenden Erfolg erzielt und es viele Nachahmer:innen geben sollte: „Digitale Figuren oder Avatare werden Influencer:innen nicht ersetzen.“ Zuber zufolge geht es im Grunde um eine Diversifizierung der Ansprache: „Es gibt Menschen, die werden durch Menschen erreicht. Und es gibt andere Personen, die werden durch digitale Avatare erreicht.“ Das sei ein ähnliches Prinzip wie bei Print- und Online-Produkten, die jeweils andere Zielgruppen ansprechen. Für den 42-Jährigen ist die Botschaft wichtiger als der Bote oder die Botin.

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