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Die Münchner Nachrichtenagentur spot on news nutzt künstliche Intelligenz, um ihre Artikel auf die Bedürfnisse ihrer Kunden zuzuschneiden. Mit dem entsprechenden Tool wandeln die Redakteur:innen einen unpersönlichen Text in einen mit direkter Ansprache um, integrieren stimmig Keywords oder erzeugen einen bestimmten Sprachstil. Mit diesem Ansatz hebt sich die Agentur von anderen Playern in der Branche ab.
Ryan Gosling düst an einem heißen Sommertag mit dem Fahrrad zum Hollywood-Italiener „Fabulous Cuisine“. Das ist nicht dasselbe wie: Ryan Gosling düst an einem heissen Sommertag mit dem Velo zum Hollywood-Italiener »Fabulous Cuisine«. Wer genau hinsieht, erkennt, dass im zweiten Satz nicht nur „Fahrrad“ durch „Velo“ ersetzt wurde, sondern auch das scharfe S durch zwei S. Außerdem sind die Anführungszeichen anders. Der erste Satz richtet sich an ein deutsches Publikum, der zweite an ein schweizerisches Publikum.
Dieses Beispiel veranschaulicht die Fähigkeiten von ConUnique, einem KI-Tool, das die Nachrichtenagentur spot on news in ihr Redaktionssystem integriert hat. Es führt sprachliche Veränderungen an einem Text sekundenschnell durch, auch komplexere als im Beispiel. „Wir bieten unseren Kunden entsprechend ihrer gewünschten Tonalität oder Keywordauswahl unique Texte. Die modifizierten Texte stärken die Marke des jeweiligen Publishers und haben den passenden Sprachstil für die angesprochene Zielgruppe. Zudem werden sie besser in Suchmaschinen gefunden, denn Google und Co. bevorzugen einzigartigen Content“, erklärt Geschäftsführer Tobias Lobe.
Gerade für eine Nachrichtenagentur sei das ein entscheidender Vorteil auf dem Markt: „Traditionell liegt die Stärke von Nachrichtenagenturen in der Produktion einer großen Anzahl gut recherchierter und geschriebener Artikel. Diese Artikel werden Publishern allerdings in der Regel standardisiert angeboten. Mit ConUnique ändert sich dieses Modell – ein echtes Alleinstellungsmerkmal.“
Die Implementierung des Tools spiegelt die Innovationsfreude von spot on news wider. Als Marktführer in den Themenbereichen Entertainment und Lifestyle beliefert die Agentur Kunden wie T-Online, Web.de und Focus Online mit Texten, Bildern und Videos. Jede dieser Plattformen erreicht monatlich rund 30 Millionen Unique User:innen. „Um die Spitzenposition zu verteidigen, spielen Innovationen für uns eine herausragende Rolle. Unser Ziel ist es, technologisch vorne mitzuspielen“, betont Lobe.
Vor zwei Jahren wurde daher in der Redaktion ein neues Content Management System eingeführt. Es besteht aus den Teilplattformen ConCreate, ConCast und ConUnique. ConCreate bündelt die Contentproduktion und umfasst etwa ein Tool zur Optimierung von Texten nach den Kriterien guter Sprache sowie die Anpassung von Content an unterschiedliche Feed-Formate. ConCast ermöglicht die Distribution der Inhalte auf den Seiten der Publisher, wunschweise vollautomatisiert und mit Monetarisierungstool.
»Um die Spitzenposition zu verteidigen, spielen Innovationen für uns eine herausragende Rolle. Unser Ziel ist es, technologisch vorne mitzuspielen.«
Tobias Lobe
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Vor vier Monaten kam ConUnique als letzter Bestandteil des Systems hinzu. „Als KI-Engine nutzen wir die neueste ChatGPT-Version, da sie derzeit die besten Ergebnisse liefert. Ergänzend haben wir eine übersichtliche, funktionsreiche Benutzeroberfläche entwickelt. Dadurch können wir Texte gezielt und systematisch bearbeiten und verarbeiten. Es entsteht ein nahtloser Workflow mit echtem Mehrwert.“
Bei der Redaktion sei das Tool auf Zustimmung gestoßen: „Ich hatte mit mehr Skepsis gerechnet, aber das Gegenteil war der Fall“, berichtet Lobe. Die KI werde nicht als Konkurrenz betrachtet, sondern als eine Unterstützung: „Die Schlussredaktion, die für die kundenindividuellen Anpassungen verantwortlich ist, sieht in dem Tool eine Hilfe, einen klaren Blick zu bewahren und Zeit zu sparen.“
Daniel Riedmüller, Leiter Customized Content, beschreibt das Vorgehen bei der Individualisierung für die Kunden: „Die KI lernt die Sprache des Kunden, indem wir sie mit bereits veröffentlichten Texten füttern. Zusätzlich testen wir Prompt-Kombinationen und analysieren die Resultate, um uns schrittweise der optimalen Textversion anzunähern. Wir legen dabei auch eine angemessene Sampling-Temperatur fest, die bestimmt, wie strikt beziehungsweise kreativ die KI die eingegebenen Prompts umsetzt.“ Da Kunden einen gewissen Stil meist langfristig wünschten, zahle sich diese „Experimentierphase“ aus.
Riedmüller geht näher auf die Vorteile für die Kunden ein: „Sie können ihre Individualisierung frei wählen, von einfachen Variationen wie direkter Ansprache der User:innen bis zu tiefgreifenden Änderungen wie einer emotionaleren oder der Gen Z angepassten Sprache. Auch mehrfache Modifikationen sind möglich, zum Beispiel eine Textversion in Jugendsprache, speziell auf die Schweiz zugeschnitten. In diesem Fall ‚cruist‘ Ryan Gosling mit dem Velo zum Hollywood-Italiener.
Die Struktur des Artikels ist ebenfalls justierbar. „Einerseits haben wir einige Kunden, für die der traditionelle Aufbau von Nachrichtenmeldungen nicht so sehr geeignet ist, andererseits steigt die SEO-Relevanz, wenn bestimmte Schlagwörter früh im Text platziert werden“, erläutert Riedmüller.
Am Ende jedes KI-Prozesses ist noch mal der Mensch gefragt: „Selbst wenn die künstliche Intelligenz Fakten und Zitate eines Textes unberührt lässt – wie wir es in den Prompts vorschreiben –, prüft die Schlussredaktion den Text final. Denn es ist nicht völlig auszuschließen, dass die KI Begriffe falsch ausgibt. Unsere Grundüberzeugung lautet daher: Der Mensch steht am Anfang und am Ende“, versichert Lobe.
„Selbst wenn die künstliche Intelligenz Fakten und Zitate eines Textes unberührt lässt – wie wir es in den Prompts vorschreiben –, prüft die Schlussredaktion den Text final. Denn es ist nicht völlig auszuschließen, dass die KI Begriffe falsch ausgibt. Unsere Grundüberzeugung lautet daher: Der Mensch steht am Anfang und am Ende.“
Tobias Lobe
Die bisherige Resonanz auf die Innovation sei äußerst positiv. Skeptisch gegenüber KI eingestellte Kunden habe Lobe durch die Art der Anwendung überzeugen können: „Es handelt sich eben nicht um KI-generierte Artikel, sondern um eine KI-Anpassung von menschlich recherchierten, ausgearbeiteten und vor der Freigabe noch mal geprüften Artikeln mit enormen Kostenvorteilen. Deshalb verschwinden die Bedenken in den Gesprächen oft schnell.“
Kunden haben die Wahl, ob sie alle Texte oder nur Texte zu einzelnen Themengebieten individualisieren lassen möchten. Für die Individualisierung fällt ein Aufpreis von einem niedrigen zweistelligen Betrag pro Artikel an. „Besonders Verlage mit begrenzten redaktionellen Ressourcen schätzen diese Lösung sehr, da sie so Texte kosteneffizient unverwechselbar und suchmaschinenoptimiert gestalten lassen können“, resümiert Lobe. Für ihn und sein Team sei das eine große Motivation, das Dienstleistungspaket in der Branche noch bekannter zu machen. Wer weiß, vielleicht werden auch weitere Publisher aus der Schweiz der Meinung sein, dass wiedererkennbare Texte besser klingen – oder eben: besser tönen.
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