Andreas Briese, Deutschland-Chef von Youtube

Andreas Briese von Google/Youtube: Das Suchverhalten von heute

Übersicht mit KI, Personalisierung und Mehrfach-Screens: Wie suchen junge Menschen nach Informationen – und wie können Medien das für sich nutzen? Andreas Briese ist seit 2008 bei Google, das mit seinem Sitz in München die bayerische Medienbranche prägt. Heute ist er unter anderem Deutschland-Chef von YouTube und gibt im Interview Antworten.

04.12.2025 5 Min. Lesezeit

Herr Briese, wie verändert sich das Suchverhalten im Netz?

Andreas Briese: Die Welt ist komplexer geworden, das betrifft auch die mediale Nutzung. Gerade junge Early Adopter neuer Technologien bewegen sich in dieser Komplexität, die über mehrere Screens hinweg und auf verschiedenen Endgeräten stattfindet. Wir haben vier Verhaltensweisen identifiziert: Streaming, Scrolling, Suchen und Shoppen.

Als Reaktion auf die Komplexität beobachten wir, dass auch Suchanfragen länger und komplexer werden. Das bedeutet für uns, dass Suchende umfassendere Antworten mit einer Einordnung von Informationen erwarten. Darauf zahlen zum Beispiel Übersichten mit KI ein.

Inwiefern werden die Suchanfragen komplexer?

Briese: Die Suche ist heute multimodal. Früher wurde einfach Text in eine Suchmaschine eingetippt. Heute sehen wir auch Fotos, Sprache oder Sound als Startpunkt einer Suche. Ich kann also in einem Bild etwas einkreisen und so eine Suchanfrage starten, einen Song erkennen lassen oder per Spracheingabe eine Frage stellen.

Das Gleiche gilt auch für den Output: Hier erwarten besonders die jungen Suchenden multimodale Ergebnisse. Wenn ich einen Song suche, will ich diesen hören oder das Musikvideo sehen. Wir bei Google versuchen deshalb immer sehr frühzeitig festzustellen, was Nutzende wollen, um dieses Bedürfnis zu bedienen.

Aktives Suchverhalten: Youtube ist die zweitgrößte Suchmaschine der Welt

Welche Auswirkungen haben interessensbasierte Vorschläge? Gibt es noch aktives Suchen oder gehen Nutzer:innen dazu über, eher passiv zu konsumieren?

Briese: Passivität kann ich aus YouTube-Sicht nicht bestätigen. YouTube ist die zweitgrößte Suchmaschine der Welt und eine Plattform, die 80 Prozent der Nutzer:innen zu Lernzwecken nutzen. Unser Job ist es, den Nutzer:innen immer eine möglichst gute Antwort auf ihre Fragen zu geben. Zusätzlich gibt es auf YouTube Möglichkeiten zur Interaktion, wie Likes und Kommentare, die klar zeigen, dass wir keine passive Konsum-Umgebung, sondern eine aktive Partizipations-Umgebung schaffen.

Im Unterschied zur Web-Suche hat eine Person, die auf YouTube nach etwas sucht, bereits die Entscheidung getroffen, sich ein Video ansehen zu wollen. Die User Journey ist eine andere. Manchmal wollen Nutzer:innen aktuelle Inhalte eines Creators sehen oder entdecken, was es in ihrem Feed Neues gibt. Das heißt aber nicht, dass diese Personen nur passiv konsumieren.

Junge Nutzer:innen konsumieren Medieninhalte in personalisierter Form und interagieren mit der damit verbundenen Community.

Andreas Briese

Gibt es Unterschiede bei der Nutzung zwischen den älteren und jüngeren Generationen? 

Briese: Wir haben 56 Millionen Nutzer:innen, die mindestens einmal im Monat YouTube nutzen. Wir erreichen alle Altersgruppen. Besonders stark die jüngeren: 90 Prozent der Gen Z sind regelmäßig auf YouTube. Da haben wir eine hohe Relevanz, denn YouTube ist nicht nur ein Unterhaltungs-, sondern auch ein Informations- und Communitymedium. Und auch die ältere Zielgruppe wächst aktuell stark.

Daneben sehen wir eine Verschiebung bei der Nutzung der Endgeräte. YouTube hat als reine Website angefangen, daher kam der Traffic damals darüber. Dann kam die mobile Revolution und die Nutzung auf mobilen Endgeräten stieg stark an. Jetzt sehen wir einen wesentlichen Teil der YouTube-Nutzung auch auf Fernsehgeräten. Täglich werden eine Milliarde TV-Stunden gestreamt. 

Übrigens sind darunter auch Podcasts: Das hat damit zu tun, dass man dort, wo ein Fernseher steht, eine entspannte Umgebung vorfindet. Und meist auch die beste Audioqualität hat, weil der Smart TV mit einer guten Anlage ausgestattet ist. Natürlich spielt es auch eine Rolle, die Hosts im Video zu sehen. Das stärkt die Community-Bindung.

Am 15. Juli 2025 wurden Monetarisierungsmöglichkeiten für repetitive KI-Inhalte bei YouTube ausgeschlossen. Sehen Sie hier die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen? 

Briese: Streng genommen war das nur die Durchsetzung einer schon lange bestehenden Policy. Wir haben klare Anforderungen an die Inhalte, die monetarisiert werden können: Sie müssen originell sein und einen kreativen Mehrwert bieten. Wenn jemand das gleiche Video mit winzigen Variationen mehrfach hochlädt, ist das kein Mehrwert. Das gilt auch unabhängig vom Umgang mit generativer KI. Was wir darüber hinaus sicherstellen, ist Transparenz. Das bedeutet, dass für Videos, die zum Beispiel reale Situationen darstellen, aber KI-generiert sind, eine Kennzeichnungspflicht für Creator:innen gilt. Gleichzeitig erfolgt von unserer Seite eine automatische Kennzeichnung, wenn Creator:innen mit unseren KI-Tools ein Video bearbeiten. Das gilt für alle KI-Tools von Google: Durch einen Fingerprint „stempeln“ wir Videos mit SynthID, wenn sie mit Google KI erstellt oder verändert werden, und haben dann die Möglichkeit, sie bei der Veröffentlichung zu kennzeichnen.

Medienunternehmen müssen ihre Angebot dort anbieten, wo sich junge Menschen aufhalten

Wie können Medienunternehmen diese Erkenntnisse nutzen, um junge Zielgruppen zu erreichen?

Briese: Einfache Antwort: Indem sie ihre Inhalte dorthin bringen, wo junge Menschen bereits sind. Und eine Umgebung finden, die den Nutzungsgewohnheiten junger Generationen entspricht. Wenig überraschend fällt mir dazu als Erstes YouTube ein. (lacht) Junge Nutzer:innen sind in einer nutzerzentrierten Welt aufgewachsen. Das heißt, sie sind an große Vielfalt, Auswahlmöglichkeiten, Verfügbarkeit auf allen Endgeräten und Multimedialität gewöhnt. In dieser Welt konsumieren sie Medieninhalte in personalisierter Form und interagieren mit der damit verbundenen Community. YouTube bietet genau dieses Nutzererlebnis. Wir empfehlen Medienschaffenden deshalb kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch: Sie sollten ihre Inhalte neben den eigenen Streaming-Angeboten auch auf YouTube zur Verfügung stellen.

Und über die Google -Suche?

Briese: Hier gilt: KI verändert das Suchverhalten. Nutzer:innen suchen zunehmend nach Foren, Videos, Podcasts und Beiträgen mit authentischen Stimmen und Erfahrungen. Generell gefragt sind Webinhalte, die den Menschen dabei helfen, mehr zu erfahren, wie etwa eine ausführliche Rezension, ein Originalartikel, eine einzigartige Perspektive oder eine fundierte Analyse aus erster Hand. Medien, die diese veränderten Bedürfnisse erfüllen können, werden auch weiterhin ihre Zielgruppe finden.

Bannerbild: Youtube

Über den Autor/die Autorin

Martin Haase

Martin liebt es, nach Antworten auf die großen Fragen der Medienbranche zu suchen und auf Spurensuche mit Protagonist:innen zu sprechen, die mit Leidenschaft von ihrer Lösung berichten. Beruflich aufgewachsen im Digitalen – unter anderem bei FOCUS Online und der Burda-Agentur C3 – freut er sich ganz besonders, dass er bei Storyboard in der Rolle als Redaktionsleitung die Umsetzung des XPLR-Printmagazins auf Agenturseite übernehmen darf.

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