„Indem sich Leute fragen, wie man DAZN ausspricht, beschäftigen sie sich damit“

Er leitet heute die Geschäfte von DAZN, davor war er Deutschland-Chef bei Twitter. Thomas de Buhr kennt das Medien-Business wie kaum ein anderer. Im Interview erzählt er über den Reiz von Pionierarbeit, seine Learnings und Bikram Yoga.

16.10.2020 8 Min. Lesezeit

Herr de Buhr, nervt es Sie, dass es immer noch Menschen gibt, die den Namen DAZN falsch aussprechen?

Thomas de Buhr: Nein, ich sehe das sogar positiv. Indem sich die Leute fragen, wie DAZN ausgesprochen wird, beschäftigen sie sich mit uns. Und schon das ist ein kognitiver Prozess, den eine Marke ja ohnehin gerne anstoßen möchte.

Wie spricht man DAZN aus? Hier wird das Geheimnis gelüftet:

Was ist für Sie der größte Vorteil von Streaming?

De Buhr: Wir sind der weltweit führende Sport-Streamingdienst und produzieren Sport-Inhalte für Fans. Internet-Streaming bedeutet Flexibilität. Man ist nicht an einen Ort, ein Programm oder ein Gerät gebunden. Etwa 20 Prozent unserer Zuschauer haben den Champions-League-Sieg von Bayern München im August auf dem Smartphone gesehen.

Wie unterscheidet sich DAZN von Sky?

De Buhr: Zum Beispiel in der Art zu berichten. Unser Motto lautet: „Das Stadion ist unser Studio.“ Wir wollen immer ganz nah dran sein am Geschehen auf dem Platz, wollen den Fans die Emotionen und den Sport so pur wie möglich zeigen und auf Augenhöhe präsentieren. Auch das Geschäftsmodell ist anders: Wir orientieren uns an den Bedürfnissen der Fans. Deswegen ist es sehr einfach, uns zu abonnieren oder zu kündigen. Unser Portfolio ist jetzt schon stark, ab 2021 haben wir noch deutlich mehr Übertragungsrechte: Spätestens dann sind wir ganz klar die Nummer eins für alle Sport-, aber auch Fußballfans.

Vor Ihrem Einstieg bei DAZN waren Sie Deutschland-Chef bei Twitter und davor auch bei Google und YouTube. Welche Erfahrungen, die Sie dort gemacht haben, sind noch heute unverzichtbar?

De Buhr: Ich hatte immer das Glück, sehr viel Pionierarbeit leisten zu dürfen. An einer Weggabelung zu stehen und dann seiner Intuition und Erfahrung zu folgen, das hat mich immer gereizt. Mal abgesehen von einer Unternehmensführung, bei der es um Transparenz, Diversität und die beste Idee geht, nicht um Hierarchien.

Sie sind studierter Wirtschaftspädagoge, aber auch gelernter Verkäufer von Werbezeiten bei RTL und ProSieben. Wo haben Sie mehr gelernt?

De Buhr: Am meisten als Verkäufer in der Tiernahrungssparte des Mars-Konzerns. Als Bezirksleiter bin ich in Nordhessen von einem EDEKA zum anderen gefahren. Da wurde zentimeterweise um Regalfläche für Katzenstreu gekämpft und darum, einen Aufsteller vor der Kasse zu platzieren. Jeden Tag Komplikationen, für die es oft erst mal keine einfache Lösung gab. Noch Jahre später habe ich beim Einkauf im Supermarkt ganz automatisch Regale mit Tiernahrung aufgeräumt.

Was ist für Sie die erstaunlichste Erkenntnis im Mediengeschäft?

De Buhr: Mit welcher verblüffenden Geschwindigkeit die Bereitschaft gestiegen ist, für Content und Kommunikation Geld zu bezahlen. Vor ein paar Jahren war das noch nicht der Fall. Und wenn ich sogar noch weiter zurückgehe: Wir waren in meiner Kindheit in Ostfriesland zu neunt, ich hatte noch sechs Geschwister. Wenn bei uns die Telefonrechnung höher als 20 Mark war, gab’s eine Krisensitzung. Das sind gute zehn Euro. Heute liegt das Budget eines Haushalts für Handys, Internet und Streaming schnell weit höher als 100 Euro.

Wer aus der Medienbranche hat Sie am meisten geprägt?

De Buhr: Twitter-Gründer Jack Dorsey, ganz klar. Ich hatte das Glück, mit ihm immer wieder Zeit zu verbringen. In seiner Echtheit, seiner unternehmerischen Klarheit und Entschlossenheit hat er mich unglaublich beeindruckt.

 

Eines Ihrer Hobbys ist Bikram-Yoga, heißt es. Können Sie die 26 Asana-Übungen auswendig?

De Buhr: Könnte ich. Vier Jahre lang habe ich das sehr intensiv gemacht. Bikram ist ja: 90 Minuten Yoga in einem 40 Grad warmen Raum mit 40 Prozent Luftfeuchtigkeit. Am Ende habe ich die 30-Tage-Challenge gemacht, also jeden Tag 90 Minuten. Wenn du an einem Tag nicht kannst, musst du am anderen zwei Sessions machen. Völlig wahnsinnig! Danach hat meine Motivation deutlich nachgelassen.

Wie würden Sie ihren Führungsstil beschreiben?

Aigner-Drews: Optimismus gepaart mit dem Willen anzupacken. Ich bin sehr teamorientiert. Ich diskutiere und entscheide Dinge gern gemeinsam mit meinen Mitarbeitern – auch, wenn ich am Ende die Entscheidung verantworte. Für mich ist es wichtig, mein Team von Anfang an miteinzubeziehen, wenn wir ein neues Projekt umsetzen. Dadurch erfährt man auch mehr Rückhalt und Akzeptanz für Entscheidungen. Das Thema Team und Teamplayer nehme ich sehr ernst. Darum ist es während des Lockdowns besonders schwer für mich gewesen, die Kollegen nicht persönlich treffen zu können.

Sie werden sehr oft gefragt, wie es ist, als Frau einen Männersender zu führen. Wie finden Sie das?

Aigner-Drews: Es muss in unserer Gesellschaft und in unserer Arbeitswelt selbstverständlich werden, dass der- oder diejenige mit den besten Kompetenzen die gestellten Aufgaben, Herausforderungen und auch Positionen übernimmt. Und nicht aufgrund des Geschlechts oder der Herkunft. Die Frage, ob ich einen Männersender führen kann, stelle ich mir nicht. Denn man traut mir und meinem Team diese Aufgabe zu. Und ich traue es mir auch zu.

Wir haben so viele verschiedene Sender und DMAX ist nur ein Teil davon. Der Sender ist übrigens eines meiner Lieblingsbabys, denn ich habe ihn von Anfang an, seit seinem Start 2006, mitbegleitet. Ich finde die Themen wahnsinnig interessant. Ob das ein Männersender oder ein Frauensender ist, das ist doch Nebensache.

XPLR: More Media Managers

Discovery Deutschland hat sich seit seinem Start 1996 von einem Pay-TV-Sender zu einem Multiplattform-Anbieter entwickelt. Wie man ein Sender-Netzwerk durch Corona führt und was Management mit Shakespeare zu tun hat, verrät Geschäftsführerin Susanne Aigner-Drews.

Macht das nicht Sinn? Gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen müssen doch angesichts der Corona-Krise gut überlegen, wofür sie Geld ausgeben.

Jens: Das stimmt. Nur bietet die derzeitige Situation gerade für Unternehmen Chancen, die ansonsten vergleichsweise wenig Geld für Social Media Marketing zur Verfügung haben. Ich denke da an das Café an der Ecke oder den Buchladen in der Kleinstadt – an all diejenigen also, die besonders unter der Ausgangssperre leiden.

Das liegt daran, dass sich gerade viele Unternehmen mit digitaler Werbung auf Kanälen wie Facebook oder Instagram zurückhalten, obwohl sie ihr Budget nicht zwangsläufig gekürzt haben. Gleichzeitig verbringen die Leute aufgrund der eingeschränkten Freizeitaktivitäten mehr Zeit in den sozialen Netzwerken. Diese Faktoren führen dazu, dass der Wettbewerb um Impressions, Link-Klicks und Interaktionen abnimmt.

Heißt: Wer jetzt investiert, zahlt weniger für Klicks und Conversions als sonst?

Jens: Genau. Dazu kommt, dass man mit geringen Budgets ein wenig experimentieren kann. Schon mit 15 oder 20 Euro am Tag können sich diejenigen ausprobieren, die sonst die Finger von Facebook Ads lassen: So kann das Café an der Ecke schon mit wenig finanziellen Aufwänden die Anwohner*innen in der Nachbarschaft darüber informieren, dass es einen Lieferservice eingerichtet hat und der Kuchen jetzt an die Haustür gebracht wird.

Im Übrigen bietet Facebook gerade viele Infos für Geschäfte, Läden und Unternehmen an, um bisher analog ablaufende Prozesse zu digitalisieren.

Hast du den Eindruck, Corona bringt gerade auch die letzten Digitalisierungsskeptiker ins Web?

Jens: Es gibt auf jeden Fall einen Schub. Die Digitalisierung wird vorangetrieben. Besonders erfreulich ist dabei die Fantasie, mit der auch Unternehmen, die bisher nicht sonderlich Social Media-affin waren, mit ihrer Community in Kontakt treten.

Zum Beispiel hat ein LKW-Hersteller kürzlich Ausmalbilder für Kinder auf seiner Facebook-Seite gepostet. Das ist kreativer Content, der jede Menge zur Markenbindung beiträgt. Die derzeitige Situation zwingt die Unternehmen zum Umdenken. Plötzlich geht all das, was vorher vielleicht aus strategischen Gründen nicht ging. Die Menschen trauen sich jetzt etwas im Netz. Die Ergebnisse sind großartig.

Auch Allfacebook musste aufgrund von Corona kreativ werden. Die Allfacebook Marketing Conference fand im März statt in München virtuell statt. Die „Vor Ort“-Konferenzausgabe ist in den August gewandert. Wie waren eure Erfahrungen mit der digitalen Konferenz?

Jens: Zehn Tage vor der Konferenz haben wir entschieden, das Event virtuell stattfinden zu lassen. Dieses Angebot wurde sehr gut angenommen. An der virtuellen Konferenz haben knapp 450 Leute teilgenommen, also rund die Hälfte der Personen, die wir vor Ort erwartet hätten. Mit einer so hohen Beteiligung haben wir nicht gerechnet. Wir dachten, dass die Leute derzeit nicht den Kopf für so etwas haben. Aber das Gegenteil war der Fall. Zusätzlich findet vom 24. bis zum 26. August erstmals eine Sommer-Ausgabe der Konferenz statt.

Ist die virtuelle Ausgabe eine Option für die Zukunft?

Jens: Ich persönlich bin ein Freund von physischen Events. Der persönliche Austausch ist doch nochmal etwas anderes, auch wenn es inzwischen tolle digitale Networking Tools gibt. Die virtuelle Konferenz war eine gute Erfahrung und das Feedback war durchweg positiv. Aber dennoch: Ich freue ich mich auf die Allfacebook Marketing Conference im Sommer.

Screenshots aus dem VR-Adventure „Blautopf VR“ (Foto: Philipp Schall, TELLUX Next GmbH)

Über den Autor/die Autorin

Stefan Ruzas

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