Inklusion meets Innovation: 9 bayerische Vorreiter machen Medien barrierefrei
Rund acht Millionen Schwerbehinderte leben in Deutschland, darunter Menschen mit Sehbehinderung, Schwerhörigkeit oder Mobilitätseinschränkung. Sie sind nicht nur im analogen Alltag auf Barrierefreiheit angewiesen, sondern benötigen auch digital inklusive Medienangebote. Diese neun innovativen Unternehmen und Projekte aus Bayern machen Apps, digitale Dienste und Medien barrierefrei und setzen sich für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen ein.
Eye-Able
Die Entwickler von Eye-Able aus dem unterfränkischen Margetshöchheim haben eine Assistenzsoftware für Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit entwickelt. Sie erlaubt es Nutzer:innen, unter anderem Kontrastverhältnisse, Schriftgrößen, Tonausgabe und Tastaturnavigation an ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Mit über 25 verschiedenen Funktionen soll die Software helfen, die Normen der Barrierefreiheit für Webseiten einzuhalten. Eye Able kann als Button in jede Webseite oder in die Navigationsleiste eingebunden werden.
kurzgesagt
Spannende Themen aus der Wissenschaft in animierten YouTube-Videos auf den Punkt gebracht: Das ist das Konzept des Münchner Unternehmens Kurzgesagt – In a nutshell. Die Erklärvideos in englischer und deutscher Sprache befassen sich mit relevanten Fragen unserer Zeit und ungewöhnlichen Gedankenexperimenten: „Was wäre, wenn wir alle Atombomben gleichzeitig zünden würden?”, „Können schwarze Löcher das Universum löschen?” und „Gentechnik in unserem Essen — Grund zur Panik?” Über 15 Millionen Abonnent:innen folgen dem Kanal von kurzgesagt.
Vimeo-Mediathek der abm
Die abm will Menschen mit Behinderung den Zugang zu digitalen Medien erleichtern und in ihren Sendungen über ihre Anliegen informieren. Dazu hat sie auf Vimeo eine Mediathek mit ihren Sendungen, die teilweise auch auf münchen.tv, Kabel eins und Sport1 laufen, aufgebaut. Die Geschichten darin sind aus Sicht von Menschen mit Behinderung erzählt und sollen ihre Perspektiven sichtbar machen.
Das Jugendmagazin „yoin“ und die Talkshow „Krauthausen – face to face“ kann die abm voll inklusiv anbieten. Das bedeutet, dass alle Menschen, egal ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht, die Sendungen konsumieren können – mit Untertiteln, Audiotranskription, Gebärdenübersetzung oder in leichter Sprache.
Die neue Norm
Einmal im Monat sprechen Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raúl Krauthausen in ihrer Sendung auf Bayern 2 über Vielfalt, Inklusion und das Leben von Menschen mit Behinderung. Alle drei leben selbst mit einer Behinderung und wollen in ihren Gesprächen Strukturen hinterfragen, Diskriminierung offenlegen und Einblicke liefern, die die Mehrheitsgesellschaft nicht hat. Die Sendung gibt es auch als Podcast auf allen gängigen Portalen. Das begleitende Online-Magazin bietet eine zusätzliche Perspektive auf Themen aus Kultur und Gesellschaft.
Science@JMU Podcast der Uni Würzburg
Der Podcast der Julius-Maximilian-Universität Würzburg will ganz nach dem Motto der Uni „Wissenschaft für die Gesellschaft” zugänglich machen und zeigen, woran in Würzburg aktuell geforscht wird. In der Audio-Reihe gibt es englische und deutsche Interviews, aber auch aufgezeichnete Vorlesungen und Podiumsdiskussionen zu hören. Die Themen kommen aus allen Forschungsbereichen der Universität und reichen von „Biodiversität und was die Mücke je für uns getan hat” über „The Shades and Colors of Bilingualism” bis hin zu „Astronomy, Black Holes And Our Place In The Universe”.
Randgruppenkrawall
Weil Menschen mit Behinderung in den Medien aus ihrer Sicht zu wenig berücksichtigt werden, startete Patricia Koller ihren Blog Randgruppenkrawall. Sie will Betroffene, Angehörige und Unterstützer:innen zusammenzubringen, online wie offline. Dafür hat Koller ein ganzes Netzwerk aus Autor:innen aufgebaut, das über Missstände in Politik, Gesellschaft und Verwaltung aufklärt. Über den Zusammenschluss werden auch Inklusions-Stammtische oder Veranstaltungen organisiert. „Hintergrund ist, dass wir in den Medien zu wenig vorkommen und so unsere eigenen Medien machen“, sagt Patricia Koller, die seit einigen Jahren nach einer Borrelien-Infektion einen Rollstuhl nutzt. Als Aktivistin für Behindertenrechte prangert sie an, dass sich Behörden immer wieder nicht an geltende Gesetze halten, und fordert ein Beschwerdesystem für Schwerbehinderte.
Wie barrierefrei sind Medien wirklich?
Es tut sich etwas in Sachen Barrierefreiheit, doch die Bemühungen um Inklusion gleichen einem Marathonlauf. „Viele Internetseiten sind nicht nach den Grundsätzen des barrierefreien Zugangs für alle mit textbasierten Darstellungen und Bildkommentaren programmiert“, kritisiert Christian Seuß. Er ist im Vorstand der LAG Selbsthilfe Bayern e.V., der Dachorganisation von Behindertenselbsthilfeverbänden in Bayern. Positiv schätzt er ein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei seinen Fernsehprogrammen zunehmend die Belange behinderter Zuschauer berücksichtigt.
„Der Anteil von Sendungen und Filmen mit Untertitelungen für Menschen mit Hörbehinderung liegt beim Bayerischen Rundfunk und anderen öffentlich-rechtlichen Sendern bei rund 90 Prozent“, schätzt Seuß. „Fernsehprogramm mit Audiodeskription hinkt zwar hinterher. Aber in der Primetime ist die Quote auch schon relativ gut, sodass blinde und sehbehinderte Zuschauer:innen regelmäßig aus einer größeren Zahl barrierefreier Programmangebote auswählen können.“





