Journalismus für Kinder: Birgitta Kaßeckert über die BR-Checkerwelt

Wissensvermittlung auf Augenhöhe: Seit 2011 ist die Checker-Welt des Bayerischen Rundfunks bei Kindern ein Dauerbrenner. Birgitta Kaßeckert, Leiterin der BR-Kinderredaktion, erklärt im Interview, was Journalismus für Kinder ausmacht – und wie sich das Format mit der Gen Alpha verändert.

21.10.2025 7 Min. Lesezeit

Frau Kaßeckert, die Checker-Welt ist seit über 14 Jahren bei Kindern sehr beliebt. Was macht den Erfolg der Sendung aus? 

Birgitta Kaßeckert: Wir nehmen die Kinder ernst. Kinder wollen nicht nur bespaßt werden, sie denken und fiebern selbst gerne mit. Sie sind von Natur aus neugierig und häufig viel offener als wir Erwachsenen. An diese Wissbegierde und Unvoreingenommenheit docken wir an. Das Bewegtbild gibt uns eine breite Möglichkeit, Wissen aufzubereiten, zum Beispiel mit Reportagebildern, Interviews, Erklärgrafiken oder Spielsequenzen. Damit schaffen wir eines: Wir bleiben spannend. Der Schlüssel ist, den Kindern respektvoll zu begegnen und sie nicht zu langweilen. 

Sie wollen sich bewusst von der typischen Wissensvermittlung in Schulen abgrenzen. Warum ist Ihnen das so wichtig? 
Kaßeckert: Ein großer Unterschied zur Schule ist: Unser Programm ist keine Pflicht und bildet keinen Lehrplan ab. Es vermittelt Wissen und ist unterhaltsam. Kinder mögen es nicht, von oben herab belehrt zu werden. Sie merken auch sofort, wenn sich ein Format anbiedert. Deshalb ist die Ansprache unserer Hosts immer auf Augenhöhe der Kinder.

Die Gen Alpha wächst anders auf 

Mit welchen Themen holt man die Gen Alpha ab? 
Kaßeckert: Ich glaube, dass es zwischen den Generationen gar keinen so großen Unterschied gibt. Wichtig sind Themen, die zeigen, wie die Welt funktioniert, was sie zusammenhält. Was sich allerdings geändert hat, ist die Welt, in der die Gen Alpha lebt. Sie ist viel krisengebeutelter. Nachhaltigkeit, Konflikte, KI und Fake News spielen heute eine große Rolle. Wir nehmen das natürlich auf. Aber unsere Hosts sprechen in den Folgen nicht nur über diese Themen, sondern auch mit Kindern darüber, zum Beispiel in unseren Ukraine-Specials.

Wie erklärt man Kindern diese schwierigen Themen? 

Kaßeckert: Wichtig ist, dass man Kindern Themen wie den Ukraine-Krieg und den Konflikt in Gaza nicht aus Erwachsenenperspektive erklärt, sondern Angebote macht, zu denen sie gleich einen Zugang finden. Man muss aus besonders schwierigen Themen die Komplexität herausnehmen – nicht jedes Detail ist für Kinder wichtig. Gleichzeitig dürfen wir nichts verschweigen oder Dinge zu sehr vereinfachen. 

Wie halten Sie die Balance? 

Kaßeckert: Wenn wir zum Beispiel den Konflikt im Gazastreifen erklären, zeigen wir mithilfe vieler Grafiken, wie der Konflikt zustande kam und wann er begann. Ganz wichtig ist, dabei keine Angst zu machen oder Verzweiflung zu schüren. Dafür müssen wir besonders auf die richtige Bildwahl achten: Wir würden niemals brutale Kriegsfotos zeigen und die Kinder damit allein lassen. Wir nehmen bei solchen Themen eine neutrale Position ein. Moralisieren ist ein absolutes Tabu. Wir machen keine Politik, sondern Wissensvermittlung. 

Das große Geheimnis von gutem Kinderfernsehen ist: Es ist für alle interessant. Weil es zeitgemäß ist und komplexe Dinge einfach erklärt. Und weil darin immer wieder Entlastungsmomente vorkommen, die auch aus komplexen Themen etwas Schwere rausnehmen.

Birgitta Kaßeckert

Werden Kinder oft unterschätzt, wenn es darum geht, komplexe Sachverhalte oder schwierige Themen zu verstehen? 

Kaßeckert: Total. Man darf aber auch nicht den Fehler machen, sie zu überschätzen. Wir dürfen sie nicht mit Details überfrachten, sondern müssen ihnen die Chance geben, die Informationen verarbeiten zu können. Unser Ziel ist es, Kinder zu empowern, sie mit Wissen zu versorgen und sie dadurch stark und handlungsfähig zu machen. 

Eltern und Großeltern schauen die Checker-Folgen gerne mit. Woran liegt das? 

Kaßeckert: Das große Geheimnis von gutem Kinderfernsehen ist: Es ist für alle interessant. Weil es zeitgemäß ist und komplexe Dinge einfach erklärt. Und weil darin immer wieder Entlastungsmomente vorkommen, die auch aus komplexen Themen etwas Schwere rausnehmen. Wir bekommen viel Feedback von Eltern, die dankbar dafür sind, dass sie mit unserem Checker-Format eine Unterstützung bekommen. Es gibt mittlerweile rund 360 Checker-Folgen, darunter der Krebs-Check, der Leben-und-Sterben-Check, der Integrations-Check. Wir erklären auch Themen, die Mama und Papa oder Oma und Opa nur schwer erklären können. 

Tobias Krell ist als Checker Tobi eines der großen Gesichter des Formats – neben ihm gibt es Checkerin Marina, Checker Julian und Checker Can. Wie wichtig sind der Zielgruppe Bezugspersonen? 

Kaßeckert: Sehr wichtig. Unsere Hosts prägen das Format und ohne sie würde es die Checker-Welt nicht geben. Sie nehmen die Kinder an die Hand und führen sie durch die Themen, sie stellen Fragen, die auch Kinder stellen würden. Sie sind Vorbilder – und sie geben nicht vor, jemand zu sein, der sie nicht sind. Wer Tobias Krell kennt, weiß: Er ist in echt genau so wie vor der Kamera. Diese Authentizität kommt bei den Kindern an: Sie wollen jemanden, dem sie vertrauen. 

Smartphone, Tablet, ChatGPT: Kinder wachsen heute mit viel mehr Technologien und Smart Devices auf. Wie verändert das ihre Art, Medien zu konsumieren? 

Kaßeckert: Vor allem hat sich das Nutzungsverhalten der Eltern total verändert. Sie sind in der Regel sehr technikaffin und viel digital unterwegs. Sie nutzen lineare Medien heutzutage viel weniger. Wir berücksichtigen diese Entwicklungen selbstverständlich. Entsprechend sind unsere Inhalte auf allen relevanten Plattformen abrufbar. Dazu gehören unsere eigenen Plattformen wie die ARD Mediathek und Audiothek oder der KiKA-Player, aber auch der werbefreie YouTube-Kidsbereich. 

Du möchtest mehr über die Checker-Welt erfahren?

Hier geht’s zum Interview mit Checkerin Marina!

Ein ganzheitlicher Ansatz stärkt die Marke 

Neben der Fernsehsendung auf KiKA gibt es unter anderem einen Podcast, mehrere Kinofilme und Bücher mit Checker Tobi. Muss die Gen Alpha mit einem ganzheitlichen Ansatz bespielt werden, damit man sie erreicht und hält? 

Kaßeckert: Wir müssen dem veränderten Nutzungsverhalten Rechnung tragen. Das machen wir, indem wir verschiedene Formate anbieten, die kürzer sind als unsere 25-minütigen Checker-Reportagen, die sich noch eher ans lineare Fernsehen anlehnen. Unsere Spin-offs, sei es das „CheXperiment“, die „CheXpedition“ oder Themen-Specials, sind kleinere Einheiten von vier bis zwölf Minuten. Und wir haben einen erfolgreichen Podcast, den „CheckPod“. Das alles stärkt die Checker-Marke. 

Welche Rolle spielt Social Media für die Checker-Welt? 

Kaßeckert: Unsere Kernzielgruppe sind Kinder im Alter von sechs bis zehn – für sie spielt Social Media noch keine so große Rolle. Wir sind auch auf TikTok und YouTube Shorts unterwegs, aber wir nutzen das vor allem, um die Eltern anzusprechen und die Aufmerksamkeit auf unsere eigenen Plattformen zu lenken. 

Wie hält sich die Redaktion auf dem neuesten Stand, was Needs, Nutzung und Interessen der Zielgruppe angeht? 

Kaßeckert: Wir arbeiten sehr eng und vertrauensvoll mit der Produktionsfirma Megaherz zusammen, die für den BR alle Checker-Folgen umsetzt. Wir haben das Checker-Format gemeinsam entwickelt, ebenso neue Spin-offs. Natürlich müssen wir immer wissen, wie unsere Zielgruppe tickt. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, etwa das soziale Umfeld, die Herkunft, die Sprachbegabung, das Geschlecht. Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) hilft uns, das Nutzungsverhalten und die Interessen unserer Zielgruppe zu verstehen. Mit dem IZI evaluieren wir unsere Formate in qualitativen Studien. Außerdem bekommen wir sehr viel Feedback von Lehrer:innen und Zuschauer:innen. Wir arbeiten mit User-Labs und sind auch in Schulklassen unterwegs. 

Themenvorschläge vom jungen Publikum 

Wie sieht die Kommunikation mit der Zielgruppe aus? Darf Gen Alpha mitreden, etwa was Themen angeht?

Kaßeckert: Wir haben einen ganzen Katalog von Themenvorschlägen, die von Kindern kommen. Aktuell produzieren wir deshalb zum Beispiel einen Baby-Check und den Kinder-Check. Diese Folge gestalten Kinder inhaltlich mit und begleiten Checker Tobi bei den Interviews und Reportageteilen. 

Wo geht es in Zukunft hin mit der Checker-Welt? 

Kaßeckert: Aktuell haben wir mit „CHECK IN“ ein neues Spin-off mit Checkerin Marina auf den Weg gebracht. Im Januar 2026 kommt außerdem mit „Checker Tobi 3 – Die heimliche Herrscherin der Erde“ der dritte Film mit Checker Tobi in die Kinos.

Bannerbild: Sebastian Arlt

Florentina Czerny
Über den Autor/die Autorin

Florentina Czerny

Florentina ist Teil des Content-Teams bei XPLR: MEDIA und Geschichtenerzählerin aus Leidenschaft. Für unser Onlinemagazin spürt sie regelmäßig Erfolgsstorys über Medienmacher:innen und innovative Projekte am Medienstandort auf. Zuvor hat sie in Eichstätt Journalistik studiert, im Lokaljournalismus volontiert und drei Jahre lang als Redakteurin bei der Passauer Neuen Presse gearbeitet.

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